Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbraucherwiderruf eines Darlehensvertrags zur Finanzierung des Erwerbs eines Kfz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die unzureichende Information über gem. Art. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB in den verbundenen Darlehensvertrag aufzunehmende Pflichtangaben führt dazu, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt.

2. Nach einer Veräußerung des finanzierten Fahrzeugs kann sich die Bank grundsätzlich nicht mehr auf ihr Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 Abs. 4, § 357 Abs. 4 BGB berufen, da dem Anspruch auf Rückgabe des Fahrzeugs der Einwand des Ausschlusses der Leistungspflicht nach § 275 BGB entgegensteht.

3. Eine Veräußerung des finanzierten Fahrzeugs führt nicht ohne weiteres zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Darlehensnehmers.

 

Normenkette

BGB §§ 275, 285, 355, 356b Abs. 2, § 357 Abs. 4, 7, § 358 Abs. 4, §§ 361, 492, 494; EGBGB Art. 247 § 3 Nr. 11; EGRL 48/2008 Art. 10 Abs. 2, Art. 23-24

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 01.03.2021; Aktenzeichen 10 O 274/20)

 

Tenor

Das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 1. März 2021 wird teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass sich die Klage hinsichtlich des ursprünglichen Antrags, festzustellen, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nr. 700... über nominal 14.690,00 EUR ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 11. Mai 2020 keine Ansprüche auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zustehen, erledigt hat.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.900,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2020 bis zum 13. Januar 2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen der Kläger zu 38 % und die Beklagte zu 62 %, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 48 % und die Beklagte zu 52 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die jeweils unterlegene Partei kann die Zwangsvollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über den Widerruf einer auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung.

Der Kläger erwarb im Juli 2016 von der S. P. GmbH & Co. KG ein Fahrzeug des Herstellers M.-B., Modell B ..., zu einem Preis von 19.690,00 EUR. Er leistete eine Anzahlung von 5.000,00 EUR. Zur Finanzierung des Restbetrags schloss er mit der Beklagten am 12. Juli 2016 einen Darlehensvertrag (vgl. Anlage K 2, Bl. 33 d.A.) über einen Nettodarlehensbetrag von 14.690,00 EUR zu einem gebundenen Sollzinssatz von 3,44 % p.a. Die Widerrufsinformation lautete wie folgt:

((Abbildung))

Mit Schreiben vom 11. Mai 2020 (Anlage K 3, Bl. 42 d.A.) erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Bis zum Widerruf leistete der Kläger 45 Ratenzahlungen zu je 158,36 EUR, mithin insgesamt 7.126,20 EUR, an die Beklagte.

Der Kläger ist der Ansicht, die gesetzliche Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt seiner Widerrufserklärung noch nicht abgelaufen gewesen, weil die Widerrufsinformation fehlerhaft gewesen sei und er nicht alle erforderlichen Pflichtangaben erhalten habe.

Wegen des weitergehenden Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Widerrufsinformation der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche dem Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB, weshalb die Gesetzlichkeitsfiktion eingreife. Der Kläger habe zudem die erforderlichen Pflichtangaben erhalten.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, die Widerrufsinformation der Beklagten belehre nur unzureichend über den Beginn der Widerrufsfrist, weil der enthaltene Verweis auf die Pflichtangaben des § 492 Abs. 2 BGB gegen die Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie verstoße. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Sie habe den pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag fehlerhaft mit 1,40 EUR angegeben, obwohl der Verbraucher bei verbundenen Verträgen nach einem Widerruf keine Zinsen für die Inanspruchnahme des Darlehens zahlen müsse und sie in Ziffer IX. 5. der Darlehensbedingungen auf die Zahlung von Sollzinsen für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens verzichtet habe. Sie habe zudem fehlerhaft darüber belehrt, dass der Verbraucher nach dem Widerruf die Darlehnsvaluta zurückzahlen müsse.

Der Kläger meint weiter, er habe nicht alle erforderlichen Pflichtangaben erhalten. Die Informationen zur Art des D...

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