Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilurteil. Zulässigkeit. Klage des Vermieters. Räumungs- und Herausgabeklage. Gefahr sich widersprechender Entscheidungen. Spätere Entscheidung über Zahlungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils im Falle einer Klage des Vermieters auf Zahlung rückständiger Miete und auf Räumung des Mietobjekts.
Normenkette
ZPO § 301
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 25.07.2006; Aktenzeichen 12 S 651/06) |
AG Starnberg (Urteil vom 11.01.2006; Aktenzeichen 1 C 2028/05) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 12. Zivilkammer des LG München II vom 25.7.2006 und das Teilurteil des AG Starnberg vom 11.1.2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das AG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Beklagte zu 1) mietete von den Klägern ab dem 1.8.2004 ein Hausgrundstück in S., das sie zusammen mit dem Beklagten zu 2) bewohnt. Die Kläger kündigten im Lauf des Jahres 2005 das Mietverhältnis mit Schreiben ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mehrmals fristlos und nehmen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts sowie auf Zahlung von rückständiger Miete und Nutzungsentschädigung in Anspruch; die Beklagten berufen sich auf ein Recht zur Minderung der Miete wegen Mängeln der Mietsache und auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen unterbliebener Mangelbeseitigung.
[2] Das AG hat die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs für gerechtfertigt gehalten und der Räumungs- und Herausgabeklage durch ein Teilurteil stattgegeben; zugleich hat das AG sich die Anordnung von Beweiserhebungen zur Feststellung der konkreten Höhe des der Beklagten zu 1) zustehenden Mietminderungsbetrages und des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts vorbehalten. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der diese ihr Begehren auf Abweisung der Räumungs- und Herausgabeklage weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe
[3] Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
I.
[4] Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
[5] Die Beklagten seien zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts verpflichtet. Zwar habe bei der Beklagten zu 1) ein die fristlose Kündigung rechtfertigender Zahlungsverzug entgegen der Auffassung des AG weder bei der Kündigung vom 6.7.2006 noch bei den weiteren fristlosen Kündigungen vorgelegen. Die Kläger hätten jedoch mit ihrer Kündigung vom 6.7.2006 das Mietverhältnis aus einem anderen wichtigen Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB wirksam fristlos gekündigt. Die Beklagten hätten die Vertragsgrundlage zerrüttet, indem sie einen Wanddurchbruch zwischen Küche und Wohn-/Esszimmer vorgenommen und das Schwimmbad trotz Abmahnung nicht ordnungsgemäß betrieben und nicht ordnungsgemäß stillgelegt hätten; angesichts dieses Verhaltens sei den Klägern die weitere Durchführung des Vertrages unzumutbar.
II.
[6] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in prozessualer Hinsicht nicht stand. Die Revision rügt - ebenso wie schon die Berufung der Beklagten - zu Recht, dass dem Räumungs- und Herausgabeanspruch der Kläger durch ein Teilurteil stattgegeben worden ist.
[7] Ein Teilurteil ist unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche noch einmal stellt, weil dann die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht. Ein Teilurteil gem. § 301 ZPO darf daher nur ergehen, wenn die Beurteilung des durch das Teilurteil entschiedenen Anspruchs, auch unter Berücksichtigung einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, vom Ausgang des Streits über die weiteren Ansprüche unabhängig ist (st.Rspr.; Senatsurteil v. 22.6.2005 - VIII ZR 378/04, MietPrax-AK, § 301 ZPO Nr. 1, unter II; BGH v. 18.7.2007 - VIII ZR 236/05, WM 2007, 1901, Tz. 25). Diese Grundsätze haben das AG und das Berufungsgericht nicht beachtet. Das Berufungsgericht hätte das unzulässige Teilurteil des AG nicht bestätigen dürfen, sondern hätte das Teilurteil aufheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverweisen müssen.
[8] 1. Das mit einem Zahlungsverzug der Beklagten zu 1) (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BGB) begründete Teilurteil des AG über die Verurteilung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts ist unzulässig. Es birgt die Gefahr widersprechender Entscheidungen in sich, weil das AG bei der späteren Entscheidung über den Zahlungsanspruch an sein Teilurteil über den Räumungsanspruch und die hierzu getroffenen Feststellungen zum Zahlungsverzug der Beklagten nicht gebunden ist (Senatsurteil vom 22.6.2005, a.a.O.). Deshalb könnte das weitere Verfahren über den Zahlungsanspruch, wenn das Teilurteil inzwischen rechtskräftig geworden ist, zu dem Ergebnis führen, dass die von der Beklagten zu 1) geltend gemachte Mietminderung und das Zurückbehaltungsrecht in solcher Höhe begründet sind, dass Mietrückstände, die eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gerechtfertigt hätten, nicht bestanden; das widerspräche dem auf Mietrückstände gestützten Teilurteil über die Räumung.
[9] Ebenso könnte im Rechtsmittelverfahren über das vom AG erlassene Teilurteil ein die fristlose Kündigung rechtfertigender Zahlungsverzug der Beklagten zu 1) mit Mietrückständen entgegen der Auffassung des AG verneint und die Räumungsklage dementsprechend abgewiesen werden; auch daran wäre das AG bei seiner späteren Entscheidung über das Zahlungsbegehren der Kläger nicht gebunden, so dass es das Vorliegen von Mietrückständen, die eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten, wiederum bejahen könnte; dies widerspräche einer im Rechtsmittelverfahren erfolgten Abweisung der Räumungsklage.
[10] 2. An der Unzulässigkeit des vom AG erlassenen und vom Berufungsgericht bestätigten Teilurteils ändert sich nichts dadurch, dass das Berufungsgericht das Recht der Kläger zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses nicht auf einen Zahlungsverzug der Beklagten zu 1) mit Mietrückständen, sondern auf einen anderen wichtigen Grund i.S.d. § 543 Abs. 1 BGB (Zerrüttung der Vertragsgrundlage) gestützt hat. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen ist dadurch nicht beseitigt worden. Hätte nämlich die Begründung des Berufungsgerichts im Rechtsmittelverfahren keinen Bestand, so käme es darauf an, ob die Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs begründet ist; vom Standpunkt des Berufungsgerichts müsste die Räumungsklage dann abgewiesen werden. An diese Entscheidung wären jedoch das AG und auch das Berufungsgericht im nachfolgenden Zahlungsprozess - wie ausgeführt (unter 1) - nicht gebunden (Senatsurteil vom 22.6.2005, a.a.O.). Es könnte also im Zahlungsprozess über die Mietrückstände zu einem Urteil kommen, nach dem die (abgewiesene) Räumungsklage doch begründet gewesen wäre. Das soll vermieden werden.
III.
[11] Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann über die Unzulässigkeit des Teilurteils selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Er hebt auf die Berufung der Beklagten das Teilurteil des AG auf und verweist die Sache gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 3 ZPO an das AG zurück (vgl. Senatsurteil vom 18.7.2007, a.a.O., Tz. 27).
Fundstellen
Haufe-Index 1896152 |
BGHR 2008, 389 |
DWW 2008, 66 |
EBE/BGH 2008 |
NJW-RR 2008, 460 |
NZM 2008, 280 |
WuM 2008, 156 |
GuT 2008, 157 |
Info M 2008, 145 |
MietRB 2008, 106 |
NJW-Spezial 2008, 162 |