Leitsatz (amtlich)

Die Veräußerung eines Grundstücks aus der Bodenreform durch einen Erben nach der Ausstrahlung der Sendung über die Rechtsstellung der Erben dieser Grundstücke im Ersten Deutschen Fernsehen am 29.9.1997 führt grundsätzlich nicht dazu, dass der Erbe gegenüber einem Besserberechtigten frei geworden ist.

 

Normenkette

EGBGB 1986 §§ 233, 11 Abs. 3 S. 1; BGB a.F. § 276 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder)

Brandenburgisches OLG

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Ergänzungsurteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 9.4.2003 insgesamt und das Urteil desselben Senats v. 29.1.2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Frankfurt (Oder) wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren. Eine Erstattung der Kosten der Streithilfe findet nicht statt. Gerichtskosten wegen der Aufhebung des Ergänzungsurteils werden nicht erhoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen eines Grundstücks aus der Bodenreform.

Bei Ablauf des 15.3.1990 war W. B. als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. In Abt. II des Grundbuchs war vermerkt, dass das Grundstück weder ganz noch teilweise veräußert, verpachtet oder verpfändet werden dürfe. W. B. verstarb am 4.2.1981. Die Beklagten zu 4 und 5 und Wo. B. wurden seine Erben bzw. Erbeserben.

Über die Rechtslage der Erben von Grundstücken aus der Bodenreform wurde im Dezember 1992 im "Spree-Journal" berichtet. Die "FAZ" veröffentlichte am 8.12.1997 zwei Art. zu diesem Thema. Das Erste Deutsche Fernsehen strahlte am 29.9.1997 eine Sendung hierzu aus.

Wegen ihrer Absicht, das Grundstück zu verkaufen, wandten sich die Beklagten zu 4 und 5 und Wo. B. 1997 an den Streithelfer zu 1, einen Rechtsanwalt. Zur Beurkundung des Kaufvertrags verwies dieser sie an den Streithelfer zu 2. Dieser teilte ihnen mit Schreiben v. 10.8.1998u. a. mit:

"Problematisch erscheint mir die Eintragung in Abteilung 2 des Grundbuchs. Nach dem mir vorliegenden Grundbuchauszug vom Juni 1996 liegt eine Veräußerungsbeschränkung nach Maßgabe einer Verordnung vom 06.09.1945 vor. Möglicherweise hat dies nur noch historische Bedeutung. Allerdings können wir uns über diese offenbar nicht gelöschte Eintragung im Grundbuch nicht ohne weiteres hinwegsetzen. Ich werde mich um diese Angelegenheit kümmern".

Mit von dem Streithelfer zu 2) am 12.10.1998 beurkundetem Kaufvertrag verkauften die Beklagten zu 4) und 5) und Wo. B. das Grundstück für 159.000 DM an P. J. und ließen es ihm auf. Am 26.10.1998 verstarb Wo. B. . Er wurde von den Beklagten zu 1) bis 3) beerbt. Am 9.12.1998 wurde die Eintragung in Abt. II des Grundbuchs gelöscht und eine Vormerkung für P. J. eingetragen. Er zahlte den Kaufpreis auf ein von dem Streithelfer zu 2) eingerichtetes Anderkonto. Dieser kehrte den Zahlungsbetrag zu je einem Drittel an die Beklagten zu 4) und 5) und zu insgesamt einem weiteren Drittel an die Beklagten zu 1) bis 3) aus.

Mit der Behauptung, das Grundstück sei ihm zu übertragen gewesen, verlangt das klagende Land (Kläger) die Erstattung des Kaufpreises. Die Beklagten machen geltend, erst nachdem sie den jeweils erhaltenen Anteil an dem Kaufpreis ausgegeben gehabt hätten, hätten sie erfahren, dass für die Grundstücke aus der Bodenreform besondere Regelungen bestehen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zu 4) und 5) zur Zahlung von jeweils 53.000 DM und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer 53.000 DM jeweils zzgl. Zinsen zu verurteilen. Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat der Berufung der Beklagten zu 4) und 5) in vollem Umfang und der Berufung der Beklagten zu 1) und 3) teilweise stattgegeben und durch Ergänzungsurteil dem Kläger die Kosten der Streithilfe auferlegt. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, mit der Revision gegen das Ergänzungsurteil die Aufhebung seiner Verpflichtung, die Kosten der Streithilfe zu tragen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht sieht die Klage im Wesentlichen als nicht begründet an. Es meint, es könne dahingestellt bleiben, ob das Grundstück W. B. als Schlag oder als Kleinstfläche zugeteilt und ob es zu Wohnzwecken genutzt worden sei. In jedem Fall seien die Beklagten zu 4) und 5) und Wo. B. zur Auflassung des Grundstücks an den Kläger verpflichtet gewesen. Da die Beklagten dem Kläger das Eigentum an dem Grundstück nicht mehr übertragen könnten, hätten sie ihm gem. Art. 233 § 16 Abs. 2 S. 2 EGBGB den für das Grundstück vereinnahmten Kaufpreis zu erstatten gehabt. Von dieser Verpflichtung seien sie frei geworden, soweit sie den Kaufpreis in Unkenntnis ihrer Herausgabepflicht verschenkt oder für Aufwendungen verbraucht hätten, die sie ohne den Verkauf des Grundstücks nicht gemacht hätten. Ihre Unkenntnis könne ihnen nicht vorgeworfen werden. Auf Grund der Darstellung der Rechtslage der Erben von Bodenreformgrundstücken im "Spree-Journal" und in der "FAZ" sowie der Ausstrahlung des Fernsehmagazins "Fakt" hätten sie zwar die Möglichkeit gehabt, Kenntnis von den Auswirkungen des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes zu erhalten. Im Hinblick auf die von dem Streithelfer zu 2) angekündigte Prüfung der Rechtslage und die anschließend von ihm vorgenommene Beurkundung könne ihnen der Verbrauch des Kaufpreises nicht jedoch vorgeworfen werden, zumal es zur Beurkundung durch den Streithelfer zu 2) nur auf Grund des Verweises durch den Streithelfer zu 1) gekommen sei.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Die Beklagten schulden dem Kläger gem. Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB, §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB a. F. Ersatz, soweit sie den für das Grundstück erhaltenen Kaufpreis nicht herausgeben können, weil sie ihn verschenkt oder verbraucht haben.

1. Bei dem Grundstück handelt es sich um ein Grundstück aus der Bodenreform. Soweit die Beklagten dies im Revisionsverfahren bestreiten, steht der Wirksamkeit ihres Bestreitens die Tatbestandswirkung des Berufungsurteils entgegen (§§ 559 Abs. 1, 314 ZPO). Ein Antrag auf Berichtigung des Tatbestands ist nicht gestellt.

2. a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Kläger als Besserberechtigter gem. Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB die Auflassung des Grundstücks verlangen konnte. Nach der Veräußerung schuldeten die Beklagten zu 4) und 5) und Wo. B. dem Kläger gem. § 281 Abs. 1 BGB a. F. die Abtretung des Anspruchs auf den Kaufpreis. Seit dieser bezahlt und von dem Streithelfer zu 2) an die Beklagten ausgekehrt ist, schulden die Beklagten noch die Erstattung des von ihnen jeweils aus der Zahlung von P. J. erhaltenen Anteils an dem Kaufpreis (BGH, Urt. v. 17.12.1998 - V ZR 341/97, MDR 1999, 473 = WM 1999, 453 [455]). Die Beklagten zu 1) bis 3) sind gem. § 2058 BGB dem Kläger als Gesamtschuldner verpflichtet, soweit ihnen der auf Wo. B. entfallende Kaufpreisanteil zugeflossen ist.

b) Auf den Anspruch aus § 281 Abs. 1a. F. BGB findet im Rahmen der Abwicklung der Bodenreform § 279 BGB a. F. keine Anwendung (BGH v. 17.12.1998 - V ZR 200/97, BGHZ 140, 223 [239] = MDR 1999, 474; Urt. v. 29.11.2002 - V ZR 445/01, MDR 2003, 322 = BGHReport 2003, 342 = VIZ 2002, 302 [303]). Dem Erben eines solchen Grundstücks ist der Einwand, den für das Grundstück erhaltenen Erlös verbraucht zu haben, gegenüber dem Erstattungsanspruch eines Besserberechtigten daher nicht verschlossen. Er ist von seiner Verpflichtung gegenüber dem Besserberechtigten frei, sofern ihm der Verbrauch nicht vorgeworfen werden kann (BGH v. 17.12.1998 - V ZR 200/97, BGHZ 140, 223 [239] = MDR 1999, 474; v. 4.2.2000 - V ZR 260/98, BGHZ 143, 373 [378]). Die Behauptung und der Beweis fehlenden Verschuldens an dem Unvermögen, den Anspruch zu erfüllen, obliegen gem. § 282 BGB a. F. dem Erben des Begünstigten aus der Bodenreform als Schuldner (BGH, Urt. v. 17.12.1998 - V ZR 341/97, MDR 1999, 473 = WM 1999, 453 [456]; Urt. v. 29.11.2002 - V ZR 445/01, MDR 2003, 322 = BGHReport 2003, 342 = VIZ 2002, 302 [303]). Der Vortrag der Beklagten genügt vorliegend nicht den Anforderungen an eine Entlastung.

aa) Dass der Schuldner eine gesetzliche Regelung nicht kennt, auf der der Anspruch des Gläubigers beruht, ist zwar grundsätzlich nicht geeignet, den Schuldner zu entlasten (Staudinger/Löwisch, BGB [2001], § 285 Rz. 26). Bei den durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz im Hinblick auf die Grundstücke aus der Bodenreform begründeten Ansprüchen verhält es sich aber anders. Dass ihnen diese Ansprüche nicht bekannt sind, kann den Erben von Bodenreformgrundstücken nicht ohne weiteres vorgeworfen werden (st. Rspr., BGH, Urt. v. 17.12.1998 - V ZR 341/97, MDR 1999, 473 = WM 1999, 453 [456]; Urt. v. 29.11.2002 - V ZR 445/01, MDR 2003, 322 = BGHReport 2003, 342 = VIZ 2002, 302 [303]).

bb) Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls so lange, wie in der allgemeinen Presse nicht über das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz und seine Auswirkungen berichtet worden ist (BGH, Urt. v. 17.12.1998 - V ZR 341/97, MDR 1999, 473 = WM 1999, 453 [456]). Ob diese Bedingung schon durch den Beitrag zu diesem Thema in der Ausgabe des "Spree-Journals" v. 17.12.1992 erfüllt ist, kann dahingestellt bleiben. Die Unkenntnis der Tatsache, dass das Eigentum an den Grundstücken aus der Bodenreform durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz einem Vorbehalt unterworfen worden ist, kann nämlich seit der Ausstrahlung der Sendung v. 29.9.1997 im Ersten Programm des Fernsehens auf keinen Fall mehr als unverschuldet gewertet werden. Das gilt auch insoweit, als die Frage, ob selbst von dem Wortlaut des Art. 233 § 12 EGBGB nicht erfasste Grundstücke dem Vorbehalt unterliegen, erst durch die Rechtsprechung des Senats klargestellt worden ist (vgl. BGH v. 16.2.1996 - V ZR 208/94, BGHZ 132, 71 ff. = MDR 1996, 606 - Industriegrundstücke, Urt. v. 7.2.1997 - V ZR 107/96, MDR 1997, 540 = WM 1997, 785 f. - Kleinstflächen).

Auch wenn nicht erwartet werden konnte, dass der Erbe die Regelungen von Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB im Einzelnen kannte, so musste er, wenn er nach der Ausstrahlung der Sendung v. 29.9.1997 über das ererbte Grundstück verfügen wollte, im Hinblick auf die Herkunft des Grundstücks aus der Bodenreform die Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Notar in Anspruch nehmen, um den Vorwurf schuldhaften Verhaltens gegenüber einem gem. Art. 233 § 12 EGBGB Besserberechtigten zu vermeiden. Eine spätere Veräußerung wäre allenfalls dann nicht fahrlässig, wenn der Erbe zuvor Rechtsrat eingeholt hätte und in einer über jeden Zweifel erhabenen Weise über die Rechtslage unzutreffend unterrichtet worden wäre.

cc) So liegt der Fall hier nicht. Die Beklagten zu 4) und 5) und Wo. B. haben über das Grundstück am 12.10.1998 verfügt. Sie haben die Beratung durch die Streithelfer nicht wegen der Herkunft des Grundstücks aus der Bodenreform in Anspruch genommen und sind von ihnen auch nicht unzutreffend über die Folgen dieser Tatsache belehrt worden. Die Streithelfer haben vielmehr - vorwerfbar - die Belehrung hierüber unterlassen.

Dass der Streithelfer zu 2) am 12.10.1998 den Kaufvertrag beurkundete, nachdem er zuvor mitgeteilt hatte, sich um die Bedeutung des Vermerks in Abteilung II des Grundbuchs zu kümmern, ändert hieran nichts. Ohne weitere Ausführungen des Streithelfers zu 2) konnten die Beklagten zu 4) und 5) und Wo. B. seinem Verhalten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht entnehmen, dass keine Ansprüche des Klägers wegen des Grundstücks bestünden. Anders könnte der Fall nur dann zu beurteilen sein, wenn der Streithelfer zu 2) bei der Beurkundung die Beklagten zu 4) und 5) und Wo. B. fehlerhaft über die Rechtslage belehrt hätte. Das haben die Beklagten jedoch nicht behauptet. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob ihnen die Pflichtversäumnisse der Streithelfer gegenüber dem Kläger gem. § 278 BGB zuzurechnen sind (vgl. Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl. § 285 Rz. 13; Staudinger/Löwisch, BGB [2001], Rz. 34 einerseits; Erman/Battes, BGB, 10. Aufl. § 285 Rz. 5; Thode in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 285 Rz. 9 andererseits).

III.

Die Revision gegen das Ergänzungsurteil führt ebenfalls zu dessen Aufhebung.

Ein Ergänzungsurteil ist grundsätzlich eine selbständige Entscheidung, gegen die die Revision nur stattfindet, wenn sie zugelassen ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.2000 - VI ZR 2/00, MDR 2000, 1209 = NJW 2000, 3008). Anders verhält es sich jedoch, wenn das Ergänzungsurteil nur die Kostenentscheidung zum Gegenstand hat (Baumbach/Lauterbach//Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 321 Rz. 10; Musielak in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 321 Rz. 14; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., Rz. 21; BGH, Urt. v. 2.7.1984 - VI ZR 16/84, ZIP 1984, 1107 [1113] zu § 546 ZPO a. F.). Hier führt die Revision gegen das Urteil in der Hauptsache auch ohne besondere Zulassung und Revisionseinlegung zur Nachprüfung des Ergänzungsurteils. Die gleichwohl eingelegte Revision unterliegt keinen anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.1984 - VI ZR 16/84, ZIP 1984, 1107 [1113] zu § 546 ZPO a. F.). Sie führt zur Aufhebung des Ergänzungsurteils.

Die Klage hat Erfolg, die Rechtsmittel der Beklagten sind nicht begründet. Eine Belastung des Klägers mit den Kosten der Streithilfe der Beklagten scheidet damit aus (§§ 101 Abs. 1, 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO). Gerichtskosten wegen der Aufhebung des Ergänzungsurteils werden gem. § 8 Abs. 1 GKG nicht erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1070875

BGHR 2004, 246

FamRZ 2004, 192

VIZ 2004, 234

ZfIR 2004, 344

MDR 2004, 144

NJ 2004, 177

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