rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Pressesachen ist der Verfügungsgrund für ein Unterlassungsbegehren gewöhnlich ohne Weiteres gegeben, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch zu langes Zuwarten, gegeben ist. Ein Zuwarten des Verfügungsklägers von mehr als acht Wochen bzw. zwei Monaten ab dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung widerlegt regelmäßig die Dringlichkeit (Festhaltung Senat, Urteil vom 23.9.2015, 4 U 101/15, NJW-RR 2016, 932 = AfP 2016, 268).

2. Beruht eine Äußerung auf Informationen, die rechtswidrig beschafft wurden, kann sich der von der Äußerung Betroffene auch im Rahmen der Abwägung zwischen seinem Interesse am Schutz seiner Persönlichkeit mit der Meinungsfreiheit des Publizierenden auf die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nur insoweit berufen, als durch diese in seine Rechte eingegriffen wurde.

3. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Informationen rechtswidrig beschafft wurden und das Presseorgan hieran beteiligt war, trägt der Betroffene. Die Presse trifft aufgrund des Informantenschutzes auch keine sekundäre Darlegungslast dazu, wie sie an die Informationen gekommen ist.

4. Das Phänomen der in "Steuerparadiesen" begründeten und unterhaltenen "Briefkastenfirmen" ("Offshore-Firmen") stellt nicht nur eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage dar; vielmehr handelt es sich bei diesem "Geschäftsmodell" darüber hinaus in den Augen eines (zumindest) erheblichen Teils der Allgemeinheit um einen Missstand von erheblichem Gewicht, der im Sinne der verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfGE 66, 116 = NJW 1984, 1741 - "Wallraff"; BGH NJW 2015, 782 = AfP 2014, 534 - Innenminister unter Druck) ein überragendes öffentliches (Informations-)Interesse in Bezug auf hierzu erlangte Informationen begründen kann, auch wenn sich das publizierende Presseorgan an einer rechtswidrigen Beschaffung der Informationen beteiligt hat und durch diese keine rechtswidrigen Verhaltensweisen des Betroffenen aufgedeckt werden.

5. Dieses öffentliche Informationsinteresse rechtfertigt eine identifizierende Berichterstattung über das Halten von derartigen Briefkastenfirmen durch eine sehr prominente Person, die sich dieses Geschäftsmodells nicht nur vereinzelt und überdies unter Einschaltung einer an einem solchen Standort von Offshore-Briefkastenfirmen ansässigen Anwaltskanzlei bedient hat, die für eine Vielzahl von prominenten Persönlichkeiten derartige Briefkastenfirmen betreut und vermittelt hat. Das (überragende) öffentliche Informationsinteresse umfasst dann auch die näheren Umstände, unter denen sich der Betroffene dieses missbilligten Geschäftsmodells bedient hat und bedient, unabhängig davon, ob sie hiermit im Einzelfall tatsächlich illegale Zwecke verfolgt (hat) oder zumindest ein solcher Verdacht besteht. Dies gilt erst Recht, wenn der Betroffene die Briefkastenfirmen für die Durchführung von Operationen als "undercover agent" im Auftrag deutscher Behörden genutzt hat. Hat sich der Betroffene im Zusammenhang mit den Briefkastenfirmen eines auf eine behördlich verliehene Tarnidentität ausgestellten Passes bedient, kann dies auch die Veröffentlichung des Passes rechtfertigen.

6. Eine allgemein und ohne Mühe zugängliche Quelle im Sinne der Rechtsprechung (BGH NJW 1991, 1532, 1533; NJW 2004, 762, 765) - mit der Folge, dass die Veröffentlichung aus einer solchen Quelle ersichtlicher personenbezogener Daten das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht verletzt - ist im "digitalen Zeitalter" auch das Internet jedenfalls dann, wenn man durch die Eingabe des Namens des Betroffenen bei einer gängigen Suchmaschine problemlos und sofort auf die in Rede stehenden Daten stößt. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kann sich aber aus der gleichzeitigen Veröffentlichung von aus allgemein zugänglichen Quellen stammender Daten und von anderen Daten ergeben, die nicht allgemein zugänglich sind.

7. Der Betroffene ist gegen die Aufstellung und Verbreitung von Gerüchten in der gleichen Weise geschützt wie gegen andere Verdachtsäußerungen. Sie ist jedenfalls dann rechtswidrig, wenn die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten sind.

8. Wird eine Vermutung geäußert, kann es sich je nach den Umständen des Einzelfalls um eine Meinungsäußerung oder um eine Tatsachenbehauptung handeln.

9. Es ist auch für den Unterlassungsanspruch daran festzuhalten, dass eine verdeckte Aussage (etwa im Sinne eines unzutreffenden Eindrucks) nur dann vorliegt, wenn der Äußernde durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt. Die "Stolpe-Rechtsprechung" (BVerfGE 114, 339 = NJW 2006, 207) ist auf die Frage, ob eine verdeckte Aussage vorliegt, nicht anwendbar.

Die Entscheidung ist rechtskräftig (da es sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelt, ist ein weiteres Rechtsmittel nicht möglic...

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