Entscheidungsstichwort (Thema)

Analoge Anwendung des § 93d ZPO bei Klagerücknahme im Vaterschaftsfeststellungsprozess

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anwendungsbereich des § 93d ZPO ist im Wege der Analogie dahingehend auszudehnen, dass schon derjenige, der als Vater gem. § 1600d BGB vermutet wird, verpflichtet ist, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen. Nach § 93d ZPO sind dem außergerichtlich vergeblich zur Auskunft aufgeforderten Kindesvater die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sich im Rahmen des Verfahrens herausstellt, dass er leistungsfähig ist und das klagende Kind daraufhin die Leistungsklage zurücknimmt.

 

Normenkette

BGB §§ 1600d, 1605; ZPO §§ 93d, 269, 653

 

Verfahrensgang

AG Gießen (Aktenzeichen 26 F 695/07)

 

Gründe

Die Klägerin hat mit ihrer Klage vom 16.5.2007 ggü. dem Beklagten Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelunterhalts geltend gemacht. Der Beklagte war bereits außergerichtlich am 26.2.2007 und 22.3.2007 vergeblich zur Vaterschaftsanerkennung und Auskunftserteilung aufgefordert worden. Nachdem im Rahmen des Prozesses ein Vaterschaftsgutachten die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin als praktisch erwiesen beurteilte, erkannte der Beklagte mit Urkunde vom 5.11.2007 die Vaterschaft zur Klägerin an und legte seine Einkommensbelege vor. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit bezüglich der Vaterschaftsfeststellung für erledigt und nahm die Leistungsklage mangels Leistungsfähigkeit des Beklagten zurück. Diese Erledigungserklärung wurde dem Beklagten am 15.11.2007 mit dem Hinweis nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO zugestellt. Ein Widerspruch erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 3.12.2007 hat das AG Gießen der Klägerin 71 % und dem Beklagten 29 % der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Unter Berücksichtigung des Streitwerts von 6.932 EUR entspreche die Kostenquote dem Verhältnis des Wertes der Feststellungsklage (2.000 EUR) zur zurückgenommenen Leistungsklage. Hinsichtlich der erledigten Feststellungsklage habe der Beklagte gem. § 91a ZPO die Kosten zu tragen, im Übrigen treffe die Klägerin gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die Kostenlast.

Gegen diesen ihr am 17.12.2007 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin unter Hinweis auf § 93d ZPO mit ihrer am 20.12.2007 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 29.1.2008 hat das AG die Auffassung vertreten, § 93d ZPO könne nicht im Rahmen der Kostenentscheidung herangezogen werden, denn der Beklagte habe keine Auskunftspflicht verletzt. Zum Zeitpunkt der Auskunftsaufforderung durch die Klägerin sei er nicht zur Auskunft verpflichtet gewesen, da seine Vaterschaft erst im Rahmen des Prozesses festgestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Beklagte hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

Die gem. §§ 91a Satz 1, 269 Abs. 5, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet.

Vorliegend ist eine sog. Kostenmischentscheidung gegeben, denn nach der erfolgten Teilklagerücknahme bezüglich der Leistungsklage ist die Kostenentscheidung insoweit nach § 269 Abs. 3 ZPO getroffen worden, hinsichtlich des erledigten Teils ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 91a ZPO. Insgesamt sind die Kosten entsprechend § 92 ZPO quotenmäßig zu verteilen (vgl. Kreger in Zöller, ZPO Kommentar, 26. Aufl., § 269 Rz. 18a). Eine derartige gemischte Kostenentscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (vgl. Vollkommer, Zöller, a.a.O., § 91a ZPO Rz. 56).

Die Beschwerde ist auch begründet, denn die Kosten des Verfahrens sind dem Beklagten aufzuerlegen.

Soweit der Rechtstreit erledigt ist, hat das AG zu Recht gem. § 91a ZPO eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten getroffen, da dieser hinsichtlich des Feststellungsantrages ohne Errichtung der Urkunde über die Vaterschaftsanerkennung im Prozess voraussichtlich unterlegen wäre.

Entgegen der Auffassung des AG sind jedoch auch die Kosten des Verfahrens abweichend von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO gem. § 93d ZPO dem Beklagten aufzuerlegen, soweit die Klage zurückgenommen wurde. § 93d ZPO ist vorliegend anzuwenden, obwohl der Beklagte zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Auskunftsaufforderung noch nicht als Vater der Klägerin festgestellt war. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist im Wege der Analogie dahingehend auszudehnen, dass schon derjenige, der als Vater i.S.d. § 1600d BGB vermutet wird, verpflichtet ist, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen. Er gibt Anlass zur Klageerhebung gem. § 93d ZPO, wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Gerichte berechtigt sind, im Wege der Analogie den Anwendungsbereich einer Norm auf einen Fall zu erstrecken, der vom Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst wird, wenn sich insoweit eine Lücke feststellen lässt (BVerfG NJW 1990, 1593; NJW 2006, 3409; Coing/Honsell in Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch 2004, Einleitung Rz. 155 ff.). Eine Gesetzeslücke liegt nicht nur dann vor, wenn das Gesetz keine Regelu...

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