Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz der finanziellen Interessen der Union. Rückforderung einer Gemeinschaftsbeihilfe. Verwaltungsrechtliche Sanktion. Verwaltungsrechtliche Maßnahme. Verjährungsfrist

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 2988/95 Art. 3

 

Beteiligte

Sodiaal International

Établissement national des produits de l'agriculture et de la mer (FranceAgriMer)

Sodiaal International SA

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Verjährung nicht nur für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten gilt, die zur Verhängung verwaltungsrechtlicher Sanktionen im Sinne von Art. 5 dieser Verordnung führen, sondern auch für Verfolgungsmaßnahmen, die zum Erlass verwaltungsrechtlicher Maßnahmen im Sinne von Art. 4 der Verordnung führen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Frankreich) mit Entscheidung vom 28. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 11. August 2014, in dem Verfahren

Établissement national des produits de l'agriculture et de la mer (FranceAgriMer)

gegen

Sodiaal International SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin, des Richters E. Levits (Berichterstatter) und der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Sodiaal International SA, vertreten durch F. Plottin und J.-C. Cavaillé, avocats,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und S. Ghiandoni als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch I. Chalkias und A. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Établissement national des produits de l'agriculture et de la mer (FranceAgriMer) und der Sodiaal International SA (im Folgenden: Sodiaal International) über eine Gemeinschaftsbeihilfe, die Sodiaal International für die Herstellung von Kaseinaten rechtswidrig erhalten hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der dritte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2988/95 lautet:

„Die Einzelheiten dieser dezentralen Verwaltung und der Kontrollsysteme werden in ausführlichen Vorschriften geregelt, die sich je nach Bereich der Gemeinschaftspolitik unterscheiden. Es ist jedoch wichtig, in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften zu bekämpfen.”

Rz. 4

Art. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 bestimmt:

„(1) Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen.

(2) Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.”

Rz. 5

Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 sieht vor:

„(1) Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Absatz 1. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf.

Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms.

Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem.

Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; ausgenommen sind die Fälle, in denen das Verwaltungsverfahren g...

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