Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes. Vergütung von Ärzten, die eine Weiterbildung zum Facharzt durchlaufen

 

Normenkette

AEUV Art. 45, 49; Richtlinie 93/16/EWG; Richtlinie 75/363/EWG

 

Beteiligte

Simma Federspiel

Sabine Simma Federspiel

Provincia autonoma di Bolzano

Equitalia Nord SpA

 

Tenor

1. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 75/363/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Arztes in der durch die Richtlinie 82/76/EWG des Rates vom 26. Januar 1982 geänderten Fassung und Art. 24 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, nach der die Gewährung eines nationalen Stipendiums zur Finanzierung einer Weiterbildung in einem anderen Mitgliedstaat, die zum Erwerb eines Facharzttitels führt, davon abhängt, dass der begünstigte Arzt seine berufliche Tätigkeit innerhalb der zehn auf den Abschluss der Facharztausbildung folgenden Jahre mindestens fünf Jahre im erstgenannten Mitgliedstaat ausübt oder andernfalls bis zu 70 % des erhaltenen Stipendiums zuzüglich Zinsen zurückzahlt, nicht entgegenstehen.

2. Die Art. 45 und 49 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, nach der die Gewährung eines nationalen Stipendiums zur Finanzierung einer Weiterbildung in einem anderen Mitgliedstaat, die zum Erwerb eines Facharzttitels führt, davon abhängt, dass der begünstigte Arzt seine berufliche Tätigkeit innerhalb der zehn auf den Abschluss der Facharztausbildung folgenden Jahre mindestens fünf Jahre im erstgenannten Mitgliedstaat ausübt oder andernfalls bis zu 70 % des erhaltenen Stipendiums zuzüglich Zinsen zurückzahlt, nicht entgegenstehen, es sei denn, die in dieser Regelung vorgesehenen Maßnahmen tragen tatsächlich nicht zur Verfolgung der Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit bei und gehen über das hinaus, was hierfür notwendig ist; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Bolzano (Landesgericht Bozen, Italien) mit Entscheidung vom 15. Juli 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juli 2016, in dem Verfahren

Sabine Simma Federspiel

gegen

Provincia autonoma di Bolzano,

Equitalia Nord SpA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter), D. Šváby und M. Vilaras,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Simma Federspiel, vertreten durch F. Dagostin und S. Fassa, avvocati,
  • der Provincia autonoma di Bolzano, vertreten durch Rechtsanwalt J. A. Walther von Herbstenburg,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk, M. Kellerbauer und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. September 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 75/363/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Arztes (ABl. 1975, L 167, S. 14) in der durch die Richtlinie 82/76/EWG des Rates vom 26. Januar 1982 (ABl. 1982, L 43, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/363) und von Art. 45 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Sabine Simma Federspiel auf der einen Seite sowie der Provincia autonoma di Bolzano (Autonome Provinz Bozen, Italien) und der Equitalia Nord SpA auf der anderen Seite über Rechtsakte, mit denen diese Provinz Frau Simma Federspiel verpflichtet hat, ihr einen Teil des Ausbildungsstipendiums, das sie für ihre in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik absolvierte Vollzeitweiterbildung zur Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie erhalten hat, zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 75/363

Rz. 3

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 75/363 sah vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Weiterbildung, die zum Erwerb eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises eines Facharztes führt, mindestens die nachstehenden Bedingungen erfüllt:

  1. Sie setzt voraus, dass ein sechsjähriges Studium im Rahmen der in Artikel 1 genannten Ausbildu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge