Leitsatz (amtlich)
Dem entschädigungsberechtigten Sachverständigen steht eine Entschädigung nicht für die tatsächlich aufgewendete, sondern nur für die erforderliche Zeit zu. Hierbei ist auf einen durchschnittlich schnell arbeitenden Sachverständigen abzustellen.
Normenkette
ZuSEntschG § 3 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Entschädigung des gerichtlichen Sachverständigen für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens wird unter Einschluss aller Auslagen und Abgaben auf16.542,24 Euro
festgesetzt.
II. Die Entschädigung des gerichtlichen Sachverständigen für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und die Teilnahme an ihr wird unter Einschluss aller Auslagen und Abgaben auf795,80 Euro
festgesetzt.
Gründe
I. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr.-Ing. M. hat für die Erstattung seines schriftlichen Gutachtens in der vorliegenden Patentnichtigkeitssache ein Honorar von 51.356,18 Euro in Rechnung gestellt. Er hat dies auf der Grundlage eines Stundensatzes von 55 Euro für jede Stunde wie folgt aufgeschlüsselt:
Gutachterhonorar: 38.170 Euro
Mitarbeiter und Sekretariat: 6.010 Euro
Druck und Transport: 92,55 EUR
Umsatzsteuer: 7.098,42 Euro
Die Parteien haben einer besonderen Entschädigung nach § 7 Abs. 1 ZuSEntschG in dieser Höhe nicht zugestimmt. Der Beklagte hat ausführen lassen, der vorgeschlagene Betrag übersteige das übliche Sachverständigenhonorar bei weitem und stehe in einem außerordentlichen Missverhältnis zu dem Wert des Streitgegenstands und dem geleisteten Auslagenvorschuss. Die Klägerin hat gebeten, über die Vergütungsforderung nach Senatsermessen zu entscheiden, wobei davon ausgegangen werde, dass dies in den Grenzen des § 3 ZuSEntschG geschehe.
Auf die Bitte des Senats, seine Rechnung weiter aufzuschlüsseln, hat der gerichtliche Sachverständige seine Stundenzahl mit 694 angegeben. Er hat weiter Honorare für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter (53 Stunden zu je 30 Euro), eine Fremdsprachensekretärin (80 Stunden zu je 20 Euro) und eine Zeichnerin (16 Stunden zu je 20 Euro) sowie Abgaben an die Universität für die Nutzung universitärer Einrichtungen von netto 2.500 Euro angesetzt. Daneben hat er zwei "Plausibilitätskontrollen" eingereicht; insoweit wird auf Bl. 231 der Akten verwiesen. Der Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass der zu beurteilende technische Sachverhalt vergleichsweise einfach gelagert sei und das vom Sachverständigen zu berücksichtigende druckschriftliche Material einen verhältnismäßig geringen Umfang besitze. Auch seien im schriftlichen Gutachten der Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit auf weniger als einer Seite und der der mangelnden erfinderischen Tätigkeit auf weniger als zwei Seiten behandelt.
II. Grund und Umfang der Vergütung des gerichtlichen Sachverständigen richten sich nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEntschG).
1. Nach § 3 Abs. 1 ZuSEntschG werden Sachverständige nach ihren Leistungen entschädigt. Dabei beträgt die Entschädigung für jede Stunde der erforderlichen Zeit 25 bis 52 Euro (§ 3 Abs. 2 S. 1 ZuSEntschG). Diese Entschädigung kann bis zu 50 vom Hundert, also bis zu einem Stundensatz von 78 Euro, überschritten werden für ein Gutachten, in dem der Sachverständige sich für den Einzelfall eingehend mit der wissenschaftlichen Lehre auseinander zu setzen hat (§ 3 Abs. 3 S. 1 Buchst. a ZuSEntschG). Wie der Senat bereits früher entschieden hat, kann die eingehende Auseinandersetzung eines technischen Sachverständigen mit dem Stand der Technik in einem im Patentnichtigkeitsverfahren erstatteten Gutachten einer Auseinandersetzung mit der "wissenschaftlichen Lehre" im Sinne dieser Bestimmung gleichzusetzen sein (BGH v. 9.2.1984 - X ZR 15/82, MDR 1984, 665 = GRUR 1984, 340; Keukenschrijver, Das Patentnichtigkeitsverfahren und Nichtigkeitsberufungsverfahren, 2003, Rz. 203 m. w. N. in Fn. 491; a. A. Hartmann, Kostengesetze 33. Aufl., § 3 ZSEG Rz. 72). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sieht der Senat nach dem Gesamtinhalt des vorgelegten Gutachtens, das sich auf eingehende wissenschaftliche Analysen stützt, im vorliegenden Fall als erfüllt an. Der Senat hat auch keine Bedenken, hinsichtlich des Rechnungspostens Stundensatz über den Ansatz des gerichtlichen Sachverständigen hinauszugehen.
3. In Ansatz gebracht werden kann nach der gesetzlichen Regelung nicht die tatsächlich aufgewendete, sondern nur die erforderliche Zeit. Wie der Senat hierzu bereits mehrfach entschieden hat, ist dabei als erforderlich nur derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffes, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 4.6.1987 - X ZR 27/86, NJW-RR 1987, 1470 [1471] - Zeitaufwand für Sachverständigen; v. 12.7.1988 - X ZR 22/86, MDR 1988, 1054 = Liedl 1987/88, 546; v. 10.5.1988 - X ZR 91/85, Liedl 1987/88, 551 - Sachverständigenvergütung 02 und 03; Hartmann, § 3 ZSEG Rz. 8-10).
III. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Umfang des vom Sachverständigen zu berücksichtigenden Materials eher unterdurchschnittlich war. Die deutsche Übersetzung des Streitpatents umfasst neun Schreibmaschinenseiten, die der ursprünglichen Unterlagen drei Schreibmaschinenseiten, die beiden Entgegenhaltungen, zu denen der gerichtliche Sachverständige Stellung zu nehmen hatte, umfassen in der Übersetzung insgesamt 108 Schreibmaschinenseiten. Der Umfang des schriftlichen Gutachtens beträgt zwar 64 Seiten, jedoch sind hierin Kopien einer Literaturstelle und ein Lebenslauf des Sachverständigen enthalten, hinsichtlich derer allenfalls Schreibauslagen angesetzt werden können; entsprechendes gilt für weitere Teile wie Wiedergabe des Beweisbeschlusses (die im Gutachtentext an den entsprechenden Stellen nochmals erfolgt ist), Inhaltsverzeichnis und Deckblatt. Der Sachverständige hat dementsprechend selbst seiner Kontrollberechnung lediglich 40 Seiten zu Grunde gelegt. Bei dieser Sachlage hätte sich ein durchschnittlich schnell arbeitender Sachverständiger zur Überzeugung des Senats in 40 Stunden mit dem Streitstoff, soweit dieser die ihm gestellten Fragen betraf, vertraut machen können. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige 53 Stunden Zuarbeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters ansetzt. Für die notwendigen Überlegungen und die Niederlegung des Gutachtens sieht der Senat 80 Stunden als erforderlich, aber bei einer durchschnittlichen Arbeitsgeschwindigkeit auch ausreichend an. Von dem für das Korrekturlesen angesetzten 16 Stunden billigt der Senat dem Sachverständigen 5 Stunden zu. Der erforderliche Zeitaufwand bemisst sich demnach auf 125 Stunden für den Sachverständigen, die angesetzten 53 Mitarbeiterstunden billigt der Senat dem Sachverständigen ebenfalls zu; er geht davon aus, dass diese Stundenzahl entsprechend der Erklärung des Sachverständigen im Zusammenhang mit dem Gutachten tatsächlich angefallen ist; die Erstattungsfähigkeit ergibt sich insoweit aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZuSEntschG. Nach dieser Bestimmung ist auch von der Erstattungsfähigkeit der an die Universität zu leistenden Abgaben auszugehen. Da das Gutachten 10 Abbildungen enthält, sind auch die hierfür aufgewendeten Zeichnerkosten nach der genannten Bestimmung anzusetzen. Da es sich ganz überwiegend um eher einfache, ersichtlich mit einem Grafikprogramm problemlos zu erstellende Diagramme (Abb. 1, 2, 5, 7, 9, 10) im Übrigen aber um Übernahmen aus anderen Unterlagen (Abb. 3, 4, 6, 8) handelt, kann ein 10 Stunden übersteigender Aufwand nicht berücksichtigt werden. Wozu eine Fremdsprachensekretärin herangezogen werden musste, ist nicht ersichtlich, da alles Material, das der Sachverständige nach dem Beweisbeschluss zu berücksichtigen hatte, in deutscher Übersetzung vorlag. Die Schreibauslagen sind nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 ZuSEntschG einschließlich der notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte mit 2 Euro je angefangene Seite zu berücksichtigen. Die Druck- und Transportkosten hat der Senat in der angegebenen Höhe berücksichtigt.
IV. Danach ergibt sich folgende Abrechnung:
Sachverständiger: 125 Stunden zu je 78 Euro 9.750 Euro
Mitarbeiter: 53 Stunden zu je 30 Euro 1.590 Euro
Zeichnerin: 10 Stunden zu je 20 Euro 200 Euro
Abgaben an die Hochschule: 2.500 Euro
Druck- und Transportkosten: 92,55 Euro
Schreibauslagen: 128,00 Euro
Summe: 14.260,55 Euro
Umsatzsteuer 16 % (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 ZuSEntschG): 2.281,69 Euro
Summe: 16.542,24 Euro.
V. Die Festsetzung der Entschädigung für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und für deren Vorbereitung beruht auf § 7 Abs. 1 ZuSEntschG. Die Parteien haben insoweit dem Vorschlag des gerichtlichen Sachverständigen zugestimmt; der Betrag ist durch den eingezahlten Vorschuss gedeckt.
Fundstellen
Haufe-Index 1118766 |
BGHR 2004, 708 |
BauR 2004, 1184 |
GRUR 2004, 446 |
IBR 2004, 212 |
ZAP 2004, 654 |
MDR 2004, 776 |
BrBp 2004, 391 |
DS 2004, 144 |
Mitt. 2004, 284 |