Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstückskauf. Zurückerstattung einer Stellplatzauflage nach Erlöschen der Baugenehmigung an den Verkäufer. Kein Herausgabeanspruch des Käufers
Leitsatz (amtlich)
Der Käufer, der als Rechtsnachfolger in die Rechte des Verkäufers aus einer Baugenehmigung eingetreten ist, kann die Stellplatzablösesumme, die diesem wegen Erlöschens der Baugenehmigung erstattet worden ist, nicht herausverlangen.
Normenkette
BGB §§ 157, 313
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Kassel |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des OLG Frankfurt/M. v. 14.12.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Kassel v. 11.4.2001 zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte war Eigentümerin des Grundstücks H. Straße 23 in K. . Am 20.12.1991 erhielt sie die Genehmigung zur Errichtung eines Appartment-Hotels. Die Genehmigung war mit einer Stellplatzauflage verbunden, die zum Teil durch Zahlung abgelöst werden konnte. Auf Grund einer Vereinbarung v. 22.7.1992 zahlte die Beklagte eine Ablösesumme von 175.950 DM an die Stadt. Mit notariellem Vertrag v. 14.9.1994 verkaufte sie das Grundstück, auf dem die Bauarbeiten aufgenommen worden waren, für 1.802.700,01 DM an den Kläger. Dieser hatte sich mit der Absicht getragen, den Bau als Wohn-, Büro- und Geschäftshaus weiterzuführen, nahm aber im Hinblick auf die Entwicklung des Immobilienmarktes am Ort von der Baumaßnahme Abstand. Die Stadt zahlte die Ablösesumme nach Erlöschen der Baugenehmigung an die Beklagte zurück.
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung in Höhe der Ablösesumme in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat ihr i. H. v. 165.950 DM stattgegeben.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des LG.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, in ergänzender Auslegung des Kaufvertrags der Parteien sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Rechte aus der mit der Stadt getroffenen Ablösevereinbarung an den Kläger abzutreten. Nach Rückerstattung habe sie die Summe an diesen weiterzugeben. Da der Kläger mit Erwerb des Eigentums in die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Rechte eingetreten sei, sei ihm die Ablösesumme zugute gekommen. Ein gesonderter Ausgleich hierfür sei im Kaufvertrag nicht vorgesehen gewesen. Dies spreche dafür, dass die Beklagte ihm bei Nichtausführung des Baus den Rückerstattungsanspruch zu überlassen habe. Anderenfalls würde das ausgewogene Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, das zu vermuten sei, durchbrochen.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
I.
1. Der Rückzahlung der Ablösesumme an die Beklagte durch eine ergänzende Auslegung des Kaufvertrags der Parteien Rechnung zu tragen, ist nicht möglich. Eine ergänzende Auslegung kann das Gericht nicht bereits dann vornehmen, wenn ein Vertrag einen Punkt, der sich im Streitfall als erheblich erweist, offen lässt. Erforderlich ist vielmehr eine planwidrige Lücke des Vereinbarten (BGH v. 25.6.1980 - VIII ZR 260/79, BGHZ 77, 301 [304] = MDR 1981, 45; v. 21.9.1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138 [142] = MDR 1994, 1211). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urt. v. 20.3.1985 - VIII ZR 64/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 2581 f.). Die Lücke tritt in diesen Fällen in einem Bereich auf, den die Parteien als regelungsbedürftig angesehen haben (BGH, Urt. v. 14.1.2000 - V ZR 416/97, UR 2000, 247 = MDR 2000, 634 = BGHR BGB § 157, Ergänzende Auslegung 23); das Ergänzungsbedürfnis entsteht innerhalb der wirklich gewollten Vereinbarungen (BGH, Urt. v. 11.12.1991 - XII ZR 63/90, BGHR BGB § 157, Ergänzende Auslegung 14). Die Lücke muss zwar nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch, was hier allein infrage kommen könnte, infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urt. v. 19.6.1980 - III ZR 182/78, MDR 1981, 121 = NJW 1981, 219 [220]). Im Gegensatz zu den Grundsätzen über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die einer Anpassung des Gewollten an die Wirklichkeit oder dessen Liquidation bei Scheitern der Anpassung dienen, geht es bei der ergänzenden Vertragsauslegung, auch soweit sie durch nachträgliche Umstände veranlasst ist, darum, den in dem Vereinbarten zutage tretenden Planvorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr Ansatzpunkt besteht daher in der Ermittlung dessen, was die Parteien (bei angemessener Abwägung ihrer Interessen und als redliche Vertragspartner) zur Schließung der Lücke selbst unternommen hätten (hypothetischer rechtsgeschäftlicher Wille: BGH v. 1.2.1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 [77] = MDR 1984, 750; v. 21.9.1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138 [142] = MDR 1994, 1211).
Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass der Kaufvertrag der Parteien rechtlich auf einen über den Leistungsaustausch hinausgehenden Erfolg gerichtet gewesen wäre. Mit Erwerb des Eigentums an dem Grundstück rückte der Kläger allerdings, wovon das Berufungsgericht nach § 61 Abs. 8 HBO ausgeht, der "für Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger" die Geltung der Verwaltungsakte anordnet, in die Rechtsstellung der Beklagten als Adressatin der Baugenehmigung ein. Dieses unmittelbar auf gesetzlicher Anordnung, nur mittelbar auf vertraglicher Gestaltung beruhende Ergebnis mag zwar, wozu Feststellungen allerdings fehlen, vom vertraglichen Regelungszweck erfasst worden sein. Jeder Anhaltspunkt fehlt aber dafür, dass dem Kläger mehr als die rechtliche Möglichkeit, das Bauvorhaben unter Ausnutzung der Stellplatzablösung durchzuführen, geboten werden sollte. Ob er hiervon Gebrauch machte oder nicht, lag allein in seiner durch das Eigentum begründeten Befugnis, mit dem Baugrundstück nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB). Im Übrigen konnte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen noch nicht einmal davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die rechtlich gesicherte Möglichkeit verschafft werden sollte, die von ihm, abweichend von den genehmigten Plänen (Hotel), beabsichtigte Bebauung (Wohn-, Büro- und Geschäftshaus) unter Ausnutzung der Stellplatzablösung zu verwirklichen. Auch der Kläger ging, wie die vorgelegte Korrespondenz mit der Stadtverwaltung zeigt, davon aus, dass zur Verwirklichung seines Vorhabens eine Änderungsgenehmigung erforderlich war. Aus der Feststellung des Berufungsgerichts, dass für die Parteien bei Kaufabschluss kein Anlass bestanden habe, "über eine mögliche Rückerstattung des Ablösebetrages bei Nichtbebauung des Grundstücks nachzudenken", kann somit nicht gefolgert werden, ihre Vereinbarung sei lückenhaft.
2. Auch eine Anpassung des Kaufvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nicht infrage. Geschäftsgrundlage, wenn nicht Vertragsinhalt (dazu oben zu 1.), mag die Möglichkeit des Klägers gewesen sein, die Rechte aus der Baugenehmigung v. 20.12.1991 auszuüben. Dafür, dass nach den beiderseitigen oder für die jeweilige Gegenseite erkennbaren Vorstellungen der Parteien der gemeinsame Geschäftswille darauf beruht hätte, dass der Kläger von der erworbenen öffentlich-rechtlichen Stellung auch Gebrauch machte und sich so den Vorteil der Stellplatzablösung sicherte (BGH v. 5.1.1995 - IX ZR 85/94, BGHZ 128, 230 [236] = MDR 1995, 1025), sind keine Anhaltspunkte gegeben. Die vom Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung erörterten Umstände geben hierfür nichts her. Bei der Prüfung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung übersieht das Berufungsgericht, dass die Leistung der Beklagten sich darauf beschränkte, dem Kläger mit dem Eigentum die Möglichkeit zu verschaffen, die Baugenehmigung mit Stellplatzablösung zu nutzen. Der Umstand, dass er hiervon aus in seinem Bereich liegenden Gründen absah, führt nicht zu einer Äquivalenzstörung. Schon gar nicht würde dies gelten, wenn die Stellplatzablösung, wovon das Berufungsgericht (möglicherweise) ausgeht, nicht einmal Eingang in die Kaufpreiskalkulation der Beklagten gefunden hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 1099294 |
DB 2004, 926 |
DStZ 2004, 463 |
BGHR 2004, 425 |
EBE/BGH 2004, 45 |
NJW-RR 2004, 554 |
DNotI-Report 2004, 46 |
MittBayNot 2004, 185 |
ZfIR 2004, 531 |
DNotZ 2004, 705 |
MDR 2004, 443 |
ZfBR 2004, 390 |
BTR 2004, 136 |
GV/RP 2004, 567 |
GuT 2004, 46 |
RdW 2004, 209 |
ZNotP 2004, 145 |
IWR 2004, 69 |
ImmoStR 2004, 297 |