Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten. Nichtberücksichtigung von Teilzeitbeschäftigungen bei der Beitragsbemessung. „Eckmann Beitrag”. Inhaltskontrolle

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beitragsgestaltung der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten hält trotz Nichtberücksichtigung von Teilzeitarbeit einer Inhaltskontrolle stand.

 

Normenkette

GG § 3 Abs. 1, 3 S. 1; AGBG § 9

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.10.2002)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 10.10.2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Beamtin der ehemaligen Deutschen Bundesbahn und Mitglied der beklagten Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Auf Grund ihrer Satzung erfüllt die Beklagte (nach Maßgabe ihres Tarifs) die Fürsorgepflicht in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen, die dem durch Art. 1 § 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG) v. 27.12.1993 (BGBl. I, 2378) gebildeten Bundeseisenbahnvermögen obliegt. Mit Hilfe des zusätzlichen Beitragsaufkommens der Mitglieder ist die Beklagte in der Lage, deren Aufwendungen fast vollständig (bis zu 90 %) zu erstatten. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten wird nur auf Antrag erworben; Mitglieder können auch wieder austreten. Von den Bezügen der Klägerin wurden zu Gunsten der Beklagten gemäß deren Satzung monatliche Beiträge i. H. v. 192,80 DM einbehalten. Für die Beitragshöhe von Bedeutung ist die Besoldungs- oder Vergütungsgruppe sowie die Frage, ob Angehörige mitversichert sind. Ob das beitragspflichtige Mitglied voll arbeitet oder teilzeitbeschäftigt ist, spielt dagegen keine Rolle. Die Klägerin gehört der Besoldungsgruppe A 10 an, für die die wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden beträgt. Sie leistet Teilzeitarbeit i. H. v. 15 Wochenstunden. Mit ihrer Klage erstrebt sie deshalb eine Herabsetzung ihres Monatsbeitrags auf 75,20 DM.

Das LG hat der Klage stattgegeben, so weit Rückzahlung zu viel geleisteter Beiträge in der Zeit von August 1999 bis Oktober 2000i. H. v. insgesamt 1.736,60 DM verlangt wird. Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Die Vorinstanzen gehen zutreffend von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Parteien aus, für das der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist (BGH, Urt. v. 5.2.1981 - IVa ZR 50/80, MDR 1981, 477 = NJW 1981, 2005 unter I; BVerwG, Beschl. v. 21.6.1996; Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 11). Die Regelungen der Satzung der Beklagten sind mithin als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen (vgl. BGH v. 23.6.1999 - IV ZR 136/98, BGHZ 142, 103 [106] = MDR 1999, 1324). Sie unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG/§ 307 BGB. Weil die Beklagte eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, erstreckt sich diese Kontrolle auch auf die Verletzung von Grundrechten; die Satzung darf überdies nicht gegen § 242 BGB verstoßen (vgl. BGH v. 16.3.1988 - IVa ZR 154/87, BGHZ 103, 370 [383] = MDR 1988, 761; Urt. v. 30.9.1998 - IV ZR 262/97, MDR 1999, 95 = VersR 1999, 210 unter 3).

2. Anders als das LG hält das Berufungsgericht die angegriffene Nichtberücksichtigung von Teilzeitbeschäftigungen bei der Beitragsbemessung nicht für rechtswidrig und sieht insbesondere Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nicht verletzt. Ob die überwiegende Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten unter den Mitgliedern der Beklagten Frauen sind, stehe nicht fest. Es gehe hier aber nicht um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, sondern um die Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten (Frauen oder Männern) und Vollzeitbeschäftigten. Insoweit sei hervorzuheben, dass die Beklagte auf Grund der Zuschüsse des Bundeseisenbahnvermögens i. H. v. unstreitig ca. 75 % ihres Budgets nur die restlichen ca. 25 % durch Beiträge der Mitglieder decke. Diesen kämen daher erhebliche höhere Versicherungsleistungen zugute, als allein nach ihren Beiträgen zu erwarten wäre. Bei dieser Sachlage sei die von der Klägerin geltend gemachte Benachteiligung geringfügig. Sie sei im Hinblick auf die vom Satzungsgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit vorgenommene Typisierung der Beitragsbemessung nach Besoldungsgruppen hinzunehmen. Wenn man die Beitragshöhe unmittelbar an die Einkommenshöhe koppele, wie es die Klägerin verlange, müsse nicht nur bei Teilzeitbeschäftigten nach der individuell geleisteten Arbeitszeit differenziert, sondern z. B. auch berücksichtigt werden, dass Pensionäre nur reduzierte Bezüge erhalten. Gegen die Klägerin spreche darüber hinaus, dass sie als Teilzeitbeschäftigte von der Beklagten die gleichen Fürsorgeleistungen erhalte wie vollzeitbeschäftigte Mitglieder. Die in der Satzung vorgesehenen Maßstäbe der Beitragsbemessung seien im Übrigen durch Art. 1 § 14 Abs. 2 ENeuOG vom Gesetzgeber vorgegeben.

3. Diesen Erwägungen ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Die angegriffene Regelung ist wirksam.

a) Kraft seiner durch Art. 33 Abs. 5 GG begründeten Fürsorgepflicht muss der Dienstherr zwar Vorkehrungen dafür treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei besonderen finanziellen Belastungen durch Krankheits-, Geburts- und Todesfälle nicht gefährdet wird; in welcher Weise er dies tut, bleibt von Verfassungs wegen aber seiner Entscheidung überlassen (BVerfG v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88, BVerfGE 83, 89 [100]). Bei der Deutschen Bundesbahn wurde diese Fürsorgepflicht ursprünglich nicht mit Hilfe der Beihilfevorschriften des Bundes erfüllt (BhV, zuletzt i. d. F. v. 10.7.1995 GMBl., 470), sondern im Wesentlichen dadurch, dass den Beamten die Möglichkeit eröffnet wurde, Mitglied der überwiegend vom Dienstherrn finanzierten Beklagten zu werden. Auch die Beihilfe ist ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt; sie deckt regelmäßig nur einen bestimmten Vomhundertsatz der aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstehenden Aufwendungen des Beamten ab; dieser hat aus eigenen Mitteln für die Begleichung des übrigen Teils der Aufwendungen selbst Vorsorge zu treffen (BVerfG v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88, BVerfGE 83, 89 [100] f.). Demgegenüber erhebt die Beklagte von ihren Mitgliedern Beiträge; darin liegt deren Eigenanteil an der Risikovorsorge.

b) Im Hinblick auf Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung hat das BVerfG ausgeführt, dass nach den Grundsätzen des Versicherungsrechts Versicherungsleistungen und Versicherungsbeiträge aufeinander bezogen sein, m.a.W. in einem "Gegenleistungsverhältnis" stehen müssten, so weit das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit keine Abweichungen erfordere. Es entspreche dem Gedanken der Solidarität, dass die besser verdienenden Versicherten durch höhere Beiträge für den Versicherungsschutz der weniger gut verdienenden mit aufkommen. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG sei deshalb nicht zu beanstanden, dass Versicherte nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen herangezogen werden (BVerfG v. 6.12.1988 - 2 BvL 18/84, BVerfGE 79, 223 [236 f.]).

c) Auch die Beitragsregelung der Beklagten führt im Interesse der sozialen Gerechtigkeit zu einer gewissen Entlastung der Empfänger geringerer Bezüge. Als Maßstab dafür stellt sie jedoch nicht auf die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitglieds ab. Deren Ermittlung hätte nicht nur die Berücksichtigung der tatsächlich ausgezahlten Nettobezüge erfordert, sondern z. B. auch eventueller Nebeneinkünfte einschließlich Kapitalerträge sowie bestehender Unterhaltspflichten oder außergewöhnlicher Belastungen. Statt dessen geht die Beitragstafel der Beklagten von einem "Eckmann Beitrag" aus, der ab 1.1.2003 für Mitglieder ohne mitversicherte Angehörige 4,5 % eines (näher bestimmten) Gehalts der Besoldungsgruppe A 7 beträgt. Der so ermittelte Beitrag wird anschließend je nach der Besoldungs- oder Vergütungsgruppe, der das Mitglied angehört, mit einem Prozentsatz multipliziert, um den letzten Endes zu zahlenden Beitrag zu errechnen. Dieser Prozentsatz reicht von 70 % für die Besoldungsgruppe A 1 bis zu 168,63 % etwa für die Besoldungsgruppen B und C 4. Die Beklagte orientiert sich damit an ohne großen Aufwand zuverlässig feststellbaren und für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Allgemeinen wesentlichen Kriterien. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass ein schlechter Verdienender etwa bei Teilzeitbeschäftigung in einer verhältnismäßig hohen Besoldungsgruppe im Einzelfall höhere Beiträge zahlen muss als ein besser Verdienender einer niedrigeren Besoldungsgruppe. Ob solche Fälle so seltene Ausnahmen sind, dass sie wegen der Notwendigkeit generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen hingenommen werden müssten, scheint gerade im Hinblick auf Teilzeitbeschäftigung zweifelhaft (vgl. zu den Grenzen einer zulässigen Typisierung BVerfG v. 30.5.1990 - 1 BvL 2/83, 1 BvL 9/84, 1 BvL 10/84, 1 BvL 3/85, 1 BvL 11/89, 1 BvL 12/89, 1 BvL 13/89, 1 BvL 4/90, 1 BvR 764/86, BVerfGE 82, 126 [151 f.] = MDR 1990, 976).

d) Gleichwohl hält der Senat die Beitragsgestaltung der Beklagten trotz Nichtberücksichtigung einer Teilzeitbeschäftigung nicht für sachwidrig (Art. 3 Abs. 1 GG), unangemessen (§ 9 AGBG, § 307 BGB) oder treuwidrig (§ 242 BGB).

aa) Anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Leistungen der Beklagten weit überwiegend - nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hier zu ca. 75 % - durch Zuschüsse des Dienstherrn finanziert. Das Aufbringen der restlichen Finanzierung durch Beiträge der Mitglieder fällt mithin für diese nicht so ins Gewicht wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Die vom Dienstherrn pauschal gewährten Zuschüsse kommen allen Mitgliedern der Beklagten in gleicher Weise zu Gute, und zwar - worauf das Berufungsgericht mit Recht hinweist - auch den Teilzeitbeschäftigen ungeachtet der Tatsache, dass sie dem Dienstherrn weniger Arbeit leisten als die Vollzeitbeschäftigten. Für die Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen spielt weder die Besoldungsgruppe noch das Maß der geleisteten Arbeit eine Rolle. Dementsprechend gewährt die Beklagte allen Mitgliedern die gleichen Leistungen.

bb) Vor diesem Hintergrund könnte die Beklagte einkommensunabhängig von allen Mitgliedern gleiche Beiträge erheben. Das würde dem Gegenleistungsverhältnis von Versicherungsleistung und Versicherungsbeiträgen entsprechen. Ähnlich müssen sich Beihilfeempfänger für die von der Beihilfe nicht gedeckten Aufwendungen privat versichern und dafür einkommensunabhängig Versicherungsbeiträge zahlen. Die Beklagte hat jedoch die Beitragslast im Interesse der sozialen Gerechtigkeit zu Gunsten der niedrigen Besoldungs- und Vergütungsgruppen abgestuft. Dass den Mitgliedern höherer Besoldungsgruppen dadurch etwa bei Teilzeitarbeit Beiträge zugemutet würden, deren Höhe in Widerspruch zur Fürsorgepflicht oder sonst außer Verhältnis zu den von der Beklagten gewährten Gegenleistungen stünden, hat die Klägerin nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr ist anerkannt, dass sich die Mitglieder der Beklagten im Hinblick auf die beträchtliche Höhe der Zuschüsse des Dienstherrn im Allgemeinen nicht schlechter stehen als Beihilfeempfänger (BVerwG ZBR 1972, 24; OVG Koblenz v. 4.5.1988 - 2 A 77/87, ZBR 1989, 119).

cc) Aus diesen Gründen greift auch die Rüge der Revision nicht durch, die Nichtberücksichtigung von Teilzeitarbeit bei der Beitragsbemessung diskriminiere Frauen und verstoße daher insbesondere gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Zwar kann eine unzulässige Anknüpfung an das Geschlecht auch dann vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung nicht ausschließlich, aber überwiegend Frauen trifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist (BVerfG v. 27.11.1997 - 1-BvL 12/91, BVerfGE 97, 35 [43]; v. 16.6.1981 - 1 BvL 129/78, BVerfGE 57, 335 [343 ff.]). In welchem Umfang die teilzeitbeschäftigten Mitglieder der Beklagten Frauen sind, braucht hier aber nicht aufgeklärt zu werden. Denn selbst wenn es sich überwiegend um Frauen handeln würde, werden sie durch die angegriffene Regelung nicht benachteiligt. Sie zahlen zwar die gleichen Beiträge wie Vollbeschäftigte, erhalten aber von der Beklagten auch die gleichen Leistungen und kommen in gleicher Weise in den Genuss der pauschalierten Zuschüsse des Dienstherrn. Dies gilt, obwohl sie weniger Arbeit für ihn leisten als die Vollzeitbeschäftigten. Im Hinblick darauf sieht der Senat keinen Anlass, die Sache dem EuGH vorzulegen.

dd) Endlich kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Beklagte als betriebliche Sozialeinrichtung der ehemaligen Deutschen Bundesbahn mit In-Kraft-Treten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes geschlossen worden ist und lediglich mit dem Ziel der Abwicklung weitergeführt wird (Art. 1 § 14 Abs. 1 ENeuOG). Das Berufungsgericht hält die von der Klägerin geforderte Anpassung der Beiträge an die Höhe der jeweils ausgezahlten Bezüge zwar sozialpolitisch für wünschenswert. Die Klägerin ist aber nicht genötigt, Mitglied der Beklagten zu bleiben; wenn sie austritt, verliert sie den Anspruch auf die Fürsorge des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten würde sie die Fürsorgeleistungen des Dienstherrn in entsprechender Anwendung der Beihilfevorschriften erhalten. Demgegenüber steht einer Änderung der Beitragstafel der Beklagten, die der Gesetzgeber in Art. 1 § 14 Abs. 2 ENeuOG im Grundsatz bestätigt hat, u. a. entgegen, dass ihre Mitglieder zum weit überwiegenden Teil im Ruhestand leben. Sie könnten Erhöhungen des bisher bezahlten Beitrags, die im Interesse einer Entlastung von Teilzeitbeschäftigten oder zum Zweck einer allgemeinen Angleichung der Beiträge nötig wären, also schwer ausgleichen. Die Fortführung des überkommenen Systems der Beitragsbemessung der Beklagten bis zu ihrer endgültigen Abwicklung erscheint danach unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber zukommenden weiten Gestaltungsspielraums hinnehmbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1050018

BGHR 2003, 1397

NVwZ-RR 2004, 56

DÖD 2004, 87

MDR 2003, 1415

VersR 2003, 1386

AUR 2005, 113

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