Entscheidungsstichwort (Thema)
Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe
Leitsatz (amtlich)
a) Gegen erstinstanzliche Urteile des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Schwerin in Prüfungsverfahren ist nur die Revision, nicht aber die Berufung statthaft.
b) Ein Richter auf Probe, dessen Aktenbearbeitung und Dispositionsfähigkeit auch nach mehrjähriger richterlicher Tätigkeit mangelhaft sind, d.h. der nicht ausreichend in der Lage ist, Verfahren angemessen zu fördern und planvoll in angemessener Zeit abzuschließen, ist für die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit nicht geeignet. Das gilt auch dann, wenn seine Fähigkeiten und Leistungen in anderen Teilbereichen durchschnittlich oder besser sind.
Normenkette
DRiG § 22 Abs. 2 Nr. 1, § 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2; RiG MV §§ 33, 45 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 24.05.2000) |
Tenor
Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Schwerin vom 24. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die geborene Antragstellerin war nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung mit der Note „befriedigend” von 1992 bis 1993 in der Rechtsabteilung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung S. und beim Landkreis P. tätig. Am 3. Mai 1993 wurde sie vom Antragsgegner unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe in den höheren Justizdienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern eingestellt und dem Sozialgericht St. zugewiesen. Dort war sie als Vorsitzende einer Kammer eingesetzt, die u.a. für Streitsachen aus dem Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Arbeit zuständig war. Nach der Geburt ihrer Tochter am 22. März 1994 wurde ihr im Anschluß an den Mutterschutz vom 18. Mai 1994 bis zum 31. März 1995 Erziehungsurlaub gewährt. Seit dem 1. April 1995 ist ihre Beschäftigungszeit auf die Hälfte des regelmäßigen Dienstes ermäßigt. Sie war vom 1. April bis zum 30. September 1995 als Vorberichterstatterin beim Landessozialgericht M. tätig und bearbeitete Streitverfahren aus den Sachgebieten Arbeitslosenversicherung, Kindergeldrecht und Unfallversicherung. Seit dem 2. Oktober 1995 ist sie wieder als Kammervorsitzende beim Sozialgericht St. eingesetzt und bearbeitet u.a. Streitverfahren aus der Arbeitslosenversicherung, den übrigen Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit und dem sozialen Entschädigungsrecht.
Die Antragstellerin wurde mehrfach dienstlich beurteilt. Am 4. November 1993 bewertete die Direktorin des Sozialgerichts St. sie für ihre Dienststellung als Richterin in der Sozialgerichtsbarkeit als geeignet. Ihre Dispositionsfähigkeit wurde als durchschnittlich, die übrigen Beurteilungsmerkmale als durchschnittlich, gut durchschnittlich und überdurchschnittlich bewertet. Der Präsident des Landessozialgerichts erklärte sich mit dieser Beurteilung am 11. Januar 1994 einverstanden. Er bewertete die Antragstellerin am 15. November 1995 unter Berücksichtigung eines Leistungsberichts des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht B. aufgrund ihrer Tätigkeit als Vorberichterstatterin bei dem Landessozialgericht als Richterin im Bereich des Sozialversicherungsrechts als geeignet. Ihre Dispositionsfähigkeit und verschiedene andere Beurteilungsmerkmale wurden für die Zeit der Tätigkeit am Landessozialgericht nicht bewertet. Die übrigen Beurteilungsmerkmale sind gut durchschnittlich und überdurchschnittlich bewertet worden.
In einer dienstlichen Beurteilung vom 5. November 1996, teilweise geändert durch Bescheid vom 6. Januar 1997, sah der Präsident des Landessozialgerichts die Antragstellerin für die Tätigkeit einer Kammervorsitzenden an einem Sozialgericht als nicht geeignet an. Er bewertete ihre Dispositionsfähigkeit als weit unterdurchschnittlich und führte hierzu aus:
„Die durchgesehenen Akten zeigen, daß der Richterin die Fähigkeit weitgehend fehlt, planvoll und ökonomisch zu arbeiten. Besonders in den Vs- und V-Sachen wird eine eigeninitiative Förderung des Verfahrens in zu vielen Fällen vermißt, obwohl sie zur Erledigung dieser beweisintensiven Verfahren in einem angemessenen Zeitraum unerläßlich ist. Es besteht der Eindruck, daß die Richterin weitgehend nicht in der Lage ist, die in der ersten Instanz zahlreich zu bearbeitenden Akten gleichzeitig und mit Überblick, d.h. mit sich aneinanderreihenden sinnvollen Ermittlungsschritten parallel zu bearbeiten.”
In der Gesamtbeurteilung führte er aus:
„Von den Ende September 1996 in den zwei Kammern der Richterin anhängigen 148 Verfahren sind etwa 100 laufende Akten durchgesehen worden, ferner von den von der Richterin im Zeitraum vom 01.01.96 bis 30.09.96 erledigten 62 Verfahren 59 Akten. In zu wenigen Fällen zeigte sich dabei eine planvolle Aktenbearbeitung, die deutlich machen würde, daß die Richterin kontinuierlich und initiativ ermittelt. Eine Förderung des Fortgangs des Verfahrens erfolgte teilweise gar nicht. So finden sich in zu vielen Verfahren über Monate hinweg nur Schiebeverfügungen, vom vorherigen Richter begonnene Sachaufklärungen werden nicht oder nur unzureichend weitergeführt. Erscheint in den AR-Verfahren das bloße Ausschreiben durch das kommentarlose Übersenden von Schriftsätzen über einen längeren Zeitraum hinweg vertretbar, so fehlt in den V- und Vs-Sachen weitgehend oder teilweise völlig die notwendige eigene planvolle Ermittlungsarbeit. Es finden sich Bearbeitungsfehler, die nicht auftreten dürften. Auf Vorlage der Akten durch die Urkundsbeamtin reagiert die Richterin oft monatelang nicht durch eine entsprechende Verfügung (z.T. oder Wv.). Verfügungen sind nicht unterschrieben oder nicht mit Datum versehen, werden nachträglich wieder gestrichen, in einem Fall wird eine Klagebegründung über Monate hinweg nicht zugestellt. Die Ermittlungsschritte zeigen Unsicherheiten und deuten auf mangelnde Auseinandersetzung mit der Rechtslage hin. Die Erledigungszahlen waren im Beurteilungsabschnitt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Richterin als Halbtagskraft tätig ist, ungenügend. Die ungenügende Arbeitsleistung und mangelhafte Aktenbearbeitung durch die Richterin im Beurteilungszeitraum rechtfertigen und erfordern die Feststellung, daß die Richterin für die Tätigkeit einer Kammervorsitzenden an einem Sozialgericht nicht geeignet ist.”
Über die gegen diese Beurteilung erhobene Anfechtungsklage der Antragstellerin ist noch nicht entschieden.
In einer dienstlichen Beurteilung vom 16. Dezember 1997, teilweise geändert durch Bescheid vom 5. November 1998, der die Tätigkeit der Richterin in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum 30. November 1997 zugrunde liegt, kam der Präsident des Landessozialgerichts zu folgender Gesamtbeurteilung:
„Die erzielten Erledigungen waren für eine halbe Richterstelle in den vergangenen 11 Monaten durchschnittlich. Bei nach der Geschäftsverteilung im ersten Halbjahr 1997 zu wenig Eingängen hat Frau Z. zunächst mehr erledigt als eingegangen ist, bei stärkerem Anstieg der Eingangszahlen nach einer Änderung der Geschäftsverteilung im zweiten Halbjahr haben ihre Erledigungen nicht mehr mit den Eingängen Schritt gehalten (Eingänge September/Oktober/November – 18/20/16; Erledigungen 11/6/7), wobei jedoch eine Erkrankung von 16 Arbeitstagen im Oktober und November zu berücksichtigen ist. Die Art und Weise und Effizienz der Aktenbearbeitung ist weiterhin unzureichend und mangelhaft. In zu wenigen Verfahren werden diese von Anfang an kontinuierlich durch gestaltende Schriftsätze planvoll gefördert. Es fehlt das Gespür dafür, bei schwierig gelagerten Fallgestaltungen zeitnah und energisch mit der Sachverhaltsaufklärung zu beginnen oder auf veränderte Situationen mit der richtigen Initiative – auch in zeitlicher Hinsicht – überzeugend zu reagieren. In zu vielen Akten werden zunächst lediglich Schriftsätze ausgetauscht, ohne daß die Richterin richtunggebend eingreift, so ist bei vielen Verfahren der Ermittlungsstand nach ein oder gar zwei Jahren der gleiche wie bei Klageerhebung. Es wird oft versäumt, in angemessener Zeit zu fallangemessenen Lösungen – insbesondere auch im Bereich der vorbereitenden Maßnahmen – zu gelangen. Oft werden Stellungnahmen zu inhaltsarmen Schriftsätzen der Gegenseite über Monate hinweg angemahnt. Es entsteht der Eindruck, daß die Richterin die Vielzahl der Verfahren nicht in der Weise im Griff hat, alle ihrer Eigenart nach angemessen parallel durch ökonomische zielgerichtete Ermittlungen zu fördern.”
Die Dispositionsfähigkeit der Antragstellerin bewertete der Präsident des Landessozialgerichts mit folgender Begründung als unterdurchschnittlich:
„Für den Beurteilungszeitraum ergibt sich, daß die Richterin die Bearbeitung der Akten zu wenig planvoll und eigeninitiativ fördert. Sie ist nur unzureichend fähig, bei der bestehenden Vielfalt der Verfahren in der ersten Instanz gleichzeitig mit sich sinnvoll aneinanderreihenden Ermittlungsschritten jedes Verfahren in der angemessenen Art zu fördern und es planvoll und im Zusammenwirken mit den Beteiligten in einer angemessenen Zeit zu Ende zu bringen.”
Die übrigen Beurteilungsmerkmale beurteilte er mit durchschnittlich, gut durchschnittlich und überdurchschnittlich. Über den Widerspruch der Antragstellerin gegen diese Beurteilung ist noch nicht entschieden.
Der Antragsgegner verfügte am 29. Januar 1998 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG die Entlassung der Antragstellerin aus dem Richterverhältnis auf Probe mit Wirkung zum 16. März 1998, nachdem ihr zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war und der Präsidialrat der Entlassung am 21. Januar 1998 zugestimmt hatte. Zur Begründung der Entlassung führte der Antragsgegner im wesentlichen aus, die Antragstellerin sei zur Ausübung des Richteramtes nicht geeignet. Ihre als unterdurchschnittlich eingestufte Dispositionsfähigkeit betreffe die zentrale Fähigkeit eines Richters im Eingangsamt, sich mit einer Vielzahl von Verfahren auseinanderzusetzen und diese planvoll und ökonomisch gleichzeitig zu bearbeiten. Die Antragstellerin werde zwar einem Teil der beruflichen Anforderungen, etwa im Bereich des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks, gerecht. Maßgeblich für die Entlassung sei jedoch ihre fehlende generelle Einsetzbarkeit als Richterin. Dieser stünden ihre im Bereich der Dispositionsfähigkeit aufgezeigten Leistungen entgegen, die auch in der Sozialgerichtsbarkeit von besonderer Bedeutung seien. Die anfänglichen, bereits in der Beurteilung vom 4. November 1993 zum Ausdruck kommenden Schwächen der Antragstellerin hätten sich bis zum Ablauf des vierten Jahres ihrer Probezeit verstärkt. Deshalb sei davon auszugehen, daß die Antragstellerin den Anforderungen an eine Richtertätigkeit auch während des Ablaufs eines weiteren Jahres nicht gerecht würde.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner durch Bescheid vom 1. März 1999 zurück.
Die Antragstellerin hat mit ihrer beim Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Schwerin erhobenen Klage die Aufhebung der Entlassungsverfügung und des Widerspruchsbescheids beantragt. Das Dienstgericht hat diesen Antrag durch das angefochtene Urteil vom 24. Mai 2000 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Entlassungsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei formell und materiell rechtmäßig. Die Mitwirkung des Präsidialrats sei nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Vorsitzende des Präsidialrats, der Präsident des Landessozialgerichts, als Dienstvorgesetzter der Antragstellerin mit der beabsichtigten Entlassung befaßt gewesen sei. Die Beurteilung des Antragsgegners, die Antragstellerin sei für das Richteramt nicht geeignet, könne als Akt wertender Erkenntnis nur beschränkt nachgeprüft werden. Der Antragsgegner habe den Begriff der Eignung zutreffend erkannt und die Grenze des Beurteilungsspielraums nicht verletzt.
Mit der Revision verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Die Revision ist gemäß §§ 79 Abs. 2, 80 Abs. 2 DRiG, § 45 Abs. 2 RiG MV zulässig. Gegen erstinstanzliche Urteile des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Schwerin in Prüfungsverfahren ist nur die Revision, nicht aber die Berufung statthaft.
1. Nach dem Landesrecht Mecklenburg-Vorpommerns findet, wie der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Rostock in dem vorliegenden Verfahren durch Beschluß vom 14. August 2001 – DGH 2/00 – zu Recht entschieden hat, in Prüfungsverfahren keine Berufung statt.
a) Gemäß § 33 RiG MV entscheidet der Dienstgerichtshof lediglich über Berufungen in Disziplinarverfahren und über Beschwerden. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist eine Berufung in Prüfungsverfahren nicht vorgesehen. Dies wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs eines Landesrichtergesetzes (LT MV Drs. 1/347, S. 30) regelt § 33 RiG MV die sachliche Zuständigkeit des Dienstgerichtshofs als zweite Instanz, soweit nicht das Bundesrecht als zweite Instanz die Revision zum Dienstgericht des Bundes vorsieht. Daraus geht hervor, daß in allen in § 33 RiG MV nicht erfaßten Verfahren, mithin auch in Prüfungsverfahren, nur die Revision, nicht aber die Berufung statthaft sein soll.
b) Die Statthaftigkeit der Berufung in Prüfungsverfahren kann auch nicht aus den §§ 45 und 51 RiG MV hergeleitet werden. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 RiG MV gelten für Prüfungsverfahren die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, soweit das Landesrichtergesetz nichts anderes bestimmt. Da § 33 RiG MV die Zuständigkeit des Dienstgerichtshofes für Berufungen regelt, kommen die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Berufung nicht zur Anwendung.
Die Regelung der sachlichen Zuständigkeit des Dienstgerichtshofes in § 33 RiG MV ist abschließend. § 45 Abs. 2 RiG MV, wonach den Beteiligten gegen Urteile der Richterdienstgerichte die Revision nach Maßgabe des § 80 DRiG zusteht, erweitert die sachliche Zuständigkeit des Dienstgerichtshofes nicht. Richterdienstgerichte sind zwar gemäß § 31 Satz 1 RiG MV sowohl das Dienstgericht für Richter als auch der Dienstgerichtshof für Richter. Gleichwohl kann aus § 45 Abs. 2 RiG MV nicht geschlossen werden, daß der Dienstgerichtshof für Berufungen in Prüfungsverfahren zuständig sei, weil es andernfalls keine Urteile des Dienstgerichtshofes gäbe, gegen die sich die Revision richten könnte. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 45 Abs. 2 RiG MV lassen nicht erkennen, daß die Vorschrift die sachliche Zuständigkeit des Dienstgerichtshofes über § 33 RiG MV hinaus ausdehnen soll. Die Begründung des Regierungsentwurfs eines Landesrichtergesetzes (LT MV Drs. 1/347, S. 33) bringt vielmehr zum Ausdruck, daß § 45 Abs. 2 RiG MV nur deklaratorischen Charakter hat. In der Regierungsbegründung wird nämlich ausgeführt, daß in Prüfungsverfahren die Revision an das Dienstgericht des Bundes zuzulassen sei, folge aus den unmittelbar für Bund und Länder geltenden Vorschriften der §§ 79 Abs. 2 und 80 Abs. 2 DRiG. Da § 45 Abs. 2 RiG MV mithin keine Regelung der sachlichen Zuständigkeit des Dienstgerichtshofes enthält, kann die Vorschrift auch nicht als die für Prüfungsverfahren speziellere Regelung Vorrang vor § 33 RiG MV haben.
Dasselbe gilt, anders als die Revision meint, für § 51 Abs. 1 RiG MV, der die Aussetzung von Prüfungsverfahren durch das Richterdienstgericht, d.h. das Dienstgericht für Richter und den Dienstgerichtshof für Richter, regelt. § 51 Abs. 1 RiG MV ist auf den vorliegenden Fall der Anfechtung einer Verfügung, durch die ein Richter auf Probe entlassen wird, nicht anwendbar. Er gilt nur für die Anfechtung von Maßnahmen der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG. Insoweit regelt er nicht die sachliche Zuständigkeit des Dienstgerichtshofes, sondern soll sicherstellen, daß ausschließlich die Richterdienstgerichte über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Maßnahmen der Dienstaufsicht entscheiden, diese Gerichte aber in Prüfungsverfahren nicht auch über andere Anfechtungsgründe urteilen (Begr. RegEntw eines LRiG; LT MV Drs. 1/347, S. 33).
2. Die Unstatthaftigkeit der Berufung nach dem RiG MV verstößt nicht gegen bundesrahmenrechtliche Vorgaben für das Prüfungsverfahren. §§ 71 Abs. 1 Satz 1, 79 Abs. 1 und 2 sowie 80 Abs. 2 DRiG bestimmen lediglich, daß das Verfahren vor den Dienstgerichten aus mindestens zwei Rechtszügen besteht und die Revision stets zulässig ist. Damit wird die Einrichtung eines Berufungsverfahrens durch das Landesrecht zugelassen, aber nicht verbindlich vorgeschrieben. Der Verzicht auf ein Berufungsverfahren ist auch nicht etwa deshalb rahmenrechtswidrig, weil er einen Ausschluß der Revision zur Folge hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29. März 2000 – RiZ (R) 4/99, BGHZ 144, 123, 132). § 45 Abs. 2 RiG MV läßt gegen erstinstanzliche Urteile des Dienstgerichts die Revision an das Dienstgericht des Bundes nach Maßgabe des § 80 DRiG ausdrücklich zu.
II.
Die Revision ist unbegründet.
Die auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützte Entlassung der Antragstellerin aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die formellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
a) Die Antragstellerin wurde mit der angegriffenen Entlassungsverfügung zum 16. März 1998, dem Ablauf des vierten Jahres nach ihrer Ernennung zur Richterin auf Probe, verlängert um die Zeit des Erziehungsurlaubs (§ 22 Abs. 4 DRiG), entlassen. Die Entlassungsverfügung wurde ihr unter Beachtung der Frist von sechs Wochen vor dem Entlassungstag (§ 22 Abs. 5 DRiG) am 29. Januar 1998 ausgehändigt.
b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht der formellen Rechtmäßigkeit ihrer Entlassung nicht entgegen, daß sie den Präsidenten des Landessozialgerichts in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidialrats aufgrund seiner Befassung mit Teilen des Entlassungsverfahrens wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, bevor der Präsidialrat ihrer Entlassung zustimmte.
Der Präsident des Landessozialgerichts ist gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1 RiG MV Vorsitzender des Präsidialrats der Sozialgerichtsbarkeit. Zugleich ist er Dienstaufsichtsbehörde für alle Sozialgerichte Mecklenburg-Vorpommerns (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes Mecklenburg-Vorpommern) und wirkt in aller Regel bei der Vorbereitung von Entscheidungen über die Entlassung von Richtern auf Probe mit. Seine darauf beruhende Sachkunde soll auch für die Stellungnahme des Präsidialrats genutzt werden. Aus seiner Tätigkeit als Dienstaufsichtsbehörde können daher keine Bedenken gegen seine Mitwirkung im Präsidialrat hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1976 – RiZ (R) 2/75, DRiZ 1976, 317). Auf den Rechtsgedanken des § 54 Abs. 2 VwGO kann sich die Antragstellerin danach nicht berufen. Sie hat auch keinen Grund vorgetragen, der geeignet wäre, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung des Präsidenten des Landessozialgerichts zu rechtfertigen (§ 21 Abs. 1 VwVfG MV).
2. Die Entlassungsverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes stellt die Entscheidung der Frage, ob ein Richter auf Probe für das Richteramt geeignet ist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG), einen Akt wertender Erkenntnis dar. Dieser gewährt dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob der Begriff der Eignung verkannt oder ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BGH, Urteile vom 24. November 1970 – RiZ (R) 1/69, DRiZ 1971, 91 f., vom 25. August 1992 – RiZ (R) 2/92, Urt.Umdr. S. 8 und vom 22. September 1998 – RiZ (R) 2/97, DRiZ 1999, 141, 143; vgl. allg. zu normativ eröffneten Beurteilungsspielräumen von Behörden: BVerfGE 88, 40, 56; 103, 142, 156 f.).
a) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat der Dienstherr den Begriff der Eignung nicht verkannt. Der Antragsgegner ist in der Entlassungsverfügung davon ausgegangen, daß ein Richter auf Probe nur dann für das Richteramt geeignet ist, wenn er willens und in der Lage ist, ein nicht übermäßig belastetes richterliches Dezernat ohne erhebliche Verzögerungen zu bewältigen, indem er die anhängigen Verfahren gleichzeitig, planvoll und ökonomisch bearbeitet. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Eine funktionsfähige Rechtspflege, die der Staat zu gewährleisten hat, erfordert Richter, die bereit und in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung zügig zu erledigen (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 1976 – RiZ (R) 2/75, DRiZ 1976, 317, 318 und vom 22. September 1998 – RiZ (R) 2/97, DRiZ 1999, 141, 143). An das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein sowie an die Einsatzbereitschaft eines Richters sind angesichts der richterlichen Unabhängigkeit, die die Einflußmöglichkeiten des Dienstherrn erheblich einschränkt, hohe Anforderungen zu stellen. Ein Richter, dessen Aktenbearbeitung auch nach mehrjähriger richterlicher Tätigkeit mangelhaft ist, und dessen Dispositionsfähigkeit unzureichend, d.h. der nicht ausreichend in der Lage ist, gründlich und konzentriert zu arbeiten und Verfahren angemessen zu fördern und planvoll in angemessener Zeit abzuschließen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht und ist für die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit nicht geeignet. Das gilt auch dann, wenn die Fähigkeiten und Leistungen des Richters in anderen Teilbereichen durchschnittlich oder besser sind. Daß der Antragsgegner andere Beurteilungsmerkmale, wie etwa den mündlichen und schriftlichen Ausdruck, in der Entlassungsverfügung nur kurz erwähnt hat, ohne sie im einzelnen gegen die Mängel der Dispositionsfähigkeit abzuwägen, bedeutet deshalb entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht, daß der Antragsgegner den Begriff der Eignung verkannt hat. Es ist danach aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß wegen dieser in den Beurteilungen vom 5. November 1996 und vom 16. Dezember 1997 festgestellten Mängel der Dispositionsfähigkeit der Antragstellerin ihre Eignung für das Richteramt verneint worden ist.
b) Der Antragsgegner ist auch nicht von einem unrichtigen oder unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen.
aa) Er durfte die Beurteilungen des Präsidenten des Landessozialgerichts vom 5. November 1996 und 16. Dezember 1997 der Entlassungsverfügung zugrunde legen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes darf sich der Justizminister bei ihm obliegenden Personalentscheidungen insbesondere auf Beurteilungen der Präsidenten oberster Landesgerichte verlassen, solange er keinen vernünftigen Anlaß hat, ihre Zuverlässigkeit zu bezweifeln (BGH, Urteile vom 29. September 1975 – RiZ (R) 1/75, DRiZ 1976, 23, 24 und vom 10. Juli 1996 – RiZ (R) 3/95, DRiZ 1996, 454). Die rechtskräftige Entscheidung über die von der Antragstellerin gegen die Beurteilungen erhobenen Rechtsmittel mußte er nicht abwarten. Dem Rechtsschutz eines von einer Entlassungsverfügung betroffenen Richters auf Probe wird dadurch genügt, daß er die Möglichkeit hat, dem Dienstherrn im Wege einstweiligen Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten die Verwendung einer angefochtenen Beurteilung untersagen zu lassen (BGH, Urteil vom 25. Mai 1998 – RiZ (R) 1/97, LM DRiG § 22 Nr. 8). Diesen Weg hat die Antragstellerin nicht beschritten.
Die eigene Bewertung des Antragsgegners, die Beurteilungen vom 5. November 1996 und vom 16. Dezember 1997 seien nicht erkennbar rechtswidrig, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin macht ohne Erfolg geltend, der Präsident des Landessozialgerichts habe zu ihren Ungunsten berücksichtigt, daß sie nur eine Halbtagsstelle inne hatte. Die Beurteilungen selbst enthalten hierfür keinen Anhaltspunkt. Der Präsident des Landessozialgerichts hat zwar in einem Bericht vom 28. Januar 1998 an den Antragsgegner, also nach Erstellung der Beurteilungen, ausgeführt, die Durchsicht der Akten aus dem Jahre 1997 habe in der Gesamtschau eine unzureichende Leistung gezeigt, obwohl die Antragstellerin wußte, daß ihr bereits eine unzulängliche Beurteilung erteilt worden war, und sie nur eine Halbtagsstelle inne hatte. Auch dieser Bemerkung ist nicht zu entnehmen, daß die Ermäßigung der Beschäftigungszeit der Antragstellerin sich zu ihrem Nachteil auf die Beurteilungen vom 5. November 1996 und 16. Dezember 1997 ausgewirkt hat. Soweit die Bemerkung zum Ausdruck bringen sollte, daß die Antragstellerin aufgrund ihrer ermäßigten Beschäftigungszeit zusätzlichen Anlaß hatte, sich nach der Beurteilung vom 5. November 1996 um eine Leistungssteigerung zu bemühen, bedeutet auch dies nicht, daß ihre tatsächliche Leistung rechtsfehlerhaft beurteilt worden ist.
Anders als die Revision meint, gaben die Beurteilungen des Präsidenten des Landessozialgerichts auch nicht deshalb Anlaß zu Zweifeln, weil er die Arbeitsweise der Antragstellerin allein aufgrund der Verfahrensakten ohne Heranziehung von Beiakten gewürdigt hat. Die Revision zeigt mit ihren Ausführungen zu dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz und zu der Bedeutung von Beiakten nicht auf, in welchen für die dienstlichen Beurteilungen ausgewerteten Verfahren Akten beigezogen worden waren und welche Bedeutung sie für die weitere Förderung der Verfahren hatten.
bb) Auch die Rügen der Revision, der Antragsgegner habe wesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt, greifen nicht durch.
(1) Das gilt zunächst für die Rüge, es sei unberücksichtigt geblieben, daß der Bestand an Altverfahren, der für die Entlassung der Antragstellerin von wesentlicher Bedeutung gewesen sei, im Jahre 1998 zurückgegangen sei.
Die Anzahl der Altverfahren im Dezernat der Antragstellerin ist weder in den Beurteilungen des Präsidenten des Landessozialgerichts vom 5. November 1996 und vom 16. Dezember 1997 noch in der Entlassungsverfügung des Antragsgegners erwähnt. Der Widerspruchsbescheid enthält insoweit lediglich die zutreffende Feststellung, daß ausweislich der Jahresstatistik zum 1. Januar 1998 in dem von der Antragstellerin betreuten halben Dezernat die weitaus meisten sog. „Altfälle” des Sozialgerichts St. anhängig gewesen seien. Daß es sich bei dem Bestand an Altfällen um ein zentrales Argument des Antragsgegners gehandelt habe, trifft danach entgegen der Ansicht der Revision nicht zu.
(2) Der Umstand, daß der Leistungsbericht des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht B. vom 22. September 1995 und der Bericht des Direktors des Sozialgerichts St. vom 8. Februar 1996 in der Entlassungsverfügung nicht erwähnt werden, läßt nicht erkennen, daß der Antragsgegner von einem unrichtigen, weil unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Der Leistungsbericht des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht B. gehört zu den Grundlagen der dienstlichen Beurteilung des Präsidenten des Landessozialgerichts vom 15. November 1995, die in der Entlassungsverfügung berücksichtigt worden ist. Der Bericht des Direktors des Sozialgerichts St. vom 8. Februar 1996 bedurfte in der Entlassungsverfügung keiner Erwähnung, weil der Direktor des Sozialgerichts St. nicht Dienstvorgesetzter der Antragstellerin war und für ihre dienstliche Beurteilung nicht zuständig ist. Die Tätigkeit der Antragstellerin in der kurzen Zeit vom 1. Oktober 1995 bis zum 8. Februar 1996, die Gegenstand des Berichts vom 8. Februar 1996 ist, wird in der dienstlichen Beurteilung vom 5. November 1996 vom zuständigen Dienstvorgesetzten bewertet.
cc) Die Rüge der Revision, der Antragsgegner habe aufgrund der vorliegenden Beurteilungen Feststellungen getroffen, die daraus nicht entnommen werden könnten, ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist der Antragsgegner nicht davon ausgegangen, die Antragstellerin sei in drei aufeinanderfolgenden Beurteilungen als ungeeignet angesehen worden. Der Entlassungsverfügung ist dafür nichts zu entnehmen; auf die von der Revision angesprochenen Ausführungen im dienstgerichtlichen Verfahren kommt es insoweit nicht an.
Die Bemerkung in der Entlassungsverfügung, die in der Beurteilung vom 4. November 1993 zum Ausdruck gekommenen Schwächen hätten sich im Laufe der weiteren Probezeit verstärkt, wird von den vorliegenden Beurteilungen getragen. In der Beurteilung vom 4. November 1993 ist die Dispositionsfähigkeit der Antragstellerin mit durchschnittlich bewertet und ihre Eignung als Richterin in der Sozialgerichtsbarkeit bejaht worden. In den Beurteilungen vom 5. November 1996 und 16. Dezember 1997 hat der Präsident des Landessozialgerichts die Eignung der Antragstellerin jeweils verneint und ihre Dispositionsfähigkeit mit unterdurchschnittlich bzw. weit unterdurchschnittlich bewertet.
III.
Die Revision der Antragstellerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren entsprechend §§ 13 Abs. 4 Satz 1 b, 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 GKG auf 21.892,70 EUR (= 42.818,40 DM) festgesetzt.
Unterschriften
Nobbe, Meyer, Solin-Stojanović, Spellbrink, Joeres
Fundstellen