Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Ersatz des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrags und der Wertminderung bei einem beschädigten Hausgrundstück, das nach Schadenseintritt zu einem über dem Verkehrswert in unbeschädigtem Zustand liegenden Preis veräußert worden ist.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. November 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Berufung in Höhe von 114.000 DM nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt als frühere staatliche Verwalterin aus abgetretenem Recht im Betragsverfahren auf Ersatz Ende 1992 eingetretener Frostschäden an einem Hausgrundstück in Anspruch. Im Zeitpunkt des Schadenseintritts war E. R. als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, der mit Vertrag vom 3. August 1992 in Vollziehung eines elterlichen Wunsches den hälftigen Anteil dieses Grundbesitzes an seinen Bruder J. R. übertragen hatte; dieser wurde am 19. Juli 1993 als Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen. Zuvor, nämlich bereits mit notariellem Vertrag vom 6. Mai 1993, verkauften die beiden Brüder das Hausgrundstück ohne Gewähr für Güte, Größe und Beschaffenheit sowie ohne Gewähr für offene oder heimliche Mängel und Fehler zum Kaufpreis von 875.000 DM an die Klägerin und erklärten die Auflassung. In Bezug auf den den Vertragsbeteiligten bekannten Schadenseintritt und schwebende Verhandlungen wegen der Schadensregulierung heißt es in der Urkunde:
Verkäufer und Käuferin sind sich darüber einig, daß diese Schadenregelung bei Abschluß dieses Vertrages ausgeklammert werden soll. Denn sie haben zwecks Regelung dieser Ansprüche im Innenverhältnis besondere Vereinbarungen getroffen.
Mit Vereinbarungen vom 9./10. September 1993 traten die Verkäufer ihre Schadensersatzansprüche wegen des eingetretenen Schadens an die Klägerin ab, die am 24. November 1993 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde.
Die Klägerin hat – soweit hier von Interesse – zunächst wegen der für die Wiederherstellung erforderlichen Kosten Schadensersatz verlangt, nach Erörterung in der Berufungsinstanz jedoch Ersatz für die eingetretene Wertminderung begehrt. Das Berufungsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Senat hat die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil durch Beschluß vom 26. November 1998 (III ZR 203/97 – BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Staatlicher Verwalter 1 = VIZ 1999, 155) nicht angenommen. Im Betragsverfahren haben die Vorinstanzen einen Wertminderungsschaden verneint, weil das Hausgrundstück vor dem Schadensfall einen Verkehrswert von nur 850.000 DM gehabt habe und an die Klägerin zu einem höheren Preis veräußert worden sei. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin weiterhin Ersatz ihres Schadens.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht geht unter Bezugnahme auf das Urteil BGHZ 81, 385 ff davon aus, daß der Zahlungsanspruch nach § 249 Satz 2 BGB als eine besondere Erscheinungsform des Anspruchs auf Naturalrestitution im Fall der Veräußerung eines beschädigten Hausgrundstücks untergeht, wenn im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Herstellung in Natur unmöglich geworden sei. Es zieht daher lediglich den Ersatz des Wertinteresses gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Betracht, das sich bei geordneten Marktverhältnissen regelmäßig in einem schadensbedingt entstehenden Mindererlös als Wertminderungsschaden niederschlage. Ein solcher Schaden sei aber nicht eingetreten, weil die Zedenten das Grundstück im beschädigten Zustand zu einem den objektiven Verkehrswert in unbeschädigtem Zustand übersteigenden Preis veräußert hätten. Daß dieser Mehrerlös der Beklagten als Schädigerin letztlich zugute komme, rechtfertige keine andere Entscheidung. Maßgebend bleibe, daß der Wertersatzanspruch auch bei nachträglichem Unvermögen zur Wiederherstellung an die Stelle des Anspruchs auf Naturalrestitution trete und auch bei wertender Betrachtung kein Grund bestehe, den Geschädigten über den Wertausgleich hinaus zu begünstigen.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Wie der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs – nach Erlaß des Berufungsurteils – durch Urteil vom 4. Mai 2001 (V ZR 435/99 – NJW 2001, 2250; zur Veröffentlichung in BGHZ 147, 320 vorgesehen) entschieden hat, erlischt der Anspruch aus § 249 Satz 2 BGB auf Zahlung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrags bei Übertragung des Eigentums an einem beschädigten Grundstück dann nicht, wenn er spätestens mit Wirksamwerden der Eigentumsübertragung an den Erwerber des Grundstücks abgetreten wird. Er hat damit in Bezug auf den Anspruch aus § 249 Satz 2 BGB seine weitergehende Rechtsprechung in BGHZ 81, 385, 392 aufgegeben, die das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrundegelegt hat und die nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung zum Anspruchsgrund der Klägerin den Anlaß dafür gegeben hat, den zunächst von ihr verfolgten Herstellungsanspruch im weiteren Verfahren zugunsten eines Ersatzes der Wertminderung zurückzustellen.
Der Senat, der der Rechtsprechung des V. Zivilsenats in BGHZ 81, 385, 391 f in Bezug auf den Herstellungsanspruch gemäß § 249 Satz 1 BGB gefolgt ist (vgl. BGHZ 142, 172, 180), schließt sich der neueren Beurteilung des V. Zivilsenats zum Zahlungsanspruch aus § 249 Satz 2 BGB an; insoweit gab das Senatsurteil BGHZ 142, 172, 181 zu einer Stellungnahme noch keinen Anlaß.
Nach den Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils und im Grundurteil wurden die Schadensersatzansprüche des im Zeitpunkt des Schadenseintritts alleinigen Eigentümers und diejenigen seines Bruders, des späteren Miteigentümers, an die Klägerin abgetreten, bevor diese als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. Danach könnte die Klägerin auf der Grundlage dieser neueren Rechtsprechung Ersatz der zur Wiederherstellung erforderlichen Kosten verlangen.
2. Die Klägerin ist nicht gehindert, ihren Ersatzanspruch wieder auf § 249 Satz 2 BGB zu stützen. Sie hat den Anspruch auf Ersatz der Wiederherstellungskosten in ihrem Schriftsatz vom 29. Januar 1997 entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht fallengelassen. Auch das Berufungsgericht, das sich im angefochtenen Urteil mit diesem Anspruch befaßt hat, hat dies so gesehen. Im Grundurteil hat es zum Anspruch nach § 249 Satz 2 BGB ausgeführt, nachdem die Klägerin den Schaden nunmehr auf die eingetretene Wertminderung stütze, sei die Darlegung des Schadens, die bis dahin lediglich durch Bezeichnung der auf die Schadensbeseitigung entfallenden Kosten erfolgt sei, nicht mehr unschlüssig. Die Klägerin berücksichtige damit, daß die Kosten einer – nicht durchgeführten – Reparatur eines Hausgrundstücks gemäß § 249 Satz 2 BGB nicht verlangt werden könnten, da der Schadensersatzanspruch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit der Veräußerung des Grundstücks untergegangen sei und der Geschädigte auf den Wertsummenausgleich gemäß § 251 BGB verwiesen sei. Insoweit gibt das Grundurteil lediglich die seinerzeitige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wieder, ohne über den Anspruch nach § 249 Satz 2 BGB selbständig im Wege einer die Klage abweisenden Teilentscheidung zu befinden.
3. Ist der Anspruch nach § 249 Satz 2 BGB durch die Veräußerung des Grundstücks infolge der Abtretung des Ersatzanspruchs nicht erloschen, weil dem Rechtsnachfolger der früheren Eigentümer unter diesen Umständen das Herstellungsinteresse nicht abzusprechen ist, und ist dieser Anspruch in der jetzt noch weiterverfolgten Höhe zur Entschädigung der Klägerin genügend, liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 251 Abs. 1 BGB nicht vor. In diesem Umfang kommt der Restitution nämlich der Vorrang vor der Kompensation zu (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1996 – V ZR 158/95 – NJW 1997, 520 f).
III.
Der Senat ist zu einer abschließenden Entscheidung nicht in der Lage, da das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – zu den geltend gemachten Kosten der Wiederherstellung keine Feststellungen getroffen hat. Sollte die erneute Verhandlung ergeben, daß die Klägerin – sollte der vorrangige Anspruch nach § 249 Satz 2 BGB zur Entschädigung nicht genügen – ganz oder zum Teil auf einen Anspruch nach § 251 Abs. 1 BGB zurückkommt, bestehen gegen die bisherige Beurteilung durch das Berufungsgericht ebenfalls durchgreifende Bedenken.
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt, daß es im Rahmen eines Anspruchs nach § 251 BGB entscheidend auf eine durch die Schädigung eingetretene Einbuße im Vermögen des Geschädigten ankommt. Ein entsprechender Wertverlust wird sich bei geordneten Marktverhältnissen regelmäßig in einem schadensbedingt entstehenden Mindererlös als Wertminderungsschaden niederschlagen. Das wird etwa deutlich, wenn der Veräußerer und der Erwerber für die bereits ersichtliche und auch für eine etwa künftig noch zutage tretende Wertminderung einen Abschlag auf den Kaufpreis vornehmen (vgl. BGHZ 81, 385, 392). Das bedeutet jedoch nicht, daß nur unter solchen Umständen ein Kompensationsanspruch bestünde.
Bei dem Anspruch aus § 251 Abs. 1 BGB ist die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert zu ersetzen. Bezogen auf den Zeitpunkt der Schädigung wird regelmäßig davon auszugehen sein – Gegenteiliges ist hier nicht festgestellt –, daß das Vermögen durch die am Grundstück eingetretenen Frost- und Durchfeuchtungsschäden eine Wertminderung erfahren hat, wobei etwa erforderliche Wiederherstellungsaufwendungen bei der Bemessung des Minderwertes Berücksichtigung finden können (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1993 – V ZR 87/91 – NJW 1993, 1793, 1794). Die – mehr oder minder zufällige – anschließende Veräußerung der beschädigten Sache bedarf wegen ihrer schadensrechtlichen Auswirkungen einer wertenden Betrachtung, die über den bloßen Vergleich des Kaufpreises mit dem Verkehrswert des unbeschädigten Vermögensgegenstands hinausgeht. Für die rechtliche Beurteilung macht es z.B. keinen maßgeblichen Unterschied, ob die Parteien eines Kaufvertrags wegen der eingetretenen Wertminderung einen Abschlag auf den Kaufpreis vornehmen, den der Veräußerer sodann nach § 251 Abs. 1 BGB ersetzt verlangt, oder ob der Kaufpreis gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche so bemessen wird, als sei der Kaufgegenstand unbeschädigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wovon hier mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich auszugehen ist – der abgetretene Schadensersatzanspruch werthaltig ist. Unter solchen Umständen ist die Betrachtung des Vermögens des Veräußerers unvollständig, wenn ohne Berücksichtigung der Abtretung lediglich der Kaufpreis mit dem Verkehrswert des unbeschädigten Hausgrundstücks verglichen wird. Ferner ist zu bedenken, daß ein über den Verkehrswert des Grundstücks hinausgehender Erlös darauf beruhen kann, daß der Veräußerer von vornherein nicht bereit ist, sich mit einem dem Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis zu begnügen, oder daß der Käufer ein den Verkehrswert übersteigendes Erwerbsinteresse hat. Diese Gesichtspunkte, die legitimerweise Grundlage einer vertraglichen Regelung sein können, stehen in keinem Zusammenhang zum Schädigungstatbestand und rechtfertigen eine Entlastung des Schädigers nicht (zum Einfluß dieser Gesichtspunkte auf die Anrechnung von Vorteilen vgl. BGHZ 136, 52, 56).
Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Gesichtspunkten, wie die Revision zu Recht rügt, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Auch die Begründung der landgerichtlichen Entscheidung, auf die sich das Berufungsgericht ergänzend bezieht, läßt eine umfassende Würdigung vermissen. Das Landgericht hat die Behauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 1999 zugrundegelegt, ihr Angebot an die Veräußerer habe von vornherein auf 875.000 DM gelautet. Hieraus folgert das Landgericht, die eingetretenen Beschädigungen hätten nicht zu einer Minderung des Kaufpreises geführt. Dabei läßt es jedoch die weitere Behauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 1999 unberücksichtigt, den Veräußerern sei es wegen des Schadensfalles nicht gelungen, ihre ursprünglich höhere Kaufpreisforderung durchzusetzen. Auch der Hinweis im notariellen Kaufvertrag, die Schadensregelung solle bei Abschluß dieses Vertrages ausgeklammert werden, weil zum Zwecke der Regelung dieser Ansprüche im Innenverhältnis besondere Vereinbarungen getroffen seien, wird, wie die Revision geltend macht, nicht hinreichend gewürdigt. Diese Vereinbarung und die durch die Abtretung der Schadensersatzansprüche gekennzeichnete Abwicklung sprechen dafür, daß die Vertragsparteien zulässigerweise eine Gestaltung gewählt haben, bei der die Veräußerer ihre Preisvorstellungen zwar nicht in vollem Umfang verwirklichen, aber doch – unabhängig vom Verkehrswert – einen Preis erzielen konnten, den die Klägerin (nur) bei Abtretung der Schadensersatzansprüche aufzubringen bereit war.
Die weitere Verhandlung gibt den Parteien Gelegenheit, ihr Vorbringen zu diesen Gesichtspunkten, soweit es hierauf noch ankommen sollte, zu verdeutlichen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Kapsa, Dörr, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.01.2002 durch Freitag, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 675316 |
NJW 2002, 2313 |
BGHR 2002, 413 |
BauR 2002, 779 |
NJW-RR 2002, 736 |
DNotI-Report 2002, 52 |
IBR 2002, 221 |
IBR 2002, 222 |
WM 2002, 757 |
JA 2002, 737 |
MDR 2002, 631 |
NJ 2002, 474 |
NotBZ 2002, 137 |
LL 2002, 448 |