1 Leitsatz
Die Aussetzung eines Beschlusses über eine Verwalterbestellung im Wege einer einstweiligen Verfügung kann zur Folge haben, dass ein früherer Beschluss seine Wirksamkeit wieder entfaltet.
2 Normenkette
§ 26 Abs. 1 WEG; §§ 935 ff. ZPO
3 Das Problem
AG und LG erklären einen Beschluss vom 7.12.2019, mit dem V bis zum 31.12.2022 zum Verwalter bestellt worden war, für ungültig. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer führt gegen die LG-Entscheidung die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Außerdem wird V am 10.7.2021 erneut – jetzt bis zum 31.7.2022 – zum Verwalter bestellt. Wohnungseigentümer K beantragt im Wege einer einstweiligen Verfügung, diesen Beschluss einstweilig auszusetzen. Das AG weist den Antrag ab. Dagegen wendet sich K im Wege der sofortigen Beschwerde.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! K könne sein Rechtsschutzziel mit dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht erreichen. Selbst im Fall einer einstweiligen Aussetzung würde V im Amt bleiben, da der Beschluss vom 7.12.2019 noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei und daher noch Bestand habe (§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG).
Bei der gebotenen objektiv-normativen Auslegung des Beschlusses vom 10.7.2021 handele es sich um einen Zweitbeschluss, mit dem der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch bestehende Beschluss über die Verwalterbestellung abgeändert worden sei. Zu so einem Beschluss seien die Wohnungseigentümer berechtigt. Eine Beschlusskompetenz bestehe. Auf diesem Weg dürfe jederzeit eine erneute Verwalterbestellung erfolgen, wenn die Bestellungszeit die Höchstdauer des § 26 WEG nicht übersteige (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 23.2.1995, III ZR 65/94). Im Fall hätten die Wohnungseigentümer die Amtszeit des V verkürzt: V habe statt bis zum 31.12.2022 nur noch bis zum 31.7.2022 amtieren sollen. Daraus ergebe sich, dass die Wohnungseigentümer den Beschluss vom 7.12.2019 modifizieren wollten. Gegenstand des Beschlusses vom 10.7.2021 sei aber auch die Aufhebung des Beschlusses vom 7.12.2019 gewesen. Demzufolge hätte die mit der einstweiligen Verfügung begehrte Aussetzung des Beschlusses vom 10.7.2021 zur Folge, dass der Beschluss vom 7.12.2019 wieder wirksam werden würde. Eine Möglichkeit, den Beschluss vom 10.7.2021 nur teilweise auszusetzen (in Bezug auf die Verwalterbestellung), ihn im Übrigen (in Bezug auf die Aufhebung des Erstbeschlusses) aber bestehen zu lassen, bestehe nicht, denn es handele sich um inhaltlich nicht trennbare Teile eines Beschlusses.
Der denkbare Rechtsschutz des K laufe dadurch nicht leer. Zwar sei es bei der von K vorgetragenen jeweiligen Bestellung im Jahresrhythmus – jedenfalls wenn es sich jeweils um Zweitbeschlüsse handele und der Verwalter nicht vor der erneuten Bestellung sein Amt niederlege – kaum möglich, durch eine Aussetzung des Bestellungsbeschlusses zu erreichen, dass der Verwalter sein Amt nicht ausübe. Wenn der Gemeinschaft die Amtsführung allerdings nicht zuzumuten sei, bestehe ein davon unabhängiger Anspruch auf Abberufung, der im Extremfall auch durch eine einstweilige Verfügung flankiert werden könne.
5 Hinweis
Problemüberblick
Fassen die Wohnungseigentümer einen nicht nichtigen Beschluss, bindet dieser aufgrund seiner Rechtsnatur nach den allgemeinen Grundsätzen sofort den Verwalter und sämtliche an- und abwesenden Wohnungseigentümer. Um diese Bindung zu bekämpfen, muss ein Wohnungseigentümer eine Anfechtungsklage mit dem Ziel erheben, den Beschluss für ungültig erklären zu lassen.
Die Entscheidung über diese Klage kann sich hinziehen. Um die Bindung bis zur Rechtskraft einer Entscheidung auszusetzen, kann ein Wohnungseigentümer den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel stellen, die Bindung des in der Hauptsache angegriffenen Beschlusses bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Um eine solchen Antrag handelt es sich im Fall: Wohnungseigentümer K will mit dem Antrag erreichen, dass V jedenfalls nicht aufgrund des Beschlusses vom 10.7.2021 zum Verwalter bestellt ist. Sollte dieser Antrag Erfolg haben, fragt sich, was dann gilt.
Aussetzung der Wirkungen des Beschlusses vom 10.7.2021
Das LG meint, V sei auch dann zum Verwalter bestellt, wenn man den Beschluss vom 10.7.2021 aussetzen würde. Und das stimmt, wenn der Beschluss vom 7.12.2019 wieder aufleben würde. Denn in diesem Fall wäre V immer noch aufgrund des Beschlusses vom 7.12.2019 zum Verwalter bestellt. Diesen Beschluss hatten die Gerichte zwar für ungültig erklärt. Ihre Entscheidung ist aber wegen der Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht rechtskräftig.
Das LG geht allerdings einen anderen Weg. Es meint, der Beschluss vom 10.7.2021 habe den Beschluss vom 7.12.2019 aufheben wollen. Wenn man es so sieht, muss man tatsächlich fragen, was gelten soll, wenn der Beschluss vom 10.7.2021 bloß ausgesetzt wird. Warum in diesem Fall der Beschluss vom 7.12.2019 wieder aufleben soll, erschließt sich nicht sofort.
Abberufung eines Verwalters
Am Ende seiner Entscheidung meint das LG, man könne einen Verwalter im Wege der einstweiligen Verfügung abberufen...