Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich. Rechtsbeschwerde. Rechtskraft. Nichtzulassung. Rechtsmittelfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung eines OLG zum Versorgungsausgleich wird, auch wenn sie die Rechtsbeschwerde nicht zulässt, erst dann rechtskräftig, wenn die Rechtsbeschwerdefrist abgelaufen und binnen dieser Frist kein Rechtsmittel eingegangen ist (Festhaltung am BGH, Urt. v. 15.11.1989 - IVb ZR 3/89, FamRZ 1990, 283, 286 f.).

 

Normenkette

ZPO §§ 543-544, 621 Abs. 1 Nr. 6, § 621e Abs. 2; EGZPO § 26 Nr. 9

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 18.01.2007; Aktenzeichen 8 UF 86/06)

AG Norderstedt (Entscheidung vom 29.03.2006; Aktenzeichen 52 F 154/05)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des OLG Schleswig in Schleswig vom 18.1.2007 aufgehoben.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des OLG wird angewiesen festzustellen, dass der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des OLG Schleswig in Schleswig vom 30.8.2006 seit dem 10.10.2006 rechtskräftig ist.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

[1] Das OLG hat mit Beschluss vom 30.8.2006 eine Entscheidung des AG - Familiengericht - zum Versorgungsausgleich abgeändert und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Ausfertigungen der abändernden Entscheidung sind durch Verfügung vom 5.9.2006 den Beteiligten am 5., 6., 7. und 8.9.2006 zugestellt worden; eine Rechtsmittelschrift ist nicht eingegangen. Im Rechtskraftvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des OLG wird festgestellt, dass der Beschluss des OLG seit dem 5.9.2006 rechtskräftig sei.

[2] Gegen diese Feststellung hat sich die Deutsche Rentenversicherung Bund mit der Erinnerung gewandt und beantragt, als Rechtskrafttermin den auf den Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist folgenden Tag festzustellen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das OLG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

[3] Das Rechtsmittel ist begründet.

[4] 1. Das OLG ist der Auffassung, dass seine Entscheidung (vom 30.8.2006) zum Versorgungsausgleich bereits mit der Absendung dieser Entscheidung an die Beteiligten am 5.9.2006 rechtskräftig geworden sei. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung sei nicht statthaft, da die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung nicht zugelassen worden sei und die Nichtzulassung nach § 26 Nr. 9 EGZPO generell unanfechtbar sei. Soweit der BGH die Auffassung vertreten habe, ein Rechtsmittel in Ehesachen sei nicht grundsätzlich unstatthaft, weil das Gesetz für den Fall der Nichtzulassung von Revision oder (damals:) weiterer Beschwerde keine Regelung enthalte und deshalb in Zweifelsfällen eine Entscheidung des Revisionsgerichts bzw. des Gerichts der weiteren Beschwerde erforderlich sei, habe sich die Rechtslage zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber habe in diesem Zweifelspunkt Abhilfe geschaffen, indem er in den §§ 543, 544 ZPO nunmehr die Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich geregelt und in § 26 Nr. 9 EGZPO bestimmt habe, dass diese Vorschriften in Familiensachen keine Anwendung finden, soweit die anzufechtende Entscheidung vor dem 1.1.2010 verkündet oder einem Beteiligten zugestellt oder sonst bekannt gemacht worden sei. Daraus ergebe sich zwingend, dass mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel unstatthaft gewesen wäre mit der Folge, dass im vorliegenden Fall die Rechtskraft mit dem Tag des Existentwerdens des Beschlusses des OLG (vom 30.8.2006), also der Absendung an die Beteiligten (am 5.9.2006), eingetreten sei.

[5] 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[6] Eine gerichtliche Entscheidung wird nur dann mit ihrer Verkündung bzw. mit ihrer Zustellung oder sonstigen Bekanntgabe an die Beteiligten rechtskräftig, wenn ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung schon an sich nicht statthaft ist. Unter einem an sich statthaften Rechtsmittel ist, wie der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (BGHZ 88, 353, 357 = FamRZ 1984, 975, 976) entschieden hat, ein solches zu verstehen, das ohne Rücksicht auf besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben ist. Unstatthaftigkeit eines Rechtsmittels bedeutet, wie der Senat dargelegt hat (BGH, Urt. v. 15.11.1989 - IVb ZR 3/89, FamRZ 1990, 283, 286 f.), dementsprechend die generelle Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung kraft Gesetzes, ohne dass es noch eines richterlichen Rechtsfindungsaktes bedürfe, sei es durch das Erstgericht, sei es durch das Rechtsmittelgericht. An einer solchen generellen Unanfechtbarkeit fehlt es, wenn sich - wie im vorliegenden Fall der Beschluss des OLG zum Versorgungsausgleich - die Unanfechtbarkeit der Entscheidung nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern erst aus dem weiteren Umstand ergibt, dass das Erstgericht das Rechtsmittel nicht zugelassen hat; denn auch die Zulassung oder Nichtzulassung ist ein Akt richterlicher Rechtsfindung. Der Umstand, dass der durch das Zivilprozessreformgesetz eingefügte § 26 Nr. 9 EGZPO die Nichtzulassung eines Rechtsmittels in Familiensachen der Nachprüfung entzieht, ändert deshalb nichts daran, dass das Gesetz eine Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des OLG in Familiensachen vorsieht, auch wenn es deren Statthaftigkeit von der weiteren Voraussetzung einer Zulassung durch das OLG abhängig macht. Auch unter der Geltung des Zivilprozessreformgesetzes tritt die Rechtskraft einer solchen Entscheidung, auch wenn sie die Rechtsbeschwerde nicht zulässt, folglich nicht schon mit ihrer Verkündung, Zustellung oder sonstigen Bekanntgabe, sondern grundsätzlich erst dann ein, wenn die Rechtsbeschwerdefrist abgelaufen und binnen dieser Frist keine Rechtsmittelschrift eingegangen ist.

[7] Für diese Auffassung spricht nicht nur - wie dargestellt - der Zusammenhang des Rechtsmittelrechts, sondern auch ein praktisches Bedürfnis. So kann insb. zweifelhaft sein, inwieweit ein Rechtsmittel wirksam zugelassen worden ist. In einem solchen Fall muss das Rechtsmittelgericht zunächst über die Reichweite der Zulassung oder Nichtzulassung entscheiden. Vor einer solchen Entscheidung steht letztlich nicht verbindlich fest, inwieweit die angefochtene Entscheidung - mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde - einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen und insoweit rechtskräftig ist. Dies schließt es aber aus, in Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde - unbeschadet einer möglicherweise nur begrenzten Zulassung - unbeschränkt eingelegt worden ist, die Rechtkraft der Entscheidung - ganz oder hinsichtlich des von der Zulassung nicht erfassten Teils - als bereits mit der Verkündung, Zustellung oder Bekanntgabe eingetreten anzusehen. Auch allgemein muss es deshalb bei dem Grundsatz verbleiben, dass die Entscheidung eines OLG in Familiensachen, welche ein Rechtsmittel nicht zulässt, erst dann rechtskräftig wird, wenn die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist und ein unbeschränktes Rechtsmittel nicht innerhalb dieser Frist eingelegt ist.

[8] 3. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Die Rechtskraft des Beschlusses des OLG (vom 30.8.2006) zum Versorgungsausgleich ist erst eingetreten, als die einmonatige, am 8.9.2006 (letzte Zustellung) beginnende Rechtsbeschwerdefrist mit dem 9.10.2006 (Montag) abgelaufen war. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des OLG war deshalb anzuweisen, in seinem Rechtskraftvermerk festzustellen, dass der Beschluss des OLG vom 30.8.2006 seit dem 10.10.2006 rechtskräftig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2052097

BGHZ 2009, 47

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