Leitsatz (amtlich)

1. Fehlende Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses bei offensichtlichem Irrtum über die Zuordnung des für maßgeblich gehaltenen Ortes zum Bezirk des Gerichts, an das verwiesen wird.

2. Erfüllungsort bei Bauverträgen (hier: Malerarbeiten).

 

Normenkette

ZPO § 629 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 4 n.F.

 

Verfahrensgang

AG Kempten (Aktenzeichen 2 C 1478/01)

AG Hof (Aktenzeichen 14 C 119/01)

 

Tenor

Zuständig ist das AG Hof.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Inhaber eines Malerbetriebes. Die Beklagten sind Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte, vertreten durch den Verwalter, mit den Malerarbeiten zur Fertigstellung der Wohnanlage in H./S. den Kläger beauftragt. Dieser verlangt mit der Klage von den Beklagten aufgrund der teils schriftlich, teils mündlich im Jahre 1999 geschlossenen Werkverträge die Bezahlung eines Teils des Werklohns i.H.v. 561,35 DM. Er hat, gestützt auf § 29 Abs. 1 ZPO, die Klage beim AG Hof erhoben, da sich die Wohnanlage, an deren Erstellung er mitwirkte, im Bezirk dieses Gerichts befindet. Die Beklagten haben die Zuständigkeit des AG Hof gerügt, weil in den schriftlichen Bauverträgen mit dem Kläger als Gerichtsstand das LG Kempten vereinbart worden sei. Der Kläger hält diese Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam, da die Parteien nicht Kaufleute seien. Hilfsweise hat er „die Verweisung des Rechtsstreits an das für den Wohnsitz der Beklagten zuständige AG” beantragt.

Das AG Hof hat sich mit verkündetem Beschluss vom 29.10.2001 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit „an das örtlich zuständige AG Kempten” verwiesen. Zur Begründung dieses Beschlusses hat es ausgeführt, es sei nicht nach § 29 Abs. 1 ZPO zuständig, weil diese Vorschrift nur eingreife, „wenn es sich um Ansprüche aus einer der Errichtung eines Bauwerks vergleichbaren Werkleistung” handle; hiervon könne „bei Malerarbeiten nicht die Rede sein”. Nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des § 13 ZPO sei der Wohnsitz der Beklagten maßgebend. Die Beklagten hätten ihren Wohnsitz im Amtsgerichtsbezirk Kempten. Daher sei das AG Kempten zuständig.

Das AG Kempten (Allgäu) hat sich mit – den Parteien mitgeteiltem – Beschluss vom 30.11.2001 für örtlich unzuständig erklärt und die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt, und zwar gemäß seinem Beschluss vom 2.1.2002 dem BayObLG. Es hält den Verweisungsbeschluss des AG Hof für nicht bindend. Ihm fehle insofern jede gesetzliche Grundlage, als nicht ersichtlich sei, weshalb bei der zur Begründung herangezogenen Wohnsitzzuständigkeit das AG Kempten (Allgäu) zuständig sein solle, während die Beklagten in Freilassing wohnten, wo die Klage auch zugestellt worden sei.

II. Zu bestimmen war das AG Hof. Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dafür maßgebenden Voraussetzungen liegen vor.

1. Das BayObLG ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht für die Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits der beiden verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken angehörenden AG zuständig. Beide AG haben sich durch den Parteien mitgeteilte Beschlüsse rechtskräftig für unzuständig erklärt i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.

Der Umstand, dass nicht nur eines der beiden Gerichte, die sich für unzuständig erklärt haben, sondern – nach der vom AG Hof vertretenen Meinung – ein drittes Gericht zuständig sein könnte, nämlich das für den Wohnsitz der Beklagten (§ 13 ZPO) tatsächlich zuständige AG Laufen, steht der Zulässigkeit des Bestimmungsverfahrens hier nicht entgegen, da es ohne weitere Ermittlungen aufgrund des hilfsweise gestellten Verweisungsantrags des Klägers bestimmt werden könnte, wenn es tatsächlich zuständig wäre (vgl. BGHZ 71, 69 [74 f.] = MDR 1978, 650; NJW 1995, 534).

2. Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist das AG Hof zuständig. Es hat seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint. Seinem Verweisungsbeschluss an das AG Kempten (Allgäu) fehlt die Bindungswirkung.

a) Nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO n.F. ist ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 36 Rz. 28). Eine Bindung tritt aber ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint (BGHZ 71, 69 [72] = MDR 1978, 650; BGH v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338 [341] = MDR 1988, 470; BAG v. 11.11.1996 – 5 AS 12/96, NJW 1997, 1091; BayObLG BayObLGZ 1986, 285 [287]; v. 16.7.1991 – AR 1 Z 57/91, BayObLGZ 1991, 280 [281 f.]; Zöller/Greger, ZPO, § 281 Rz. 17).

Eine ausnahmsweise fehlende Bindung an den Verweisungsbeschluss kann allerdings nicht schon damit begründet werden, dass die Verweisung verfahrenswidrig ohne entsprechenden Antrag des Klägers beschlossen worden ist. Dessen hilfsweise gestellter Verweisungsantrag war auf die Verweisung an das für die Beklagten zuständige Wohnsitzgericht gerichtet; als Wohnsitzgerich...

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