Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung des Umgangsrechts des Kindes durch Mutter. Umgangsrecht des Kindes. Aktivlegitimation. Verpflichtung zum Umgang mit Kind
Leitsatz (amtlich)
Das Recht auf Umgang mit seinen Eltern steht dem Kind als höchstpersönliches Recht zu und kann deswegen auch nur von ihm, vertreten durch den sorgeberechtigten Elternteil oder, im Falle eines Interessenkonflikts, durch einen Verfahrenspfleger, nicht aber von dem sorgeberechtigten Elternteil im eigenen Namen gerichtlich geltend gemacht werden (im Anschluss an BVerfG Urt. v. 1.4.2008 - 1 BvR 1620/04, FamRZ 2008, 845).
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des OLG Nürnberg vom 16.11.2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Wert: 3.000 EUR
Gründe
I.
[1] Die Parteien streiten um die Umgangspflicht des Antragsgegners mit dem am 30.11.2001 geborenen gemeinsamen Kind J.
[2] Der Antragsgegner ist verheiratet und hat außerdem zwei ehelich geborene Kinder. Aus seiner außerehelichen Beziehung mit der Antragstellerin ist das Kind J. hervorgegangen. Die Beziehung der Parteien endete schon vor der Geburt des Kindes. Jedenfalls seit August 2002 hat der Antragsgegner keinen Kontakt mehr zu dem Kind.
[3] Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zu einem regelmäßigen Kontakt mit dem gemeinsamen Kind zu verpflichten. Der Antragsgegner lehnt einen solchen Umgang nachdrücklich ab.
[4] Das AG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 12.4.2006 zum Umgang mit seinem Sohn J. verpflichtet und die Anbahnung des Umgangs sowie die Begleitung durch eine Familienberatungsstelle im Einzelnen geregelt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG den Umgangsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom OLG zugelassene - Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
II.
[5] 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat (§ 621e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Daran ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden (§ 621e Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig.
[6] 2. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist jedoch unbegründet. Denn das Berufungsgericht hat ihren Antrag, den Antragsgegner zu einem Umgang mit dem gemeinsamen Kind J. zu verpflichten, im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
[7] a) Zwar sieht § 1684 Abs. 1 BGB ein subjektives Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil und entsprechend auch die Verpflichtung jedes Elternteils zum Umgang mit seinem Kind vor. Damit entspricht die Vorschrift Art. 9 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention, wonach die Vertragsstaaten das Recht des Kindes zu regelmäßigen persönlichen Beziehungen und unmittelbaren Kontakten zu beiden Elternteilen zu achten haben, und konkretisiert zugleich die Elternverantwortung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise. Erst eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines sich dem Umgang verweigernden Elternteils, wozu allerdings schon die Androhung eines Zwangsmittels nach § 33 FGG zählt, ist regelmäßig nicht mehr geeignet, dem Kindeswohl zu dienen und rechtfertigt den damit verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Elternteils dann nicht. § 33 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGG sind deshalb dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines den Umgang mit seinem Kind verweigernden Elternteils zu unterbleiben hat, es sei denn, es gäbe im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass dies dem Kindeswohl dienen wird (BVerfG FamRZ 2008, 845, 848 ff.).
[8] Danach greift die hier beantragte und vom AG ausgesprochene Umgangspflicht des Vaters mit seinem Kind als solche noch nicht in dessen Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht oder deren Androhung, die grundsätzlich in unzulässiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Antragsgegners eingreifen würden, wurde bislang weder beantragt noch ausgesprochen.
[9] b) Gleichwohl hat das Beschwerdegericht hier zu Recht schon den Antrag der Mutter auf Verpflichtung des Vaters zum regelmäßigen Umgang zurückgewiesen.
[10] aa) § 1684 Abs. 1 BGB räumt lediglich dem Kind ein höchstpersönliches Recht zum Umgang mit jedem Elternteil ein. Denn Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes, macht ihnen diese Aufgabe aber zugleich zu einer zuvörderst ihnen obliegenden Pflicht. Die in § 1684 Abs. 1 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine zulässige Konkretisierung dieser den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind. Damit hat der Gesetzgeber die Umgangspflicht eines Elternteils als höchstpersönliches Recht des Kindes, nicht aber als Recht der Mutter ausgestaltet (so im Ergebnis auch Büte, Das Umgangsrecht bei Kindern geschiedener oder getrennt lebender Eltern 2. Aufl. Rz. 145 f., Greßmann, Neues Kindschaftsrecht Rz. 327 f., Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht 4. Aufl., § 1684 BGB Rz. 33 [unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/8511, 74], Schwab/Motzer, Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil III 294; Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein/Büte, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 6. Aufl. 4. Kap. Rz. 443 f.; Weinreich/Klein/Ziegler, Fachanwaltskommentar Familienrecht 3. Aufl., § 1684 Rz. 4; Dauner-Lieb/Heidel/Ring/Peschel-Gutzeit, Anwaltkommentar BGB Bd. 4 Familienrecht § 1684 Rz. 10; Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Aufl., § 1684 Rz. 2 und wohl auch Schnitzler/Rakete-Dombek Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 2. Aufl., § 14 Rz. 8).
[11] Während der ursprüngliche Gesetzentwurf zum Kindschaftsreformgesetz in § 1684 Abs. 1 BGB noch keine Pflicht der Eltern zum Umgang mit dem Kind vorsah, hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme eine Klarstellung gefordert, nach der das Kind nicht Objekt eines fremden Rechts ist, sondern selbst das Recht hat, bei einer Trennung von seinen Eltern regelmäßige persönliche und unmittelbare Kontakte zu ihnen zu pflegen (BT-Drucks. 13/4899, 153). Auf die Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, "ein eigenes Umgangsrecht des Kindes vorzusehen und deutlich zu machen, dass jeder Elternteil nicht nur zum Umgang mit dem Kind berechtigt, sondern hierzu auch verpflichtet ist" (BT-Drucks. 13/8511, 68), ist der Entwurf geändert und die gegenwärtige Gesetzeslage geschaffen worden. Entsprechend weist auch das BVerfG darauf hin, dass die Interessen des (antragstellenden) Kindes mit denen seines ihn vertretenden Elternteils im Einzelfall in Konflikt stehen können, was die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 50 FGG erfordern kann.
[12] bb) Um dem - ordnungsgemäß vertretenen - Kind die Disposition über sein Recht zu belassen, ist das Recht im Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchzusetzen (vgl. insoweit Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt, Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl., § 12 Rz. 9 ff.). Zwar ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt auch in diesem Verfahren nach § 12 FGG von Amts wegen aufzuklären. Der verfahrenseinleitende Antrag muss aber erkennen lassen, wer Antragsteller ist und das Umgangsrecht des Kindes geltend macht.
[13] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Durchsetzung eines fremden materiellen Rechts im eigenen Namen (gewillkürte Prozessstandschaft) stets für unzulässig gehalten worden, wenn das einzuklagende Recht höchstpersönlichen Charakter hat und mit dem Rechtsinhaber, in dessen Person es entstanden ist, so eng verknüpft ist, dass die Möglichkeit, seine gerichtliche Geltendmachung einem Dritten im eigenen Namen zu überlassen, dazu im Widerspruch stünde (BGH, Urt. v. 17.2.1983 - I ZR 194/80, NJW 1983, 1559, 1561). Dem schließt sich der Senat für das Recht des Kindes zum Umgang mit einem Elternteil nach § 1684 Abs. 1 BGB an. Auch dieses Recht kann deswegen nur durch das Kind - vertreten durch den (hier nach § 1626a Abs. 2 BGB) sorgeberechtigten Elternteil oder, im Falle eines Interessenkonflikts, durch einen zu bestellenden Verfahrenspfleger - geltend gemacht werden.
[14] cc) Im vorliegenden Rechtsstreit ist die Antragstellerin - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht hinweist - stets im eigenen Namen aufgetreten und aus eigenem Recht vorgegangen. Entsprechend haben die Instanzgerichte auch sie persönlich als "Antragstellerin" behandelt. Auf ihren Antrag und nach dem Inhalt ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist der Antragstellerin persönlich und nicht etwa dem durch sie vertretenen Kind Prozesskostenhilfe bewilligt worden (zur Ausnahme der Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB vgl. BGH v. 11.5.2005 - XII ZB 242/03, FamRZ 2005, 1164, 1166 f.).
[15] dd) Weil der Antragstellerin das von ihr geltend gemachte Recht auf Umgang des Antragsgegners mit seinem Kind aber nicht persönlich zusteht und sie das höchstpersönliche Recht des Kindes auch nicht in Prozessstandschaft für das Kind geltend machen kann, hat das Beschwerdegericht ihren Antrag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 2007316 |
BGHZ 2008, 337 |
NJW 2008, 2586 |
BGHR 2008, 956 |
EBE/BGH 2008, 203 |
FamRZ 2008, 1334 |
FamRZ 2008, 2020 |
FuR 2008, 396 |
JR 2009, 288 |
ZAP 2008, 755 |
JA 2008, 820 |
MDR 2008, 918 |
FamRB 2008, 237 |
NJW-Spezial 2008, 486 |
NotBZ 2008, 301 |
ZKJ 2008, 514 |
FK 2008, 153 |
FuBW 2008, 820 |
FuHe 2009, 146 |
FuNds 2009, 183 |