Leitsatz (amtlich)

Zu den Gründen, auf die die Ablehnung eines Sachverständigen gestützt werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 406 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.12.2004; Aktenzeichen 2-21 OH 9/04)

 

Tenor

Der Beschluss des LG Frankfurt/M. vom 16.12.2004 wird wie folgt abgeändert: Der Sachverständige Dipl.-Ing. A, ...straße in O 1 ist befangen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 406 Abs. 5, 567, 568, 569 ZPO). Sie ist auch begründet.

Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wie ein Richter (§ 406 Abs. 1 S. 1 ZPO). Ein Ablehnungsgrund, der die Besorgnis der Befangenheit begründet, ist bereits gegeben, wenn in den Augen eigener objektiven Partei ein Grund gegeben ist, der bei verständiger Würdigung Anlass für ein Misstrauen der Partei ggü. dem Sachverständigen rechtfertigen könnte (OLG Köln MDR 2002, 53; VGH Bay. v. 4.8.2003 - 1 C 03/950, NJW 2004, 90).

Ein solcher Anlass ist vorliegend jedoch nach Auffassung des Senates gegeben. So hat der Sachverständige unstreitig bereits im Juli/August 2004 ein Privatgutachten erstattet zum Befall des auch hier streitgegenständlichen Mietobjektes durch Schimmelpilze. Es handelte sich um die identische Vorwürfe wie in dem hier zur Entscheidung stehenden Beweissicherungsverfahren. Zwar waren unterschiedliche Räume, eventuell auch Stockwerke betroffen, doch handelte es sich um den identisch selben Erreger. Hinzu kommt auch die zeitliche Nähe des Privatgutachtens Juli/August 2004 zur Beauftragung des Sachverständigen im vorliegenden Verfahren.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin dieses Privatgutachten kannte als sie Antrag auf das vorliegende Beweissicherungsverfahren gestellt hat. Zwar kannte die Beschwerdeführerin dieses Gutachten gleichfalls, doch hat die Beschwerdegegnerin im Schriftsatz vom 26.8.2004 in erster Linie als Sachverständige Frau Dr. rer. nat. B benannt gehabt (Bl. 4 d.A.) und erst in zweiter Linie den Dipl.-Ing. A.

Nachdem die Sachverständige Dr. B. die Bearbeitung des Gutachtens abgelehnt hatte, wurde der Sachverständige A. mit der Erstattung des vorliegenden Gutachtens beauftragt. Dieser hat von sich aus nicht darauf hingewiesen, dass er bereits über das streitgegenständliche Objekt ein Privatgutachten im Juli/August 2004 erstattet hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob generell ein Sachverständiger verpflichtet ist, eine Vorbefassung mitzuteilen (OLG Koblenz v. 24.6.2002 - 14 W 363/02, MDR 2002, 1152; a.A. wohl OLG Düsseldorf (s. Bl. 232 d.A.) und OLG Rostock (s. Bl. 234, 236 d.A.)). Vorliegend ist dagegen zu berücksichtigen, dass derselbe Sachverständige einmal ein Privatgutachten in unmittelbarer zeitlicher Nähe erstattet hat und nunmehr als Gerichtssachverständiger und damit neutraler Sachverständiger tätig werden soll. Nach Auffassung des Senates ein verpflichtender Grund für den Sachverständigen hierauf hinzuweisen. Er soll in jedem Falle den Anschein von Befangenheit vermeiden, denn dieser genügt für die Annahme einer Parteilichkeit (OLG Frankfurt NJW 1993, 581; so auch OLG Frankfurt v. 8.11.1982 - 17 U 63/82, NJW 1983, 581; s. aber auch OLG Düsseldorf v. 8.7.1997 - 22 W 29/97, OLGReport Düsseldorf 1998, 51 = NJW-RR 1997, 1428; v. 31.1.1995 - 23 W 3/95, OLGReport Düsseldorf 1995, 203 = BauR 1995, 876). Diese Pflicht zur Mitteilung wäre vorliegend auch deshalb geboten gewesen, weil erfahrungsgemäß ein Sachverständiger bei Erstattung eines Privatgutachtens zu der Tendenz neigt, die Erwartungen seines Auftraggebers zu bestätigen. Sollte er später als gerichtlich bestellter Sachverständiger zu einem anderen Ergebnis kommen, müsste er einräumen, dass er bei einer Begutachtung des identischen Gebäudes unzutreffend entschieden hat. Deshalb ist die Tendenz zu erwarten, dass in beiden Gutachten ein identisches Ergebnis herauskommen wird.

Da ein Gerichtssachverständiger neutral unvoreingenommen sein soll und lediglich aufgrund seiner Sachkunde zu objektiv belegbaren Ergebnissen kommen muss, bestehen vorliegend Bedenken, ob der abgelehnte Sachverständige diesen Ansprüchen genügen würde.

Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, dass der Sachverständige nicht allgemein vereidigt ist und ferner kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfange er bereits forensische Erfahrung gesammelt hat. Entgegen dem Beschluss des LG Frankfurt/M. vom 30.7.2004 sieht der Senat die Entscheidungen des OLG Frankfurt in NJW 1983, 581 (OLG Frankfurt v. 8.11.1982 - 17 U 63/82, NJW 1983, 581) sowie OLG Düsseldorf in NJW 1997, 1428 und Baurecht 95, 876 (OLG Düsseldorf NJW 1997, 1428; v. 31.1.1995 - 23 W 3/95, OLGReport Düsseldorf 1995, 203 = BauR 1995, 876) als mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Entscheidungen an.

Nach alledem war, wie erkannt, zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1342283

BauR 2006, 147

IBR 2005, 435

BrBp 2005, 427

PA 2005, 154

BauRB 2005, 271

DS 2005, 272

OLGR-West 2005, 551

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge