Leitsatz (amtlich)
a) Vor der Verwerfung einer Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist dem Berufungskläger rechtliches Gehör zu gewähren (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 29.6.1993 - X ZB 21/92, NJW 1994, 392).
b) Zur Erledigung der auf eine Verletzung dieser Pflicht gestützten Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss, wenn das Berufungsgericht während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gewährt (Fortführung von BGH, Urt. v. 12.5.1998 - XI ZR 219/97, MDR 1998, 1114 = NJW 1998, 2453 f.).
Normenkette
ZPO §§ 91a, 522 Abs. 1, § 520 Abs. 2, § 233; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Beschluss vom 01.03.2005; Aktenzeichen 4 U 21/05) |
LG Frankenthal (Pfalz) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Pfälzischen OLG Zweibrücken v. 1.3.2005 erledigt ist.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Rechtsbeschwerdeinstanz wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 S. 1 GKG). Die weiteren Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Kläger.
Beschwerdewert: 82.767 EUR
Gründe
I.
Durch Urteil des LG wurden die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen sowie der Widerklage zur Zahlung von 82.767,20 EUR nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses ihnen am 29.12.2004 zugestellte Urteil legten sie am 27.1.2005 Berufung ein.
Mit Beschluss v. 1.3.2005, den Beklagten zugestellt am 4.3.2005, verwarf das OLG die Berufung ohne vorherigen Hinweis mangels rechtzeitiger Berufungsbegründung als unzulässig.
Gegen diesen Verwerfungsbeschluss richtet sich die am 1.4.2005 eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten, für die die Begründungsfrist bis zum 6.6.2005 verlängert wurde.
Zuvor hatten die Beklagten beim OLG am 17.3.2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und am 18.3.2005 eine Berufungsbegründungsschrift eingereicht.
Mit Beschluss v. 25.4.2005 gewährte das OLG die beantragte Wiedereinsetzung mit der Begründung, die Versäumung der Begründungsfrist beruhe auf einem den Beklagten nicht zuzurechnenden Verschulden einer Kanzleiangestellten ihrer Prozessbevollmächtigten.
Innerhalb laufender Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde erklärten die Beklagten daraufhin das Rechtsmittel für erledigt und beantragten unter Verwahrung gegen die Kostenlast, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und festzustellen, dass die Rechtsbeschwerde erledigt ist. Sie wiesen darauf hin, das OLG habe ihre Berufung ohne vorherigen Hinweis als unzulässig verworfen, und die Rechtsbeschwerde sei eingelegt worden, um den Eintritt der Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses zu vermeiden. Die Kläger haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Eine weitere Begründung der Rechtsbeschwerde ist innerhalb der verlängerten Frist nicht eingegangen.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthaft. Sie war auch zulässig, weil die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde darlegt, dass das Berufungsgericht das Recht der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; BGH v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [296 f.] = BGHReport 2003, 686 m. Anm. Schultz = MDR 2003, 822).
Zwar war die Zweimonatsfrist zur Begründung der rechtzeitig eingelegten Berufung gegen das am 29.12.2004 zugestellte Urteil des LG am 28.2.2005 abgelaufen (§ 188 Abs. 3 BGB). Dennoch hätte das OLG die Berufung am 1.3.2005 nicht als unzulässig verwerfen dürfen, ohne den Beklagten hierzu durch einen entsprechenden Hinweis rechtliches Gehör zu gewähren (BGH, Beschl. v. 29.6.1993 - X ZB 21/92, NJW 1994, 392; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 522 Rz. 4, m.w.N. in Fn. 5).
Die Beklagten haben zwar nach Einlegung der Rechtsbeschwerde diese für erledigt erklärt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist keine gesonderte, als solche bezeichnete Rechtsbeschwerdebegründung eingereicht. Der mit der Erledigungserklärung verbundene Hinweis, das OLG habe die Berufung ohne vorangegangenen Hinweis als unzulässig verworfen, ist jedoch als hinreichende Begründung durch Rüge eines Verfahrensfehlers zu verstehen. Einer weiteren Begründung bedurfte es hier nicht.
2. Die Rechtsbeschwerde war auch begründet. Zwar ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung mangels rechtzeitiger Begründung verwerfenden Beschluss die Frage der Wiedereinsetzung nicht zu prüfen, so dass die Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen können, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist habe auf einem der Partei nicht zuzurechnenden Verschulden beruht (BGH, Beschl. v. 7.10.1981 - IVb ZB 825/81, MDR 1982, 392 = FamRZ 1982, 163). Mit Rücksicht auf den gerügten Verfahrensfehler war die Rechtsbeschwerde aber gleichwohl begründet und hätte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt.
Durch die nach Einlegung der Rechtsbeschwerde vom OLG gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, auf die die angefochtene Entscheidung gestützt war, ist diese Entscheidung indes gegenstandslos geworden (BGH, Beschl. v. 9.2.2005 - XII ZB 225/04, BGHReport 2005, 874 = FamRZ 2005, 791 [792], m.w.N.; Beschl. v. 22.11.1957 - IV ZB 236/57, LM § 519b ZPO Nr. 9; RGZ 127, 287 f.), ohne dass es ihrer förmlichen Aufhebung bedarf. Dadurch entfiel das erforderliche Rechtsschutzinteresse der Beklagten an der Anfechtung dieser Entscheidung, da eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ihre Rechtsstellung nun nicht mehr hätte verbessern können. Dies gilt auch hinsichtlich der in dem angefochtenen Beschluss getroffenen Kostenentscheidung, da auch sie gegenstandslos geworden ist (BGH, Beschl. v. 29.4.2004 - V ZB 33/03, FamRZ 2004, 1189).
Daraus haben die Beklagten die gebotene Konsequenz gezogen, ihre Rechtsbeschwerde für erledigt zu erklären und damit auf den Kostenpunkt zu beschränken (BGH, Beschl. v. 29.4.2004 - V ZB 33/03, FamRZ 2004, 1189). Ungeachtet der umstrittenen Frage, ob auch ein Rechtsmittel Gegenstand einer Erledigungserklärung sein kann, gehört der hier vorliegende Fall jedenfalls zu jenen, in denen es zur Vermeidung einer nicht gerechtfertigten Belastung des Rechtsmittelführers mit den Kosten des Rechtsmittelverfahrens geboten ist, eine auf das Rechtsmittel beschränkte Erledigungserklärung zuzulassen (BGH, Urt. v. 12.5.1998 - XI ZR 219/97, MDR 1998, 1114 - veröffentlicht bei JURIS).
Da sich die Kläger der Erledigungserklärung nicht angeschlossen haben, war die Erledigung des Rechtsmittels mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO festzustellen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren war gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG abzusehen, weil es der Rechtsbeschwerde nicht bedurft hätte, wenn das Berufungsgericht den Beklagten vor der Verwerfung ihrer Berufung rechtliches Gehör gewährt hätte. Dann hätten die Beklagten nämlich auf entsprechenden Hinweis sogleich Wiedereinsetzung beantragt, so wie sie es nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses mit Erfolg getan haben, und über diesen Antrag hätte das Berufungsgericht vorab entscheiden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 1397880 |
BGHR 2005, 1470 |
EBE/BGH 2005, 267 |
FamRZ 2005, 1538 |
NJW-RR 2006, 142 |
JurBüro 2006, 448 |
ZAP 2005, 1134 |
MDR 2006, 44 |
PA 2005, 165 |
Mitt. 2005, 524 |
ProzRB 2005, 292 |