Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelfall einer bauplanungsrechtlich zulässigen Hinterlandbebauung in zweiter Reihe
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Wohnhaus in der zweiten Reihe fügt sich im Verständnis von § 34 Abs. 1 BauGB in ein ungeordnetes Gemenge unterschiedlichster Bauten, Bautiefen und Nutzungen ein.
2. Baurechtlich gibt es grundsätzlich kein Konfliktpotential zwischen unterschiedlichen Formen von Wohnnutzung.
Normenkette
BauGB § 34 Abs. 1
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2003 und des Widerspruchsbescheids aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2006 verpflichtet, der Klägerin die Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses gemäß ihrem Antrag vom 06.10.2003 in der Fassung der Änderung vom 12.10.2004 in Aussicht zu stellen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheides, mit dem ihr die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses mit zwei Garagen im rückwärtigen Teil eines bereits mit einem Mehrfamilien- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks im unbeplanten Innenbereich des H Ortsteils E in Aussicht gestellt wird.
Mit dem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides vom 06.10.2003 bat die Klägerin um Mitteilung, ob die von ihr vorgesehene Bebauung auf dem Grundstück in H, D-Straße, Gemarkung E, Flur, Flurstück zulässig sei. Der vordere (an der D-Straße gelegene) Teil des Grundstücks ist mit einem Mehrfamilienhaus bebaut. Die (durch Teilung des Flurstücks neu zu bildenden) Grundstücke sollten etwa gleich groß sein, wobei die Zufahrt des rückwärtigen Teils durch eine etwa 3 m breite Zuwegung über die M-Straße gesichert sei.
Mit dem Vorbescheid vom 02.12.2003 wurde der Klägerin die Baugenehmigung nicht in Aussicht gestellt: Das Vorhabengrundstück liege innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Nach § 34 Abs. 1 BauGB sei ein Vorhaben dort zulässig, wenn es sich unter anderem hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssten gewahrt bleiben. Diesen Anforderungen entspreche das Vorhaben nicht. Die beabsichtigte Bebauung im rückwärtigen Grundstücksbereich laufe den Zielen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und insbesondere den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse entgegen. Durch die beabsichtigte Bebauung könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Gesundheit der angrenzenden Nachbarn geschädigt und das Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm, Abgase und Gerüche über das zumutbare Maß hinaus gestört würden. Im rückwärtigen Grundstücksbereich der angrenzenden Grundstücke befänden sich Haus- bzw. Wohngärten und Wiesen, die als Ruhezonen anzusehen seien. In diese Eigenart der näheren Umgebung füge sich das Vorhaben nicht ein. Es lasse die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nähe vorhandene Nutzung fehlen. Hinzu komme, dass das Vorhaben in zweiter Reihe errichtet werden solle. Eine solche Bebauung füge sich nicht ein, weil es in der näheren Umgebung keine vergleichbare Bebauung gebe.
Der erste Versuch, den Vorbescheid unter der im Antrag angegebenen Adresse zuzustellen scheiterte, weil der Adressat nach Angaben der Post unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln gewesen sei. Nachdem die Klägerin unter Angabe einer anderen Adresse nach dem Stand des Verfahrens gefragt hatte, wurde der Bescheid wurde der Klägerin am 24.03.2004 zugestellt.
Am 24.04.2004 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung machte sie im Schreiben vom 12.10.2004 geltend, sie ändere ihren Antrag insoweit ab, als die Verkehrsanbindung nicht (mehr) über die M-Straße, sondern über die D-Straße erfolgen solle. Dort würden auch die notwendigen Stellplätze geschaffen. Zudem solle lediglich noch ein Einfamilienhaus errichtet werden.
Mit Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2006 wies der Kreisrechtsausschuss beim Landrat des Saarpfalz-Kreises den Widerspruch zurück: Nach den §§ 76 Abs. 2, 77 Abs. 1 LBO 1996 sei ein Vorbescheid zu erteilen sei, wenn das Vorhaben den öffentlich – rechtlichen Vorschriften entspreche. Das Vorhaben der Klägerin befinde sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, aber innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Damit beurteile sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB. Das geplante Vorhaben füge sich indes nicht im Verständnis von § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Vorliegend solle eine Bebauung in zweite...