Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht
Leitsatz (amtlich)
In richterdienstgerichtlichen Prüfungsverfahren ist die zulassungsfreie Berufung nicht durch die Zulassungsberufung ersetzt worden.
Normenkette
DRiG § 26 Abs. 3, § 66 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 2, § 78 Nrn. 2-4, §§ 79-80, 83; BaWüRiG § 62 Abs. 1, § 63 Nr. 4 Buchst. f., § 64 Nr. 1, §§ 68, 79 Abs. 1 S. 1; VwGO §§ 6, 124, 124a, 128 S. 1; GKG § 8 Abs. 1 S. 1
Beteiligte
Antragstellerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin |
Antragsgegner, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter |
Verfahrensgang
Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 33 AR 20/98) |
Tenor
Der Beschluß des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart vom 21. Juli 1999 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten. Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht. Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hielt ihr mit Schreiben vom 22. September 1995 im Rahmen der Dienstaufsicht förmlich vor, sie habe als Kammervorsitzende in drei Fällen unzulässigen Einfluß auf abgeschlossene Einzelrichterentscheidungen genommen und dadurch in die richterliche Unabhängigkeit eines damals ihrer Kammer angehörenden Richters kraft Auftrags eingegriffen. Den Widerspruch der Antragstellerin wies der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs durch Bescheid vom 23. November 1995 zurück.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 1995 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen eine „Erklärung des Justizministeriums Baden-Württemberg zur Stellung des Kammervorsitzenden bei Einzelrichterentscheidungen” vom April 1995. Das Justizministerium lehnte mit Schreiben vom 29. Dezember 1995 die Bescheidung des Widerspruchs ab, weil die genannte Erklärung weder einen Verwaltungsakt noch eine Maßnahme der Dienstaufsicht darstelle.
Die Antragstellerin hat am 11. Dezember 1995 das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Karlsruhe angerufen und beantragt, festzustellen, daß der Vorhalt des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs unzulässig sei.
Mit Schriftsatz vom 17 Juni 1996 hat sie ergänzend beantragt, festzustellen, daß die „Erklärung des Justizministeriums zur Stellung der Kammervorsitzenden bei Einzelrichterentscheidungen” vom April 1995 in bezug auf die Antragstellerin insoweit unzulässig sei, als
- darin solche Maßnahmen für unzulässig erklärt würden, die der Antragstellerin im Vorhalt und im Widerspruchsbescheid vorgeworfen würden,
- sich die Tätigkeit des Vorsitzenden bei Einzelrichterverfahren ausschließlich auf die Geschäftsverteilung und in keinem denkbaren Fall auf die Entscheidungsfindung beziehe,
- es dem Vorsitzenden untersagt werde, einen Einzelrichter ohne dessen ausdrückliches Verlangen bei der Entscheidungsfindung zu beraten oder zu beeinflussen.
Das Dienstgericht für Richter hat durch Urteil vom 23. April 1998 festgestellt, der Vorhalt des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 1995 sei unzulässig. Im übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs habe die Befugnis zum Erlaß des Vorhalts gefehlt. Der gegen die Erklärung des Justizministeriums zur Stellung der Kammervorsitzenden bei Einzelrichterentscheidungen gerichtete Feststellungsantrag sei als Klageänderung ohne Einwilligung des Antragsgegners mangels Sachdienlichkeit unzulässig. Überdies sei für das Begehren der Rechtsweg zum Richterdienstgericht nicht gegeben, weil es sich bei der Erklärung des Justizministeriums nicht um eine Maßnahme der Dienstaufsicht handele.
Das Urteil enthält die Rechtsmittelbelehrung:
„Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung ist beim Dienstgericht für Richter …, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils zu stellen. Der Antrag muß das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
- die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- das Urteil von einer Entscheidung des Dienstgerichtshofs, des Bundesgerichtshofs, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. …..”.
Den unter Hinweis auf diese Rechtsmittelbelehrung gestellten Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Berufung hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart durch Beschluß vom 10. März 1999 - DGH 2/98 - abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der Antrag sei statthaft, da nach der Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung auch im richterdienstgerichtlichen Prüfungsverfahren die Zulassungsberufung gegeben sei. Der frist- und formgerecht gestellte Antrag sei aber unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung seien nicht gegeben.
Der Beschluß enthält den Hinweis, er sei unanfechtbar.
Die Antragstellerin hat am 13. April 1999 bei dem Dienstgericht für Richter Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dessen Urteil vom 23. April 1998 eingelegt, die sie mit einem am 12. Mai 1999 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage begründet hat. Die Entscheidung über die Beschwerde hat das Dienstgericht des Bundes auf Bitte der Antragstellerin zurückgestellt.
Die mit Schriftsätzen vom 12. Mai 1999 ebenfalls eingelegte Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart durch Beschluß vom 21. Juli 1999 - DGH 2/99 - als unstatthaft verworfen, weil es an ihrer erforderlichen Zulassung fehle.
Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin die vom Dienstgerichtshof für Richter zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt, soweit dieser zurückgewiesen worden ist.
Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
II.
1. Die zulässige Revision ist begründet. Der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichts verletzt revisibles Recht. Zur abschließenden Entscheidung bedarf es tatsächlicher Feststellungen. Das zwingt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 137 Abs. 2 VwGO).
Der Dienstgerichtshof für Richter hat die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter verfahrensfehlerhaft als unstatthaft verworfen. Gegen das erstinstanzliche Urteil ist die zulassungsfreie Berufung statthaft. Die in diesem Urteil enthaltene Rechtsmittelbelehrung über die Zulassungsberufung ist unrichtig. Die Antragstellerin hat innerhalb der infolge unrichtiger Rechtsmittelbelehrung laufenden Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO die zulassungsfreie Berufung eingelegt. Auf das zulässige Rechtsmittel muß das Berufungsgericht in der Sache entscheiden.
a) Auszugehen ist vom Landesrichtergesetz Baden-Württemberg (LRiG) in der anzuwendenden, zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 15. Dezember 1997 (GBl. S. 522) geänderten Fassung vom 19. Juli 1972 (GBl. S. 432). Für das vorliegende Prüfungsverfahren nach § 63 Nr. 4 Buchst. f LRiG, in dem bei Anfechtung von Maßnahmen der Dienstaufsicht gegen einen Richter aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG zu entscheiden ist, gelten gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG „die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt”. Diese Verweisung bezieht die Vorschriften über die Zulassungsberufung (§ 124 a VwGO) nicht ein.
Beim Inkrafttreten der unverändert gebliebenen Verweisungsnorm sah die Verwaltungsgerichtsordnung in § 124 die zulassungsfreie Berufung vor. Diese ersetzte das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) mit Wirkung vom 1. Januar 1997 durch die Zulassungsberufung (§ 124, § 124 a VwGO n.F.). Ob die Zulassungsberufung damit auch in Prüfungsverfahren an die Stelle der zulassungsfreien Berufung getreten ist, hängt in erster Linie davon ab, ob die Verweisung des § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG auf die Verwaltungsgerichtsordnung ohne Bezeichnung der anzuwendenden Fassung dieses Gesetzes sich überhaupt auf solche Vorschriften erstreckt, die erst nachträglich in die Verwaltungsgerichtsordnung aufgenommen worden sind (dynamische Verweisung).
§ 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG verweist zwar nicht ausdrücklich auf die Verwaltungsgerichtsordnung „in ihrer jeweils geltenden Fassung”. Das allein rechtfertigt aber nicht den Schluß, der Landesgesetzgeber habe sich den Inhalt der Verfahrensvorschriften des Bundesgesetzgebers nur in der Fassung zu eigen gemacht, die beim Erlaß des Landesrichtergesetzes galt (statische Verweisung). Andererseits ist einer schlichten, weder von einer früheren noch von der jeweiligen Fassung sprechenden Verweisung ebensowenig ohne weiteres dynamischer Charakter beizumessen. Da die Art der Verweisung dem Wortlaut des § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG nicht hinreichend klar zu entnehmen ist, muß im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob nach dem Sinn und Zweck der Verweisungsvorschrift, dem Sach- und Sinnzusammenhang, in den sie eingebettet ist, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte eine überholte oder die jeweils geltende Fassung des in Bezug genommenen Gesetzes gemeint ist (vgl. BVerfGE 60, 135 ≪155 f.≫ m.w.N.; BVerwGE 27, 239 ≪243≫). Mangels Identität der Gesetzgeber, die das verweisende Gesetz und das Gesetz, auf das verwiesen wird, erlassen haben, muß die Auslegung auch die Prüfung einbeziehen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des anderen Gesetzes verfassungsrechtlich zulässig ist. Im Zweifel ist auch eine Verweisungsnorm verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerwGE 27, 239 ≪243 f.≫). Dynamische Verweisungen sind verfassungsrechtlich nicht schlechthin ausgeschlossen, wenn keine Identität der Gesetzgeber besteht (vgl. BVerfGE 47, 285 ≪312≫; 67, 348 ≪363≫). Sie sind aber nur in den durch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit gezogenen Grenzen zulässig (vgl. BVerfGE 78, 32 ≪36≫).
Für einen dynamischen Charakter der Verweisung in § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG sprechen folgende Erwägungen: Die bundesrechtliche Rahmenvorschrift des § 83 DRiG verpflichtet den Landesgesetzgeber, das Prüfungsverfahren für Richter im Landesdienst in gleicher Weise zu regeln, wie § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG dies für Richter im Bundesdienst anordnet. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG gelten für das Prüfungsverfahren von Richtern im Bundesdienst die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Der Landesgesetzgeber ist insoweit bei der Regelung des Prüfungsverfahrens rahmenrechtlich ebenfalls an die Verwaltungsgerichtsordnung gebunden. Die landesgesetzliche Verweisung auf die Verwaltungsgerichtsordnung trägt dem Rechnung. § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG übernimmt die in sich geschlossene Prozeßrechtskodifikation des Bundesgesetzgebers mit dem Ziel einer dauerhaften Harmonisierung der im Bundesbereich und im Landesbereich bestehenden Regelungen des Prüfungsverfahrens. Mit Blick auf diese Zweckbestimmung der Verweisung liegt es nahe, ihr insoweit dynamische Bedeutung beizumessen, als Änderungen der Verwaltungsgerichtsordnung sich auch auf das Prüfungsverfahren vor den Dienstgerichten des Landes erstrecken sollen, wenn diese Gesetzesänderungen für das Prüfungsverfahren im Bundesbereich gelten.
Verfassungsrechtliche Bedenken entfallen jedenfalls dann, wenn der Bundesgesetzgeber, der die in einer dynamischen Verweisung des Landesrichterrechts in Bezug genommene bundesrechtliche Vorschrift nachträglich ändert, kraft seiner Rahmenrechtsetzungsbefugnis den Inhalt der landesrechtlichen Verweisungsnorm auch hinsichtlich der Änderung vorgeben kann.
b) Ungeachtet des grundsätzlich zu bejahenden dynamischen Charakters der Verweisung des § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG ist aber in Prüfungsverfahren nicht die Zulassungsberufung an die Stelle der zulassungsfreien Berufung getreten. § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG schränkt die Verweisung ausdrücklich ein: „soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.” Anzuwenden sind danach nur die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, die sich mit der im Landesrichtergesetz selbst bundesrechtskonform getroffenen Regelung des Prüfungsverfahrens vereinbaren lassen. Das gilt für die Verwaltungsgerichtsordnung sowohl in ihrer ursprünglichen Fassung als auch für deren nachträgliche Änderungen gleichermaßen. Nach Erlaß des Landesrichtergesetzes geschaffene oder geänderte Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung sind ebenso wie die in ihr unverändert enthaltenen Vorschriften unanwendbar, wenn und soweit eigenständige Regelungen des richterdienstgerichtlichen Prüfungsverfahrens dessen Gleichstellung mit verwaltungsgerichtlichen Verfahren entgegenstehen. Das verdeutlicht beispielhaft die in § 6 VwGO vorgesehene Übertragung eines Verwaltungsrechtsstreits auf den Einzelrichter. Daß diese nach Inkrafttreten des Landesrichtergesetzes durch Gesetz vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) in die Verwaltungsgerichtsordnung aufgenommene Vorschrift in Prüfungsverfahren vor dem Dienstgericht keine Anwendung finden kann, liegt mit Blick auf dessen in § 68 LRiG bundesrechtskonform (§ 77 Abs. 2 DRiG) im einzelnen bestimmte Besetzung der Richterbank auf der Hand. Entsprechendes trifft für die Vorschriften über die Zulassungsberufung zu. Die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens im Landesrichtergesetz schließt nach ihrem Sinnzusammenhang und Zweck sowie mit Blick auf das Gebot bundesrahmenrechtskonformer Auslegung des Landesrechts einen Rückgriff auf die Vorschriften über die Zulassungsberufung aus.
§ 62 Abs. 1 LRiG sieht in Prüfungsverfahren eine zweistufige Richterdienstgerichtsbarkeit des Landes vor. Gemäß § 63 Nr. 4 Buchst. f LRiG entscheidet das Dienstgericht für Richter bei Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG im ersten Rechtszug. Der Dienstgerichtshof für Richter ist Berufungsgericht (§ 64 Nr. 1 LRiG). Nach § 79 Abs. 2 LRiG steht den Beteiligten (nur) „gegen Urteile des Dienstgerichtshofs” in Prüfungsverfahren die Revision an das Dienstgericht des Bundes nach Maßgabe des § 80 DRiG zu. Gemäß Absatz 2 des in Bezug genommenen § 80 DRiG ist in Prüfungsverfahren die Revision „stets zuzulassen”. Dies setzt mit Blick auf die zweistufige Dienstgerichtsbarkeit des Landes Baden-Württemberg zwingend ein Berufungsurteil des Dienstgerichtshofs in Prüfungsverfahren voraus. Die Zulassungsberufung nach Maßgabe der §§ 124, 124 a VwGO n.F. ist damit unvereinbar. Sie stellt keinen gesetzlichen Ausschluß der Berufung durch ein Bundesgesetz dar, welcher gemäß § 135 VwGO die Revision eröffnet. Das gilt auch dann, wenn sie im konkreten Fall einer Berufung entgegensteht (vgl. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 135 Rdnr. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 135 Rdnr. 2 m.w.N.; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 1999, § 135 Rdnr. 2). § 135 VwGO setzt ein zweistufiges Verfahren voraus, bei dem die Berufung aufgrund eines Bundesgesetzes völlig ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. November 1961 - BVerwG I B 144.61 - Buchholz 310 § 135 VwGO Nr. 1 S. 1). Die Zulassungsberufung behält den dreistufigen Aufbau des Verfahrens grundsätzlich bei. Wird die Berufung zugelassen, wird das Verfahren über den Antrag auf Zulassung als Berufungsverfahren fortgesetzt (§ 124 a Abs. 2 Satz 4 VwGO). Wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt, ist auch die Revision ausgeschlossen. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Beschluß, der den Antrag auf Zulassung der Berufung ablehnt, kommt deswegen ebenfalls nicht in Betracht. Die Vorschriften des § 124 a VwGO über die Zulassungsberufung sind danach in Prüfungsverfahren nicht entsprechend anwendbar. Aufgrund des Vorbehalts der Verweisung des § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiG gelten vielmehr die bisher in Bezug genommenen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die zulassungsfreie Berufung weiter.
c) Allein diese Auslegung des Landesrechts ist mit dem Bundesrahmenrecht vereinbar. Zwar bindet § 83 in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG den Landesgesetzgeber rahmenrechtlich bei der Regelung des Prüfungsverfahrens an die Verwaltungsgerichtsordnung. Das gilt auch für Rechtsmittel im Prüfungsverfahren von Richtern im Landesdienst. Die rahmenrechtlich vorgegebene sinngemäße Geltung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bedeutet aber deren Anwendbarkeit nur, soweit diese sich mit der Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens im Deutschen Richtergesetz vereinbaren läßt (vgl. BGHZ 90, 34 ≪36≫; Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 65 Anm. 4, § 66 Anm. 3; Fürst, a.a.O., Vorbem. 3 zu §§ 65-68). Diese Voraussetzung erfüllen die Vorschriften über die Zulassungsberufung nicht. Die bundesrahmenrechtlichen Vorgaben für das Prüfungsverfahren lassen für das Institut der Zulassungsberufung keinen Raum.
Nach § 79 Abs. 1 DRiG muß das Verfahren vor den Dienstgerichten der Länder „aus mindestens zwei Rechtszügen” bestehen. Das zwingende rahmenrechtliche Gebot schließt es aus, landesrechtlich im Prüfungsverfahren bei zwei Tatsacheninstanzen statt der zulassungsfreien Berufung nur eine Zulassungsberufung vorzusehen. Die Zulassungsberufung nach Maßgabe des § 124 a VwGO genügt der kategorischen rahmenrechtlichen Forderung eines zweiten Rechtszuges nicht. Das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Berufung stellt keinen zweiten Rechtszug im Sinne des § 79 Abs. 1 DRiG dar. Zwar hat der Antrag sowohl Devolutiveffekt (§ 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO) als auch Suspensiveffekt (§ 124 a Abs. 1 Satz 5 VwGO). Er ist aber kein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil selbst. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat ausschließlich die Eröffnung des zweiten Rechtszuges durch das Berufungsgericht zum Gegenstand. Erst die Berufung richtet sich gegen die erstinstanzliche Entscheidung in der Sache und begehrt deren zweitinstanzliche Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (§ 128 Satz 1 VwGO). Beide Rechtsbehelfe haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander (vgl. Beschluß vom 12. März 1998 - BVerwG 2 B 20.98 - Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 2 S. 2 ≪3≫). Über den Antrag auf Zulassung der Berufung wird in einem verselbständigten prozessualen Zwischenverfahren selbständig durch Beschluß entschieden (§ 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO). Es endet nicht mit einer Sachentscheidung, sondern lediglich mit der Ablehnung des Antrags oder der Zulassung der Berufung (§ 124 a Abs. 2 Satz 3 u. 4 VwGO). Erst ein erfolgreicher Antrag öffnet den zweiten Rechtszug (§ 124 a Abs. 2 Satz 4 VwGO). Die Vorschriften über die Zulassungsberufung gehen gerade von dem Grundsatz aus, „daß eine Tatsacheninstanz regelmäßig ausreicht” (BT-Drucks. 13/3993 zu Art. 1 Nr. 15 ≪§ 124 VwGO≫ S. 13).
In den Fällen des § 78 Nr. 2, 3 und 4 DRiG steht den Beteiligten überdies gemäß § 79 Abs. 2 DRiG die Revision an das Dienstgericht des Bundes nach Maßgabe des § 80 DRiG zu. § 78 Nr. 2 bis 4 DRiG, auf den § 79 Abs. 2 DRiG verweist, betrifft das Versetzungs- und Prüfungsverfahren. Aus § 79 Abs. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 1 und Abs. 2 DRiG folgt, daß die Revision von dem zuständigen Landesdienstgericht stets zuzulassen ist. Der Bundesgesetzgeber hat sich für eine uneingeschränkte Revisionszulassung in allen Prüfungs- und Versetzungsverfahren entschieden. Die Regelung ist unmittelbar geltendes, die Dienstgerichte der Länder bindendes Bundesrecht (vgl. Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 71 Rdnr. 2; Vorbem. vor § 80; §80 Rdnr. 4; Fürst, a.a.O., § 79 Rdnr. 4). Der Landesgesetzgeber darf sie in Versetzungs- und Prüfungsverfahren weder ausschließen noch beschränken (Art. 31 GG), sondern nur bestimmen, von welchem Dienstgericht des Landes die Revision an das Dienstgericht des Bundes führt. Er kann die Revision sowohl gegen Urteile des obersten Dienstgerichts des Landes als auch gegen die Urteile der erstinstanzlichen Dienstgerichte vorsehen (vgl. Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 79 Rdnr. 4; Fürst, a.a.O., § 79 Rdnr. 1, 3, § 80 Rdnr. 1).
Da die Revision in Prüfungsverfahren stets zuzulassen ist (§ 80 Abs. 2 DRiG), würde zwar für diese Verfahren eine einstufige Landesdienstgerichtsbarkeit genügen. Richtet jedoch der Landesgesetzgeber aufgrund der ihm rahmenrechtlich eingeräumten Rechtsetzungsermächtigung auch für Prüfungsverfahren im Landesbereich zwei Tatsacheninstanzen ein, bestimmt sich die Art der Rechtsmittel nach dieser Organisation der Richterdienstgerichtsbarkeit und den landesgesetzlichen Zugangsvorschriften (vgl. Fürst, a.a.O., § 79 Rdnr. 2). Da rahmenrechtlich in jedem Fall die Revision eröffnet sein muß, kommt eine Einschränkung der Berufungszulassung mit der Folge eines Ausschlusses der Revision nicht in Betracht.
d) Die Annahme des Berufungsgerichts, § 83 in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG enthalte eine den Landesgesetzgeber rahmenrechtlich bindende dynamische Verweisung auf die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Zulassungsberufung, verbietet sich schließlich aus verfassungsrechtlichen Überlegungen. Der Landesgesetzgeber bestimmt in dem durch § 79 Abs. 1 DRiG gezogenen Rahmen, welche Dienstgerichte er einrichtet, welche der Dienstgerichte erstinstanzlich und welche ggf. zweitinstanzlich entscheiden und von welchem Gericht in welchen Rechtssachen die Revision an das Dienstgericht des Bundes zuzulassen ist (vgl. Fürst, a.a.O., § 79 Rdnr. 2). Die rahmenrechtlich mögliche Einrichtung von zwei „voll ausgebauten” Tatsacheninstanzen in Prüfungsverfahren mit der sich erst an den Berufungsrechtszug anschließenden Revision kann der Bundesgesetzgeber nicht durch eine schlichte Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung „stillschweigend” und sogar als „unbewußte Rechtsfolge” einschränken oder beseitigen. Eine dem Landesgesetzgeber erteilte Ermächtigung kann der Bundesgesetzgeber in der Regel nur durch eine ausdrückliche Erklärung einschränken oder zurücknehmen (vgl. BVerfGE 11, 192 ≪200≫; 60, 135 ≪161≫). Aus der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ergeben sich insoweit verfassungsrechtliche Schranken für dynamische Verweisungen. Da eine die Gesetzgebungskompetenz betreffende Verweisung in aller Regel Bestand haben soll, kommt eine mittelbare Änderung des Kompetenzbereichs durch eine bloße Neufassung des Verweisungsobjekts nur in besonderen Fällen und nach entsprechender Erörterung im Gesetzgebungsverfahren in Betracht (vgl. BVerfGE 60, 135 ≪161≫).
2. Die verfahrensfehlerhafte entscheidungstragende Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung der Antragstellerin sei unstatthaft, zwingt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Revisionsgericht kann auch nicht anstelle einer Zurückverweisung in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Dazu ist es bei einer verfahrensfehlerhaften Prozeßentscheidung der Vorinstanz nur dann ausnahmsweise in der Lage, wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine hinreichende Grundlage für eine Sachentscheidung bieten und auch bei einer Zurückverweisung der Sache kein anderes Ergebnis möglich erscheint (vgl. u. a. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 1991 - BVerwG 3 C 34.89 - Buchholz 427.3 § 290 LAG Nr. 15 S. 1 ≪3≫ m.w.N. und vom 22. Januar 1997 - BVerwG 8 C 39.95 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 39 S. 14 ≪15 f.≫ m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der angefochtene Beschluß enthält zum sachlichen Streitgegenstand des Berufungs- und des Revisionsverfahrens keine hinreichende Tatsachenfeststellung. Sachlicher Streitgegenstand ist nicht nur die Erklärung des Justizministeriums selbst, sondern nach dem Vorbringen der Klägerin auch, in welcher Weise und in welchem Zusammenhang die Erklärung ihr gegenüber verwendet worden ist. Den Akteninhalt in tatsächlicher Hinsicht auszuwerten und zu würdigen, ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts (vgl. u. a. BVerwG, Beschluß vom 17. März 1994 - BVerwG 3 B 24.93 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 57 S. 1 ≪2≫).
3. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Gerichtskosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Für die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren ist das Revisionsgericht zuständig (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. November 1989 - BVerwG 3 C 9.86 - Buchholz 360 § 8 GKG Nr. 3 S. 1 m.w.N. und vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 1 B 110.98 - Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 6 S. 12 ≪15≫). Die zur Zurückverweisung führende verfahrensfehlerhafte Verwerfung der Berufung hat die Kosten dieses Revisionsverfahrens verursacht, die bei richtiger Sachbehandlung nicht angefallen wären. Es erscheint deshalb angemessen, die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens außer Ansatz zu lassen. Über die Nichterhebung von Gerichtskosten des Berufungsverfahrens hat das Revisionsgericht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. November 1989 und vom 3. Dezember 1998, jeweils a.a.O.).
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8.000,– DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Unterschriften
Erdmann, Siol, Solin-Stojanovi[cacute], Silberkuhl, Gödel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.03.2000 durch Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle vom 29. März 2000
Fundstellen
Haufe-Index 539937 |
BGHZ |
BGHZ, 123 |
DRiZ 2001, 60 |
Nachschlagewerk BGH |