Entscheidungsstichwort (Thema)

Baunachbarrecht. Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes

 

Tenor

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Beigeladenen durch eine für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung die Fortführung der Bauarbeiten an der Mobilfunkanlage auf dem Grundstück …, …, vorläufig zu untersagen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte und im übrigen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, mit dem die Antragsteller sinngemäß begehren, daß die Fortführung der Bauarbeiten an der streitbefangenen Mobilfunkanlage auf dem Nachbargrundstück vorläufig untersagt wird, hat Erfolg. Nach der hier gebotenen summarischen Überprüfung des Streitfalles haben die Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Anordnungsgrund ist auch nicht entfallen, weil die Arbeiten zur Errichtung der Mobilfunkanlage zwar erheblich fortgeschritten sind, die Anlage aber nicht fertiggestellt ist. Wie insbesondere die Beigeladene vorträgt, sind die drei Sende- und Empfangsantennen auf dem Antennenträger noch nicht angebracht, des weiteren muß die Systemtechnik in dem im Spitzboden befindlichen Technikraum noch installiert werden. Damit ist die Anlage nicht betriebsbereit wegen des Fehlens wesentlicher Bauteile.

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand dürfte den Antragstellern hier auch ein den Anordnungsanspruch begründendes nachbarliches Abwehrrecht zustehen, denn die noch unfertige Mobilfunkanlage dürfte ungeachtet der weiteren von den Antragstellern geltend gemachten Einwände gegen materielle, auch nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verstoßen. Die Anlage ist bauplanungsrechtlich relevant, weil es sich hierbei um ein genehmigungsbedürftiges Bauvorhaben handelt, § 63 Abs. 1 BauO NW. Die beabsichtigte Errichtung und Inbetriebnahme der Mobilfunkanlage führt in Gestalt einer gewerblichen Nutzungserweiterung zu einer Nutzungsänderung des bisher in Übereinstimmung mit den planungsrechtlichen Festsetzungen – reines Wohngebiet – ausschließlich zu Wohnzwecken genehmigten und genutzten Hauses, ….

Vgl. zu dieser Art einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.1998 – 8 S 1848/98 –, BRS 62 Nr. 164; Hess. VGH, Beschluß vom 29.7.1999 – 4 TG 2118/99 –, BRS 62 Nr. 83 und Beschluß vom 19.12.2000 – 4 TG 3639/00 –, BauR 2001, 944.

Damit stellt die Mobilfunkanlage zugleich ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB dar, weil die hier beabsichtigte Nutzungsänderung von städtebaulicher Relevanz ist. Angesichts der kleiner werdenden Abstrahl- und Empfangsradien der Mobilfunkanlagen – die streitige Anlage soll in Richtung Norden und Süden eine Reichweite von nur 500 m haben –, und der dadurch bedingten Häufigkeit von Mobilfunkanlagen insbesondere in Stadtgebieten erfaßt bzw. berührt eine derartige Anlage, zumal wenn sie mit 8 m über Dach eine nicht unbeträchtliche Höhe aufweist, u. a. mit dem Ortsbild der Gemeinde städtebauliche Belange, die im Hinblick auf § 1 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 5 BauGB auch eine städtebauliche Betrachtung und Ordnung verlangen,

vgl. hierzu: Hess. VGH, Beschluß vom 29.7.1999 a.a.O.; sowie BVerwG, Urteil vom 3.12.1992 – 4 C 27.91 –, BRS 54 Nr. 126 zur städtebaulichen Relevanz von Werbeanlagen für Fremdwerbung.

Aus dem bloßen Fehlen der hier erforderlichen Baugenehmigung können die Antragsteller noch kein nachbarliches Abwehrrecht herleiten, denn einen solchen Anspruch vermögen nur nachbarschützende Vorschriften des materiellen Baurechts zu begründen,

vgl. OVG NW, Beschluß vom 12.11.1992 – 7 B 4432/92 –.

Das nachbarliche Abwehrrecht der Antragsteller folgt hier aus dem Bauplanungsrecht, denn die Errichtung und Nutzung der gewerblichen Mobilfunkanlage verstößt gegen die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. … – Teilabschnitt C – der Gemeinde … vom 21.1.1974, der auch für das Grundstück … reines Wohngebiet ausweist. Die Festsetzung des Baugebietes durch den Bebauungsplan hat kraft Bundesrecht grundsätzlich nachbarschützende Funktion und der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Schutzanspruch, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht,

vgl. BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 – 4 C 28.91 –, BRS 55 Nr. 110 und Beschluß vom 20.8.1998 – 4 B 79.98 –, BRS 60 Nr. 176; OVG NW, Beschluß vom 10.2.1998 – 10 B 2883/97 –.

Mit dem in § 3 BauNVO für ein reines Wohngebiet vorgegebenen Nutzungskatalog ist die gewerblich genutzte Mobilfunkanlage nicht vereinbar, weil sie keine Wohnnutzung darstellt. Sie kann als gewerbliche Nutzung auch nicht ausnahmsweise nach § 3 Abs. 3 BauNVO zugelassen werden, weil sie nicht zu den gewerblichen Vorhaben im Sinne des § 3 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO gehört.

Die Mobilfunkanlage ist in dem hier ausgewiesenen reinen Wohngebiet auch nicht nach § 14 BauNVO zulässig. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO, wonach fernmeldetechnische...

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