Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages über Bauplanung und Bauüberwachung für ein Einfamilienhaus mit Souterrainwohnung, dass die Verjährung mit der Bezugsfertigkeit beginnt, so ist diese Vereinbarung dahin auszulegen, dass die Bezugsfertigkeit jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn die als Zugang zur Souterrainwohnung vorgesehene Außentreppe noch nicht fertig gestellt ist.
Normenkette
BGB § 157
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 31.10.2002) |
LG Trier |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 31.10.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem beklagten Architekten Schadensersatz. Die Parteien streiten vorrangig darüber, ob der Anspruch des Klägers verjährt ist.
Im April 1991 beauftragte der Kläger den Beklagten mit sämtlichen Leistungsphasen des § 15 Abs. 2 HOAI mit Ausnahme der Objektbetreuung und Dokumentation für den Neubau eines Wohnhauses mit Einliegerwohnung. Die Parteien vereinbarten, dass die Dauer der Gewährleistung und Haftung fünf Jahre nach Bezugsfertigkeit betragen solle.
Der Kläger bezog im November 1992 das Haus. Zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht begonnen worden. Ein Zugang zu der Einliegerwohnung im Souterrain war zu diesem Zeitpunkt durch den Keller des Klägers möglich. Die geplante Außentreppe war noch nicht errichtet. Der Kläger behauptet, die Treppenanlage sei erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1993 errichtet worden. Zum 1.9.1993 wurde die Einliegerwohnung vermietet.
Im Sommer 1996 entdeckte der Kläger an der Innenwand der Küche unterhalb des Balkons des ersten Obergeschosses einen feuchten Fleck mit einer Größe von ca. 5x 10 cm. Der Beklagte begutachtete den Fleck. Die Äußerungen des Beklagten dem Kläger gegenüber anlässlich der Besichtigung sind zwischen den Parteien streitig. Der Fleck verschwand in der Folgezeit. Im Dezember 1997 traten unterhalb des Balkons im ersten Obergeschoss zwei nasse Streifen auf. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe an einer Ortsbesichtigung teilgenommen.
Ein vom Kläger in Auftrag gegebenes Privatgutachten ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Feuchtigkeitserscheinungen auf Planungs- und Ausführungsfehler zurückzuführen sind, zu deren Beseitigung ein Kostenaufwand i. H. v. 21.560,03 DM erforderlich sein soll.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Ansprüche des Klägers seien verjährt. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat ohne weitere Begründung die Revision mit dem Hinweis zugelassen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht meint, etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers seien verjährt.
Die vereinbarte Verjährungsfrist von fünf Jahren sei bei Klageerhebung im Jahre 2001 abgelaufen gewesen. Sie habe mit dem Einzug des Klägers im November 1992 begonnen, weil das Gebäude zu diesem Zeitpunkt bezugsfertig gewesen sei. Eine Wohnung sei bezugsfertig, wenn dem Erwerber auf Grund des erreichten Baubestandes deren Bezug zugemutet werden könne. Diese Voraussetzungen hätten im November 1992 sowohl für die Hauptwohnung als auch für die Einliegerwohnung im Souterrain vorgelegen. Es sei unerheblich, dass die Außentreppe für die Einliegerwohnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gestellt gewesen sei. Es genüge für die Bezugsfertigkeit, dass die Einliegerwohnung durch die Kellerräume des Klägers zugänglich gewesen sei. Die Kläger hätten zu diesem Zeitpunkt Mängel des Hauses bereits feststellen können.
Ansprüche des Klägers unter dem Aspekt der Sekundärhaftung des Beklagten seien nicht begründet. Der Beklagte habe sich 1996 nicht pflichtwidrig verhalten. Im Hinblick auf den nach Augenschein nicht erheblichen Mangel sei es nicht erforderlich gewesen, umfangreiche Untersuchungen hinsichtlich der Schadensursache anzustellen. Es sei angemessen gewesen, zunächst zu versuchen, den Schaden mit einfachen Maßnahmen zu beseitigen. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte Ende 1997 und später erneut mit Feuchtigkeitserscheinungen konfrontiert worden sei. Denn zu diesen Zeitpunkten sei der Anspruch bereits verjährt gewesen.
II.
Die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist verfahrensfehlerhaft. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, es handelt sich um eine typische Einzelfallentscheidung. Der Senat ist jedoch an die Revisionszulassung gebunden.
III.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten teilweise einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Beklagte habe bei der Untersuchung im Sommer 1996 seine Pflichten verletzt, sodass nach der Rechtsprechung des Senats eine Verjährungsfrist von dreißig Jahren laufe.
a) Der Architekt hat im Rahmen seines jeweiligen Aufgabenbereichs dem Bauherrn bei der Behebung von Leistungsmängeln zur S. zu stehen. Er hat dabei nicht nur die Rechte des Auftraggebers gegenüber den Bauunternehmern zu wahren, ihm obliegt auch die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn hierzu eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören. Unterlässt es der mit der Planung und Bauüberwachung beauftragte Architekt, die Ursachen einer in unverjährter Zeit aufgetretenen Mangelerscheinung zu untersuchen und den Bauherrn über das Ergebnis seiner Untersuchung und über die technischen Möglichkeiten der Beseitigung des Mangels und die Haftung zu informieren, dann haftet der Architekt aus positiver Vertragsverletzung. Auf die Verjährung des Gewährleistungsanspruchs kann er sich nicht berufen (BGH, Urt. v. 16.3.1978 - VII ZR 145/76, BGHZ 71, 144 [147 f.]; Urt. v. 4.10.1984 - VII ZR 342/83, BGHZ 92, 251 = MDR 1985, 222; Urt. v. 26.9.1985 - VII ZR 50/84, BauR 1986, 112 = ZfBR 1986, 17; Urt. v. 11.1.1996 - VII ZR 85/95, MDR 1996, 687 = BauR 1996, 418 = ZfBR 1996, 155; Urt. v. 4.4.2002 - VII ZR 143/99, BGHReport 2002, 978 = BauR 2002, 1718 = NZBau 2002, 617 = ZfBR 2002, 769).
b) Welche Maßnahmen ein Architekt im Einzelfall vornehmen muss, um auf eine Mängelerscheinung im Sinne der Rechtsprechung des Senats angemessen zu reagieren, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Beklagte angesichts des kleinen Flecks in der Küche noch nicht verpflichtet war, durch Eingriffe in die Bausubstanz eventuelle Ursachen zu klären. Es lagen mehrere Möglichkeiten auf der Hand, wonach die Ursache nicht ein Konstruktions- und Planungsfehler war. Der Beklagte durfte sich darauf beschränken, die als geeignet erscheinende Maßnahme vorzuschlagen und deren Erfolg abzuwarten. Im Hinblick darauf, dass der Feuchtigkeitsfleck wieder verschwand und der Beklagte zunächst nicht weiter eingeschaltet worden ist, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Pflichtverletzung nach der ersten Untersuchung verneint.
2. Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verjährung habe im November 1992 begonnen, weil das Haus bezugsfertig gewesen sei.
a) Das Berufungsgericht trifft keine Feststellungen dazu, ob die Regelung, nach der die Gewährleistungsdauer mit "fünf Jahre nach Bezugsfertigkeit" vereinbart ist, auf einer vom Beklagten gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingung beruht oder ob sie individuell ausgehandelt ist. Der Umstand, dass die betreffende Vereinbarung maschinenschriftlich in ein möglicherweise von dem Beklagten gestelltes Formular eingetragen ist, führt nicht zwingend zu einer individuellen Vereinbarung. Handelt es sich um eine von dem Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, ist die Vereinbarung unwirksam, § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Denn sie verstößt gegen wesentliche Grundgedanken des Gesetzes. Danach beginnt die Verjährung mit der Abnahme. Das gilt auch für einen Architektenvertrag über die Planung und Bauüberwachung. Auf diese Frage kommt es jedoch in der Revision nicht an, denn auch dann, wenn eine individuelle Vereinbarung vorliegt, ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Verjährungsfrist habe im November 1992 begonnen, nicht haltbar.
b) Die Vereinbarung, nach der die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Architekten mit der Bezugsfertigkeit beginnt, muss interessengerecht ausgelegt werden. Das hat das Berufungsgericht unterlassen, indem es die Bezugsfertigkeit bereits in einem Zeitpunkt angenommen hat, in dem wesentliche Leistungen für den vertraglich vereinbarten Zugang zu einem wesentlichen Teil des errichteten Bauwerks fehlten.
In der Revision ist davon auszugehen, dass der Zugang zur Souterrainwohnung nicht mehr über das Hausinnere, sondern über eine noch zu errichtende Außentreppe erfolgen sollte. Die vom Beklagten geschuldete Bauüberwachung bezog sich auf diese Leistung. Solange die Außentreppe zur Souterrainwohnung nicht errichtet war, war das Bauwerk nicht bezugsfertig. Zur Bezugsfertigkeit gehört jedenfalls die Herstellung des nach der vertraglichen Vereinbarung zu errichtenden gewöhnlichen Zugangs zum Bauobjekt. Denn der Zugang ist ein zentrales Element für den Bezug. Ist für eine Souterrainwohnung ein Zugang über eine Außentreppe vorgesehen, muss diese Treppe errichtet sein. Dem Besteller ist es nicht zuzumuten, das Objekt entgegen der vertraglichen Vereinbarung über einen möglichen Kellerzugang zu nutzen.
Das Berufungsgericht verkennt bei seiner gegenteiligen Würdigung, dass es nicht auf die Bezugsfertigkeit des überwiegenden Teils des Hauses ankommt, sondern auf die Bezugsfertigkeit des gesamten Hauses. Die Bezugsfertigkeit des gesamten Hauses liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor, wenn eine vollständig abgeschlossene Wohnung nicht in zumutbarer Weise zugänglich ist. Darauf, dass bereits Mängel des Hauses feststellbar sind, kommt es nicht an. Eine Aufteilung des Beginns der Verjährung für Ansprüche wegen Mängeln, die im bezugsfertigen Teil feststellbar sind und für Mängel, die nicht feststellbar sind, verbietet sich nach der getroffenen Vereinbarung.
Fehlerhaft ist die Argumentation des Berufungsgerichts, die Bezugsfertigkeit werde schon dadurch dokumentiert, dass der Kläger in das Haus eingezogen sei. Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung ist nicht davon abhängig, wann und unter welchen Umständen der Bezug erfolgt.
IV.
Das Berufungsurteil hat danach keinen Bestand. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu klären haben, wann die Verjährung begonnen hat und ob der Beklagte in nicht verjährter Zeit erneut mit Feuchtigkeitserscheinungen konfrontiert worden ist. In diesem Fall hätte er die Mängelursache aufklären und den Kläger ggf. über die Möglichkeit der Haftung des Unternehmers oder seiner eigenen Haftung informieren müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 1159883 |
BGHR 2004, 1072 |
BauR 2004, 1171 |
NJW-RR 2004, 954 |
IBR 2004, 376 |
JurBüro 2005, 53 |
ZfIR 2004, 701 |
MDR 2004, 1112 |
MDR 2007, 254 |
ZfBR 2004, 559 |
BTR 2004, 177 |
BrBp 2004, 391 |
NZBau 2004, 396 |
RdW 2004, 440 |
BauRB 2004, 292 |
IWR 2004, 76 |
JWO-VerbrR 2004, 194 |
JbBauR 2006, 392 |