Alexander C. Blankenstein
Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter berechtigt, diejenigen Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, "die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind". Aus dieser Norm ergibt sich, dass es sich um Maßnahmen handelt, die zunächst einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer bedürfen und ein Beschluss nur deshalb nicht herbeizuführen ist, weil umgehendes Handeln des Verwalters erforderlich ist, um Nachteile abzuwenden. Der Nachteil kann ein rechtlicher oder ein tatsächlicher sein.
4.13.1 Fristwahrung
Die Wahrung einer Frist ist deshalb ausdrücklich genannt, weil es sich wohl um den praktisch häufigsten Fall handeln dürfte, in dem ein Rechtsnachteil verhindert werden soll. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG erfasst insbesondere auch die Führung eines Prozesses für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, soweit eine Befassung der Versammlung der Wohnungseigentümer aufgrund der einzuhaltenden Fristen oder sonstiger drohender Rechtsnachteile nicht möglich ist. Hier ist insbesondere an ein Herausgabeverlangen über die Verwaltungsunterlagen gegenüber dem Vorverwalter zu denken. In diesem Fall kann der Verwalter einen Rechtsanwalt mit dem Ziel der Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung beauftragen.
4.13.2 Notmaßnahmen
Im Ergebnis entspricht § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG den früheren Befugnissen des Verwalters hinsichtlich einer Notgeschäftsführung, die in § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG a. F. geregelt war. Jedenfalls ist der Verwalter nach wie vor berechtigt und verpflichtet, in dringenden Fällen sonstige zur Erhaltung des Gemeinschaftseigentums erforderliche Maßnahmen zu treffen. Die Verwalterbefugnisse bzw. -verpflichtungen im Rahmen des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG korrespondieren mit denen der einzelnen Wohnungseigentümer bezüglich deren Befugnis zur Durchführung von Notmaßnahmen in § 18 Abs. 3 WEG. Droht hier unmittelbar ein Schaden, ist der einzelne Wohnungseigentümer berechtigt, ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die Rechte und Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG gehen jedoch weiter. Voraussetzung für ein Handeln des Verwalters ist hier nicht der unmittelbar drohende Schaden, ausreichend ist, dass ein umgehendes Handeln erforderlich ist.
Grundsätzlich muss der Verwalter zwar auch in eilbedürftigen Fällen unter Verkürzung der gesetzlichen oder vereinbarten Ladungsfrist möglichst einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen. Liegt jedoch ein Fall vor, der wegen seiner Dringlichkeit eine vorherige Einberufung einer Eigentümerversammlung nicht zulässt, kann der Verwalter ohne Beschluss handeln. Dies kann er zwar ohnehin, wenn die Eilmaßnahme nicht zu erheblichen Verpflichtungen führt. Allerdings kann dies im Einzelfall durchaus auch einmal anders sein. Dann sind folgende Grundsätze zu beachten:
Eilbedürftigkeit
Im Sinne einer Nachteilsabwendung ist ein umgehendes Handeln des Verwalters dann erforderlich, wenn die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gefährdet wäre, sollte nicht umgehend gehandelt werden. Dringende Fälle entstehen in der Regel durch Zufall oder höhere Gewalt, etwa
- Brand,
- Explosion,
- Überschwemmung,
- Leck einer Gasleitung,
- Ausfall der Heizungsanlage,
- Bruch oder Verstopfung einer Versorgungs- oder Abwasserleitung.
Dringende Maßnahmen i. S. v. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG sind auch solche, die nicht unmittelbar der Reparatur bzw. Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, wie etwa auch der Abbruch einer Mauer wegen Einsturz- oder Brandgefahr.
Erfordert ein dringender Fall sofortiges Handeln des Verwalters, hat dieser alles Erforderliche zu unternehmen, um die drohende Gefahr abzuwenden. Er ist in diesem Zusammenhang insbesondere berechtigt, Handwerkeraufträge zu vergeben. Die Befugnis des Verwalters erstreckt sich allerdings nur auf erforderliche Maßnahmen, d. h. in der Regel solche Notmaßnahmen, die zur Beseitigung einer Gefahrenlage oder zur Verhinderung von Folgeschäden notwendig erscheinen.
Zwar kein dringender Fall im engeren Sinn, aber dennoch eine entsprechende Handlungsbefugnis und -verpflichtung besteht auch dann, wenn sich bei Durchführung einer beschlossenen Erhaltungsmaßnahme herausstellt, dass weitergehender Instandsetzungsbedarf besteht und wiederum die Durchführung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht abgewartet werden kann.
Schadensersatzpflicht droht
Sind die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung nicht gegeben und setzt sich der Verwalter über die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung hinweg, indem er Maßnahmen in Auftrag gibt, die im Einzelfall zu erheblichen Kosten führen, hat er der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den gesamten ihr daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Dazu gehört der gesamte Werklohn, den der Verwalter zu Unrecht aus Mitteln der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an den Unternehmer gezahlt hat. Freilich muss sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dasjenige anspruchsmindernd anrechnen lassen, was ...