Entscheidungsstichwort (Thema)

Belastungsgrenze für Eigenanteil bei chronisch Kranken durch Fürsorgepflicht geboten

 

Leitsatz (amtlich)

Bei chronisch Kranken ist hinsichtlich der von dem Beihilfeberechtigten insgesamt zu tragenden Eigenanteile eine Belastungsobergrenze in Höhe von 1 % des Jahresbruttoeinkommens durch die Fürsorgepflicht geboten.

 

Normenkette

VwGO § 91; BhVO § 5 Abs. 1-2, § 15 Abs. 7; SGB V § 62; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für Krankentransportkosten sowie für Medikamente und Heilbehandlungen weitere Beihilfen insoweit zu gewähren, als der Eigenanteil der Aufwendungen eine Belastungsgrenze von 1 % seines Bruttoeinkommens übersteigt.

Die Bescheide vom 26.07.2006 und 01.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2006, die Bescheide vom 10.08.2006 und 22.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2006, der Bescheid vom 28.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2006, der Bescheid vom 21.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2006, die Bescheide vom 10.10.2006, 16.10.2006 und 23.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006, der Bescheid vom 14.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2006, der Bescheid vom 17.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2006, der Bescheid vom 13.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2006, die Bescheide vom 21.12.2006 und 09.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2007, der Bescheid vom 17.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2007 sowie die Bescheide vom 10.07.2007, 16.07.2007, 19.07.2007 und 20.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2007 werden aufgehoben, soweit sie der vorstehenden Verpflichtung entgegenstehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu ¾ und der Kläger zu ¼.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger leidet an einer Nierenerkrankung und ist auf eine regelmäßige Dialysebehandlung sowie die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Mit Schreiben vom 13.08.2006 legte er gegen die Beihilfebescheide vom 26.07.2006 und 01.08.2006 Widerspruch ein und beantragte die Gleichstellung mit den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. den Beihilfeberechtigten des Bundes in Bezug auf Zuzahlungen für Medikamente, Heilbehandlungen und Krankentransportkosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, die für Bundesbeamte geltenden Vorschriften seien für den Kläger als Landesbeamten nicht anzuwenden. Bei der Regelung der Beihilfe stehe dem Saarland grundsätzlich ein Gestaltungsrahmen zur Verfügung, innerhalb dessen die Voraussetzungen, der Umfang sowie die Art und Weise der Beihilfegewährung bestimmt werden könnten. Leistungslücken, die sich notwendigerweise aus der typisierenden und generalisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch die Beihilferegelungen im Einzelfall ergäben, seien vom Beamten im Hinblick auf die nur ergänzende Funktion der Beihilfeleistungen hinzunehmen. Die Beihilfeverordnung gehe davon aus, dass dem Beamten für Krankheitsfälle eine angemessene Selbstvorsorge durch den Abschluss einer Krankenversicherung als Eigenleistung zugemutet werden könne. In welcher Weise der Beamte die ihm obliegende Selbstvorsorge treffe, sei ihm überlassen. Ihm stehe es frei, ob er überhaupt eine Krankenversicherung abschließt, welche Privatkrankenversicherung er wählt oder ob er als früherer Versicherter – aus welchen Gründen auch immer – als Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt. Die Anerkennung der Leistungsdifferenz zwischen der sozialen Krankenversicherung und der Beamten gewährten Beihilfe sei in der Rechtsprechung anerkannt. Die Krankenversicherung sei nämlich ein Vorsorge- und Leistungssystem, dem grundsätzlich ein anderer Zweck zugrunde liege als dem der Krankheitsvorsorge der Beamten und Versorgungsempfänger. Die Fürsorgepflicht gebiete es nicht, zu den geltend gemachten Aufwendungen eine höhere Beihilfe zu gewähren.

Hiergegen erhob der Kläger am 05.09.2006 Klage. Zur Begründung macht er geltend, er müsse aufgrund seiner chronischen Krankheit erhebliche Kosten aufwenden, die insbesondere aus den Krankentransportkosten, die von ärztlicher Seite als erforderlich ausgewiesen worden seien, und den Zuzahlungen zu den Medikamenten und Heilbehandlungskosten resultierten. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2005 habe sich sein zu versteuerndes Einkommen auf 46.279,– Euro belaufen. Die nach den Beihilfevorschriften des Bundes für Bu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge