Verfahrensgang

OLG Hamm (Entscheidung vom 07.07.2021; Aktenzeichen I-31 U 189/20)

LG Münster (Entscheidung vom 08.07.2020; Aktenzeichen 14 O 372/19)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Juli 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: 32.837,51 €

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

Rz. 2

Der Kläger erwarb im Februar 2016 einen Gebrauchtwagen BMW 435d XDrive zum Kaufpreis von 57.700 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 7.500 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 23. Februar 2016 einen Darlehensvertrag über 50.200 €. Das mit einem Sollzinssatz von 2,95% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 47 Monatsraten zu je 542,33 € und einer Schlussrate von 29.427 € zurückgezahlt werden. Neben einer Information über ein Widerrufsrecht und weitere Pflichtangaben enthält der Darlehensvertrag folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr … berechnet."

Rz. 3

Nummer 3.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten enthält eine gleichlautende Regelung nebst der Ergänzung, dass der Basiszinssatz jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres ermittelt und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger bekannt gegeben wird.

Rz. 4

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 28. Januar 2019 verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Darlehensvertrags, bot die Übergabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs an und forderte die Beklagte auf, einen Termin zur Übergabe des Fahrzeugs mitzuteilen.

Rz. 5

Im Februar 2020 löste der Kläger das Darlehen vollständig ab. Mit Kaufvertrag vom 20. Februar 2020 veräußerte er das Fahrzeug an einen in Amsterdam ansässigen Fahrzeughändler zu einem Kaufpreis von 29.579 €. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass der Erwerber nicht bereit sei, das Fahrzeug im Falle einer Rückabwicklung des Darlehensvertrags aufgrund des Widerrufs herauszugeben.

Rz. 6

Mit der Klage hat der Kläger zuletzt die Rückzahlung der von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nebst Anzahlung in Höhe von insgesamt 62.416,51 € abzüglich des bei der Weiterveräußerung vereinnahmten Kaufpreises von 29.579 €, mithin die Zahlung von 32.837,51 €, nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 7

Die Revision ist unbegründet.

I.

Rz. 8

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Rz. 9

Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Im Hinblick auf die erteilte Widerrufsinformation könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB (in der hier maßgeblichen, vom 13. Juni 2014 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung) berufen. Die dem Kläger erteilten weiteren Pflichtangaben unter anderem über den Verzugszins seien ebenfalls nicht zu beanstanden.

II.

Rz. 10

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

Rz. 11

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB (in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.

Rz. 12

Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

III.

Rz. 13

Die Berufungsentscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).

Rz. 14

Der von dem Kläger mit der Revision verfolgte Klageanspruch auf Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nebst Anzahlung aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB und hinsichtlich der nach Erklärung des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ist unbegründet.

Rz. 15

1. Der Beklagten steht - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 23 und vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 14). Weder das eine noch das andere ist der Fall. Das Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten - was der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 (XI ZR 559/20, WM 2022, 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat - auch in Bezug auf die von dem Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erbrachten Zahlungen zu.

Rz. 16

2. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, entfällt das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht dadurch, dass der Kläger das Fahrzeug nach Ausübung des Widerrufsrechts an einen - wie hier weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten - Dritten veräußert hat (Senatsurteil vom 14. Februar 2023 - XI ZR 152/22, WM 2023, 511 Rn. 31 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die Beklagte kann die von dem Kläger begehrte Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung so lange verweigern, bis der Kläger ihr das Fahrzeug herausgibt und rückübereignet. Das dilatorische Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB wird zu einer dauerhaften Einrede, wenn dem Kläger die Rückgewährleistung unmöglich geworden ist (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 32).

Rz. 17

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat vorliegend unbestritten vorgetragen, dass der Käufer des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht bereit sei, das Fahrzeug im Falle einer Rückabwicklung des Darlehensvertrags aufgrund des Widerrufs herauszugeben. Danach steht fest, dass der Kläger die Verfügungsmacht über das Fahrzeug nicht mehr zurückerlangen kann.

Ellenberger     

Grüneberg     

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Derstadt     

Ettl     

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15736965

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