Leitsatz (amtlich)

Zur Feststellung der Unzumutbarkeit einer Auftragsdurchführung wegen eines Kalkulationsirrtums des Bieters bei der Erstellung eines Angebotes und einem in diesem Fall durch die Auftragserteilung begründeten Verstoß des Auftraggebers gegen das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB (hier bejaht bei einer erheblichen Abweichung des Endpreises des Angebots des Bieters von den Endpreisen der übrigen Anbieter um 7,3 % und einer erheblichen Unterschreitung des angesetzten Budgets).

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 13.03.2015; Aktenzeichen 11 O 238/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.3.2015 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 238/14, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen der Nichterfüllung eines Bauvertrages betreffend Zimmerer- und Holzbauarbeiten an der Baumaßnahme "Neubau Zweifeld-Schulsporthalle" des Gymnasiums E. in Anspruch. Die Beklagte, die sich am Vergabeverfahren bezüglich des genannten Gewerkes beteiligt hatte, bemerkte nach Eröffnung der Angebote einen Kalkulationsirrtum ihrerseits bei der Erstellung des Angebotes und wies den Kläger darauf hin. Letztlich wurde ihr gleichwohl vom Kläger der Auftrag erteilt, dessen Durchführung die Beklagte unter gleichzeitiger Anfechtung ihres Angebotes ablehnte. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom geschlossenen Vertrag und beauftragte das im Vergabeverfahren zweitplatzierte Bauunternehmen mit der Durchführung der Arbeiten. Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob Schadensersatzansprüche des Klägers wegen des bereits im Verlaufe des Vergabeverfahrens angezeigten Irrtums der Beklagten ausgeschlossen sind, insbesondere darüber, ob der Kläger der Beklagten den Auftrag unter diesen Voraussetzungen noch zu den angebotenen Konditionen hätte erteilen dürfen. Daneben wendet sich die Beklagte gegen die Höhe des geforderten Schadensersatzes. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit am 13.03.2015 verkündetem Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dem Kläger stünden Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte auf Ersatz der Mehrkosten aufgrund der Nichterfüllung des Vertrages durch die Beklagte und wegen der Beauftragung eines Drittunternehmers nach §§ 5 Nr. 4, 8 Nr. 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 VOB/B nicht zu, da der angebotene Vertragspreis - wie von dem Architekten des Klägers festgestellt - unangemessen niedrig gewesen sei und der Kläger den entsprechenden Irrtum der Beklagten erkannt habe. In diesem Falle habe der Kläger die Beklagte nicht in den Auftrag zwingen dürfen. Dies stehe einem Schadensersatzanspruch entgegen. Insbesondere sei bei einem Fehlbetrag von 75.653,26 EUR netto nicht von einem geringen Kalkulationsirrtum auszugehen, vielmehr habe sich der Kläger durch die Auftragserteilung treuwidrig verhalten. Wegen der weiter gehenden Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13.04.2015 zugestellte Urteil mit am 13.05.2015 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.07.2015 mit an diesem Tage eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisangeboten. Fehlerhaft habe das LG angenommen, es liege ein Fall vor, in dem der Bieter nicht in den Vertrag gezwungen werden dürfe. Dabei sei bereits teilweise nicht nachvollziehbar, auf welche Rechtsprechung sich das LG gestützt habe, da die Zitate unvollständig seien. Auch habe das LG die von ihm zitierte neuere Rechtsprechung nicht berücksichtigt, wonach der Zuschlag auf ein durch einen Kalkulationsirrtum beeinflusstes Angebot erst dann nicht erteilt werden dürfe, wenn dadurch die Pflichten des Auftraggebers aus § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Bieters verletzt würden. Eine solche Situation sei hier nicht gegeben. Das zweitplatzierte Unternehmen habe die Arbeiten für einen Preis als auskömmlich und angemessen angeboten, der den Preis der Beklagten lediglich um 20.804,00 EUR bzw. um 7,3 % überstiegen habe. Das LG habe auch nicht berücksichtigt, dass die Angaben der Beklagten zu einem Fehlbetrag von 75.653,26 EUR netto aufgrund einer falschen Kalkulation bestritten gewesen seien. Nicht zu berücksichtigen se...

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