Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine starre Risikogrenze von 20% der Gesamtvergütung bei deutlicher Mengensteigerung gegenüber Leistungsverzeichnis
Leitsatz (amtlich)
a) Inwieweit eine detaillierte Angabe im Leistungsverzeichnis einer funktionalen Ausschreibung (hier: Abbruch einer Klinik) dazu führt, dass sie die Pauschalierung der Vergütung begrenzt, ergibt die Auslegung des Vertrages. Die Auslegung kann auch ergeben, dass die detaillierte Angabe lediglich die Geschäftsgrundlage des Vertrages beschreibt.
b) Beschreibt der Auftraggeber in einem Pauschalvertrag Mengen oder die Mengen beeinflussende Faktoren (hier: Estrichstärke in einer Zulageposition), können diese zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben worden sein. Das kann insb. dann angenommen werden, wenn der Auftragnehmer davon ausgehen durfte, der Auftraggeber habe eine gewisse Gewähr für eine verlässliche Kalkulationsgrundlage geben wollen.
c) In diesem Fall kommt ein Ausgleichsanspruch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B in Betracht, wenn sich eine deutliche Mengensteigerung ergibt. Wirken sich die von den irreführenden Angaben des Auftraggebers im Vertrag abweichenden Mengen derart auf die Vergütung aus, dass das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrages nicht nur den zu erwartenden Gewinn des Auftragnehmers aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt, ist das Festhalten an der Preisvereinbarung häufig nicht mehr zumutbar. Auf eine starre Risikogrenze von 20 % der Gesamtvergütung kann nicht abgestellt werden.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 313; VOB/B (2002) § 2 Nr. 7 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 11.12.2009; Aktenzeichen 21 U 145/08) |
LG Berlin (Entscheidung vom 08.05.2008; Aktenzeichen 9 O 548/06) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des KG vom 11.12.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage i.H.v. 124.695 EUR nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn für den Abbruch einer Klinik in T.
Rz. 2
Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 8.12.2005 mit den Abbrucharbeiten. Die Parteien vereinbarten eine Vergütung von 618.655,49 EUR. Diese Vergütung setzt sich zusammen aus Pauschalen für den Abriss der drei Bauteile und für Zulagepositionen. In einer der für alle drei Bauteile ausgeschriebenen Zulagepositionen für "Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung" war die Estrichstärke mit 3 cm (geschätzt) angegeben. Die Klägerin stellte während der Arbeiten Estrichmehrstärken von über 4 cm fest. Wegen des Mehraufwandes und anderer Erschwernisse, die im Revisionsverfahren nicht mehr von Bedeutung sind, beanspruchte sie von der Beklagten einen Nachtrag von 590.321,76 EUR. Die Beklagte akzeptierte den Nachtrag nicht. Es kam darüber zum Zerwürfnis zwischen den Parteien. Schließlich kündigte die Beklagte den Vertrag, nachdem die Klägerin die Arbeiten eingestellt hatte.
Rz. 3
Die Klägerin hat mit der Klage den ihr vermeintlich zustehenden restlichen Werklohn geltend gemacht und dabei für die Estrichmehrstärken einen Betrag von 124.695 EUR berechnet. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat die Revision zugelassen, soweit die Klage i.H.v. 124.695 EUR abgewiesen worden ist. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch mit der Revision weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision der Klägerin führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht weist (auch) den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung i.H.v. 124.695 EUR wegen des erhöhten Abbruchvolumens zurück. Zur Begründung führt es aus, ein Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B komme nicht in Betracht. Die Leistungen zum Abbruch der Gebäudeteile seien funktional beschrieben. Sie seien als Komplettleistungen zu bewerten, die mit der vereinbarten Pauschale abgegolten seien. Das gelte auch für die Leistungen zur Beseitigung des Estrichs. Die Angaben in der Zulageposition änderten daran nichts. Soweit dort eine Estrichstärke von 3 cm angegeben sei, handele es sich um eine Schätzung, worauf ausdrücklich hingewiesen worden sei. Ferner betreffe diese Position allein den Estrich, der über der Trittschalldämmung liege. Es habe wegen der überschlägigen Angaben in der Gebäudebeschreibung und den jeweiligen Positionsleistungsbeschreibungen an der Klägerin gelegen, sich vor ihrem Angebot Klarheit über die von ihr zu erbringenden Leistungen zu verschaffen. Das Vorhandensein von stärkerem Estrich sei bei einem Abrissvorhaben der vorliegenden Art nicht gänzlich auszuschließen und stelle lediglich ein gewisses Restrisiko dar, das die Klägerin mit der Vereinbarung eines Pauschalpreises bewusst in Kauf genommen habe. Ein Anspruch aus § 2 Nr. 7 VOB/B sei nicht gegeben. Beide Parteien seien von Komplettleistungen ausgegangen. Die Nachträge der Klägerin beruhten auf einer von ihr zu vertretenden Fehlkalkulation bei Abgabe des Angebots, so dass die für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.
II.
Rz. 6
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
Rz. 7
Für die Beurteilung ist die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige Fassung der VOB/B (2002) maßgeblich.
Rz. 8
1. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin aus § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B bestehe nicht, weil die Pauschale die gesamten Abbrucharbeiten umfasse, gleich welche Stärke der abzubrechende Estrich gehabt habe. Zu dieser Auffassung gelangt das Berufungsgericht durch eine rechtsfehlerfrei vorgenommene Auslegung des Vertrages der Parteien. Diese Auslegung ist im Revisionsverfahren nur daraufhin beschränkt überprüfbar, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGH, Urt. v. 15.12.1994 - VII ZR 140/93, BauR 1995, 237 [238] = ZfBR 1995, 129). Das hat die Revision nicht aufzeigen können.
Rz. 9
a) Der von den Parteien geschlossene Vertrag hat ersichtlich den kompletten Abbruch der Gebäudeteile zum Gegenstand, soweit einzelne Teile nicht ausdrücklich ausgenommen sind. In den Positionen 1.3.1, 1.4.1 und 1.5.1 sind Vergütungspauschalen für den Abbruch der Bauteile A, B und C vorgesehen. Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht unter Würdigung dieser Positionen, der sonstigen Vertragsklauseln und des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks eine funktionale Vertragsgestaltung und weiter annimmt, dass sich die vereinbarte Vergütung grundsätzlich auf die insgesamt geschuldete Abbruchleistung bezieht.
Rz. 10
b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch entschieden, dass sich aus den Zulagepositionen "Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung" keine Ausnahme dadurch ergibt, dass dort der Estrich mit einer geschätzten Stärke von 3 cm beschrieben ist.
Rz. 11
aa) Der Abschluss eines Vertrages über eine komplett funktional beschriebene Bauleistung zu einem Pauschalpreis schließt es nicht aus, dass die Parteien zu einzelnen Leistungen besondere Vereinbarungen treffen (sog. Detaillierung). So können sie etwa vereinbaren, dass einzelne Leistungen überhaupt nicht vom Auftragnehmer erbracht werden (BGH, Urt. v. 22.3.1984 - VII ZR 50/82, BGHZ 90, 344 [346]), oder sie können eine Leistungsbeschreibung zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen, aus der sich ergibt, dass die Pauschalpreisvereinbarung bestimmte, für die Funktionalität erforderliche Leistungen nicht oder nicht vollständig erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2008 - VII ZR 194/06, BGHZ 176, 23 [29 ff.]). Liegen solche Vereinbarungen vor, so können von der Leistungsbeschreibung abweichende Leistungen des Auftragnehmers gem. § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 4 VOB/B unter den Voraussetzungen des § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B einen Vergütungsanspruch für geänderte oder zusätzliche Leistungen oder unter den Voraussetzungen des § 2 Nr. 8 Abs. 2 und 3 VOB/B einen sonstigen Zahlungsanspruch auslösen (BGH, a.a.O.; Urt. v. 15.12.1994 - VII ZR 140/93, BauR 1995, 237 [238] = ZfBR 1995, 129). Ein solcher Fall kann z.B. vorliegen, wenn in einem Vertrag über eine funktional beschriebene Gründung durch Bezugnahme auf ein Bodengutachten bestimmte Bodenverhältnisse zum Leistungsinhalt erhoben werden und sich herausstellt, dass die tatsächlichen Bodenverhältnisse abweichen. Ordnet der Auftraggeber an, dass die Gründung auch in den tatsächlich vorgefundenen Bodenverhältnissen stattfinden soll, liegt darin eine Änderung des Bauentwurfs, die zu einem Anspruch auf eine veränderte Vergütung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B führen kann (BGH, Urt. v. 20.8.2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 [182]). Gleiches kann gelten, wenn der Vertrag über Betonsanierungsarbeiten eine vorhandene Betongüte von B 25 ausweist, die tatsächliche Betongüte mit B 5 jedoch deutlich schlechter ist, so dass ein Mehrleistungsaufwand entsteht (BGH, Urt. v. 27.6.1996 - VII ZR 59/95, BauR 1997, 126 [128] = ZfBR 1997, 29).
Rz. 12
bb) Inwieweit eine detaillierte Angabe im Leistungsverzeichnis dazu führt, dass sie die Pauschalierung der Vergütung begrenzt, ergibt die Auslegung des Vertrages. Die Erwähnung von detaillierten Bauumständen in einer Leistungsbeschreibung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Vergütungsvereinbarung insoweit tangiert ist. Vielmehr ist es auch möglich, dass die Erwähnung von detaillierten Bauumständen lediglich zum Ausdruck bringen soll, wovon der Auftraggeber ausgeht, ohne dass er dies zum Vertragsinhalt erheben will. Die notwendige Abgrenzung muss der Tatrichter unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der sonstigen Umstände und des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks treffen. Es geht insoweit im Wesentlichen nicht um die Begrenzung der nach dem Vertrag geschuldeten Leistung, sondern der dafür vereinbarten Vergütung. Die vom Tatrichter vorzunehmende Auslegung muss auch im Blick haben, dass die Erwähnung von Bauumständen dazu führen kann, diese als Geschäftsgrundlage des Vertrages anzusehen, wenn sie nicht Gegenstand der Entgeltvereinbarung geworden sind (dazu unten 2.).
Rz. 13
cc) Die Erwägungen des Berufungsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit es angenommen hat, die Beschreibung der Zulagepositionen "Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung" berühre die Pauschalpreisvereinbarung nicht. Das Berufungsgericht hat insb. nicht gegen den Grundsatz einer interessengerechten Auslegung und auch nicht gegen den Grundsatz verstoßen, wonach ein aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung zustande gekommener Vertrag im Zweifel so zu verstehen ist, dass er dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen will (BGH, Urt. v. 11.11.1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64 [68]). Auch insoweit ist es rechtlich nicht verfehlt, auf den mit dem Vertrag verfolgten Zweck abzustellen und aus dem Gesamtzusammenhang der vertraglichen Regelungen den Willen der Parteien herzuleiten, eine Vergütung für die Gesamtleistung ungeachtet etwaiger Estrichstärken zu vereinbaren.
Rz. 14
Entgegen der Auffassung der Revision kann nicht allein deshalb von einer den Pauschalpreis berührenden Leistungsbeschreibung ausgegangen werden, weil sie sich bei der Bauausführung jedenfalls - wie in der Revision zu unterstellen ist - als irreführend herausgestellt hat. Das maßgebliche Auslegungskriterium kann gewöhnlich nicht sein, ob die vertragliche Beschreibung falsch oder richtig ist, sondern in welchem Gesamtzusammenhang sie im Vertrag steht. Ist sie unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges nicht als Beschreibung der vertraglich entgoltenen Leistung zu verstehen, wird jedoch Anlass zur Prüfung bestehen, ob mit ihr eine Geschäftsgrundlage des Vertrages geschaffen worden ist (sogleich unter 2.). Nichts anderes entnimmt der Senat der von der Revision zitierten Meinung von Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, 4. Aufl., Band 2, Rz. 322 ff. Dort (vgl. auch, a.a.O., Rz. 1517) wird zwar die Auslegung favorisiert, dass eine vom Auftraggeber vorgegebene (falsche) Mengenangabe die Pauschalierung der Vergütung eingrenzt (tendenziell auch Leinemann, VOB/B-Kommentar, 4. Aufl., § 2 Rz. 360), jedoch ersichtlich nicht von dem allgemein gültigen Grundsatz abgerückt, dass es für die Auslegung auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Auch die Ausführungen von Wirth (BauR 2003, 1909), auf die die Revision ebenfalls Bezug nimmt, betreffen die Auslegung in einem Einzelfall.
Rz. 15
Die von der Revision angeführten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, dass die Beklagte die Leistung hinsichtlich der Estrichstärke irreführend beschrieben hat - wovon im Revisionsverfahren auszugehen ist - und die von der Klägerin behauptete Abweichung gravierend ist. Dafür gibt es im Berufungsurteil keine Anhaltspunkte. Die allgemeinen Erwägungen der Revision zu der nach ihrer Auffassung fehlerhaften Risikozuweisung bei der Bestimmung des Vertragsinhalts belegen nicht, dass das Berufungsgericht insoweit von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Sie versuchen lediglich die Würdigung des Berufungsgerichts durch eine eigene zu ersetzen. Das gilt insb. für den Hinweis, das Berufungsgericht habe nicht auf die Klausel abstellen dürfen, wonach der Auftragnehmer die Massen vor Angebotsabgabe prüfen müsse. Diese Erwägung des Berufungsgerichts ist keinesfalls leitend, sondern steht im Zusammenhang mit den zuvor angestellten Überlegungen zum Komplettleistungscharakter des Vertrages. In diesem Zusammenhang sind sie nicht zu beanstanden, so dass nicht geklärt werden muss, welche rechtliche Bedeutung die Klausel hat.
Rz. 16
Die Rüge, das Berufungsgericht habe das Schadstoffgutachten nicht berücksichtigt, ist offensichtlich unbegründet. Dieses gibt für die Auslegung des Vertrages in dem hier interessierenden Punkt nichts her.
Rz. 17
Ob die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte sich vor Abgabe des Angebots Klarheit über die von ihr zu erbringenden Leistungen durch - auch substanzschädigende - Untersuchungen verschaffen müssen, haltbar sind, ist zweifelhaft. Auf sie kommt es nicht an, weil sie keinesfalls tragend sind, sondern lediglich ergänzend die unabhängig davon gefundene Überzeugung des Berufungsgerichts stützen sollen, das gesamte Vertragswerk lasse kein Verständnis dahingehend zu, dass sich die Vergütungsvereinbarung nur auf eine Abbruchleistung mit der in der Zulageposition angegebenen Mengenbeschreibung beschränken sollte.
Rz. 18
2. Auf Rechtsfehlern beruht die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin ergebe sich nicht aus § 2 Nr. 7 VOB/B. Das Berufungsgericht hat den Anwendungsbereich dieser Regelung nicht erschöpfend gewürdigt.
Rz. 19
a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B bleibt die Vergütung unverändert, wenn als Vergütung der Leistung eine Pauschalsumme vereinbart ist. Weicht jedoch die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich ab, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist (§ 242 BGB), so ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu gewähren. Für die Bemessung des Ausgleichs ist von den Grundlagen der Preisermittlung auszugehen.
Rz. 20
Nach dem Wortlaut dieser Regelung ist Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch, dass die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung abweicht. Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist also nicht, dass die ausgeführte Leistung von der vertraglich geschuldeten Leistung abweicht. Diese Fälle werden von § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 4 VOB/B i.V.m. § 2 Nr. 4 bis 6 VOB/B (BGH, Urt. v. 29.6.2000 - VII ZR 186/99, BauR 2000, 1754 [1755] = NZBau 2000, 467 = ZfBR 2000, 538; Beschl. v. 12.9.2002 - VII ZR 81/01, BauR 2002, 1847 = NZBau 2002, 669 = ZfBR 2003, 31) und von § 2 Nr. 8 Abs. 2 und 3 VOB/B erfasst. Vielmehr sollen mit der Regelung die früher gem. § 242 BGB von der Rechtsprechung entwickelten und nunmehr in § 313 BGB verankerten Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden (Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 4. Aufl., Rz. 2348; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 2, 4. Aufl., Rz. 1501 ff.; Leinemann, VOB/B-Kommentar, 4. Aufl., § 2 Rz. 355; Ingenstau/Korbion-Keldungs, VOB-Kommentar, 17. Aufl., § 2 Abs. 7 Rz. 30).
Rz. 21
Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urt. v. 10.9.2009 - VII ZR 82/08, BGHZ 182, 218, Rz. 24). Geschäftsgrundlage eines Vertrages kann nicht sein, was die Parteien vereinbart haben, sondern lediglich das, was sie ihrer Vereinbarung zugrunde gelegt haben (BGH, Urt. v. 1.2.1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 [74 f.]; Urt. v. 27.9.1991 - V ZR 191/90, NJW-RR 1992, 182). Die Begriffe "Leistung" in § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 VOB/B bezeichnen demnach nicht die vereinbarten Leistungen, sondern diejenigen "Leistungen", die der Auftragnehmer im Sinne von Aufwand erbringen muss, um die vereinbarten Leistungen zu erbringen. Danach kommt ein Ausgleichsanspruch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 VOB/B in Betracht, wenn eine solche im Sinne von Aufwand verstandene Leistung von der nach dem Vertrag im gleichen Sinne vorgesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht mehr zumutbar ist.
Rz. 22
b) Der Ausgleichsanspruch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 VOB/B setzt voraus, dass eine bestimmte derartige Leistung des Auftragnehmers Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden und diese Geschäftsgrundlage gestört ist.
Rz. 23
aa) Ob ein bestimmter Umstand der Bauausführung nach den Vorstellungen der Vertragsparteien Geschäftsgrundlage geworden ist, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 10.9.2009 - VII ZR 82/08, BGHZ 182, 218, Rz. 24). Allgemein gilt, dass ein Auftragnehmer sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann, wenn sich während der Vertragsdurchführung ein Risiko verwirklicht hat, das dem eigenen Einfluss- und Risikobereich unterfällt (BGH, Urt. v. 10.7.1961 - VII ZR 96/60, WM 1961, 1188 [1189]; Urt. v. 1.6.1979 - V ZR 80/77, BGHZ 74, 370 [373]; vgl. auch Urt. v. 9.3.2010 - VI ZR 52/09, NJW 2010, 1874). Deshalb sind die Grundlagen der Preisermittlung, wozu beim Pauschalpreisvertrag auch die Mengen gehören, grundsätzlich keine Geschäftsgrundlage des Vertrages. Es ist Sache des Unternehmers, wie er den Preis eines Bauvertrages kalkuliert. Er trägt allgemein das Risiko einer unauskömmlichen Kalkulation (BGH, Urt. v. 10.9.2009 - VII ZR 82/08, BGHZ 182, 218, Rz. 24; vgl. auch Urt. v. 28.9.1964 - VII ZR 47/63, WM 1964, 1253 [1254]). Mengenmehrungen, die auf einer in seinem Verantwortungsbereich liegenden Fehlkalkulation des Auftragnehmers beruhen, können deshalb grundsätzlich keinen Ausgleichsanspruch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B begründen (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1996 - VII ZR 59/95, BauR 1997, 126 [128] = ZfBR 1997, 29; Leinemann, VOB/B-Kommentar, § 2 Rz. 306, 356).
Rz. 24
bb) Etwas anderes kann sich jedoch aus dem Vertrag und den ihm zugrunde liegenden Umständen ergeben. So ist es möglich, dass die Parteien im Einheitspreisvertrag bestimmte, von ihnen vorausgesetzte Mengen zur Geschäftsgrundlage erheben (BGH, Beschl. v. 23.3.2011 - VII ZR 216/08, MDR 2011, 653 [654]). Nichts anderes gilt für den Pauschalpreisvertrag. Es ist anerkannt, dass Geschäftsgrundlage einer Pauschalpreisvereinbarung bestimmte, vom Auftraggeber vorgegebene Mengen sein können (BGH, Urt. v. 11.9.2003 - VII ZR 116/02, BauR 2004, 78 [81] = NZBau 2004, 150 = ZfBR 2004, 44; vgl. auch Urt. v. 2.11.1995 - VII ZR 29/95, BauR 1996, 250 [251] = ZfBR 1996, 82; Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rz. 1513). Macht der Auftraggeber in einer Leistungsbeschreibung zum Pauschalvertrag detaillierte Angaben zu den Mengen oder die Mengen beeinflussende Faktoren, die erhebliche Bedeutung für die Kalkulation des Pauschalpreises haben, wird das häufig nach Treu und Glauben dahin zu verstehen sein, dass diese Angaben auch nach seinem Willen zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben werden sollen. Das kann insb. dann angenommen werden, wenn der Auftragnehmer davon ausgehen darf, der Auftraggeber habe eine gewisse Gewähr für eine verlässliche Kalkulationsgrundlage geben wollen (vgl. auch Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rz. 1509). In solchen Fällen werden beide Parteien regelmäßig davon ausgehen, dass die beschriebenen Umstände vorliegen und auch bei der Bildung des Preises berücksichtigt werden. Der beiderseitige Irrtum über solche Umstände kann eine Anpassung des Vertrages nach den zum Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelten Grundsätzen erfordern (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.1965 - VII ZR 66/63, VersR 1965, 803 [804]). Insofern liegen die Dinge anders als in dem Fall, in dem der Auftragnehmer unabhängig von Vorgaben des Auftraggebers (erkennbar) fehlerhaft kalkuliert hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 13.7.1995 - VII ZR 142/94, BauR 1995, 842 [843 f.] = ZfBR 1995, 302).
Rz. 25
c) Das Berufungsurteil lässt nicht erkennen, dass es diese Zusammenhänge berücksichtigt hat. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf die Feststellung, die Parteien hätten Komplettleistungen zu einem Festpreis vereinbart und die Klägerin habe sich verkalkuliert. Damit werden die Voraussetzungen des § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B nicht hinreichend geprüft. Allein aus dem Umstand, dass ein Pauschalvertrag über die komplette Leistung geschlossen worden ist, lässt sich nicht herleiten, eine Störung der Geschäftsgrundlage liege nicht vor (Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rz. 1504). Das Berufungsgericht hätte sich vielmehr die Frage stellen müssen, ob die Parteien nach dem geschlossenen Pauschalvertrag hinsichtlich des Estrichabbruchs bestimmte Leistungen der Klägerin im Sinne von Aufwand vorausgesetzt haben und ob die tatsächlich ausgeführten Leistungen so erheblich abgewichen sind, dass der Klägerin ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist. Diese Prüfung war, worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat, dadurch veranlasst, dass das Leistungsverzeichnis in den Zulagepositionen eine geschätzte Estrichstärke von 3 cm vorsah. Diese Angabe scheint - ohne dass der Senat dazu eine abschließende Prüfung vornehmen könnte - ohne Weiteres geeignet, erheblichen Einfluss auf die Kalkulation der Klägerin zu nehmen, denn sie bestimmt maßgeblich die letztlich abzubrechende Menge. Sie ist von der Beklagten in den Vertrag aufgenommen worden, der bewusst sein musste, dass die Angabe zur Estrichstärke auch für die Kalkulation der Klägerin von Bedeutung sein konnte.
Rz. 26
aa) Die gebotene Prüfung durfte das Berufungsgericht nicht schon deshalb unterlassen, weil die Angaben in einer Zulageposition enthalten waren. Im Hinblick darauf, dass nach der in der Revision als richtig zu unterstellenden Behauptung der Klägerin die Zulagenposition einen großen Teil der Gesamtfläche erfasste, waren die Angaben gleichwohl von erheblichem Gewicht. Ebenso wie ein Auftraggeber vom Auftragnehmer grundsätzlich verlangen kann, bei der Kalkulation den gesamten Inhalt der Ausschreibung zu berücksichtigen, muss er bedenken, dass Mengenangaben, die nicht direkt in der betroffenen Position (hier: Hauptleistungsposition "Abbruch der Bauteile") enthalten sind, auch bei damit im Zusammenhang stehenden Positionen (hier: Zulagepositionen für "Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung") zur Kenntnis genommen und bei der Kalkulation berücksichtigt werden.
Rz. 27
bb) Die Annahme einer Geschäftsgrundlage scheidet auch nicht deshalb aus, weil die Stärke von 3 cm lediglich als geschätzt bezeichnet worden ist. Denn auch eine vom Auftraggeber vorgenommene Schätzung kann zur Geschäftsgrundlage erhoben werden. Insoweit wird zu beurteilen sein, wie hoch die Schätzungstoleranz nach der Verkehrssitte unter Berücksichtigung des Vertragstyps ist, also das gewöhnliche Risiko einer solchen Schätzung einzuordnen ist (Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rz. 1505). Weicht die tatsächliche Stärke des Estrichs um mehr als das Doppelte von der im Leistungsverzeichnis angegebenen Stärke ab, spricht einiges dafür, dass dieser Risikorahmen überschritten ist.
Rz. 28
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin als Fachfirma allgemein mit ungewöhnlichen Vorkommnissen beim Abbruch eines großen Klinikkomplexes rechnen musste und das Vorhandensein von stärkerem Estrich bei einem derartigen Abrissvorhaben nicht gänzlich auszuschließen und in diesem Sinne vorhersehbar ist. Zwar kann es für die Beurteilung, ob eine bestimmte Leistung zur Geschäftsgrundlage des Vertrages gemacht worden ist, darauf ankommen, ob das Risiko eines Mehraufwandes vorhersehbar war (BGH, Urt. v. 28.9.1964 - VII ZR 47/63, WM 1964, 1253 [1254]; Urt. v. 29.4.1965 - VII ZR 85/64, WM 1965, 843 [845]; Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rz. 1505). Dieses Kriterium tritt jedoch umso mehr zurück, je detaillierter der Auftraggeber die Leistung beschrieben und Vertrauen in die Angaben erweckt hat. Macht der Auftraggeber, wozu er gem. § 9 Nr. 1 und 2 VOB/A (in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung, jetzt § 7 Abs. 1 und 2 VOB/A) gehalten sein kann, in der Ausschreibung Angaben, die die Kalkulation einer funktionalen Ausschreibung ermöglichen sollen, so kann er sich bei der nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu beurteilenden Frage, inwieweit er damit das Risiko einer Fehlkalkulation abgemildert hat, nicht darauf berufen, er habe solche Angaben nicht machen müssen und der Auftragnehmer habe sich darauf nicht verlassen dürfen, wenn dieser keine realistische Möglichkeit hatte, etwaige Fehler der Angaben zu erkennen (dazu sogleich unten cc). Die Beurteilung, ob eine detaillierte Beschreibung der Leistung hinsichtlich des damit verbundenen Aufwandes zur Geschäftsgrundlage erhoben worden ist, muss auch berücksichtigen, dass ein öffentlicher Auftraggeber gehalten ist, dem Auftragnehmer keine ungewöhnlichen Risiken der Kalkulation aufzuerlegen, § 9 Nr. 3 VOB/A a.F. (§ 7 Abs. 3 VOB/A n.F.).
Rz. 29
cc) Aus diesem Grund muss auch der im Leistungsverzeichnis enthaltenen Aufforderung, "Die Massen gemäß Anlagen 1 und 2 zu diesem LV sowie der Angaben in den Positionen sind vor Angebotsabgabe zu überprüfen, da für den Abbruch Pauschalpositionen abzugeben sind", nicht die Bedeutung zukommen, dass der Auftraggeber das Risiko einer Abweichung von den geschätzten Estrichstärken nicht übernehmen und deshalb den sich daraus ableitenden Aufwand nicht zur Geschäftsgrundlage erheben wollte. Das könnte überhaupt nur dann der Fall sein, wenn die Bieter eine realistische Möglichkeit hatten, die Stärke des Estrichs, etwa anhand vorgelegter Pläne, selbständig zu prüfen. Davon kann im Revisionsverfahren nicht ausgegangen werden. Eine Pflicht zur Überprüfung derart, dass der Bieter Probebohrungen im Estrich vornehmen muss, kann der dargestellten Bemerkung entgegen der von der Beklagten im Rechtsstreit vertretenen Auffassung nicht entnommen werden. Ein solches Verständnis wäre mit Treu und Glauben und der Verkehrssitte, § 157 BGB, nicht vereinbar. Die gleichen Erwägungen gelten für die Bemerkung im Auftragsschreiben der Beklagten vom 8.12.2005: "Mehrkosten wegen der örtlichen Bedingungen werden nicht anerkannt, da die Möglichkeit einer Ortsbesichtigung vor Angebotserstellung gegeben war und die Berücksichtigung bei der Kalkulation vorausgesetzt war". Auch folgt aus der vom Auftraggeber vorgeschriebenen Erklärung des Auftragnehmers bei Abgabe des Angebots, er sei über Art und Umfang der geforderten Leistung genau unterrichtet, nicht, dass die im Vertrag bezeichnete Estrichstärke nicht zur Geschäftsgrundlage erhoben worden sein kann. Denn diese Erklärung besagt nicht, dass er insoweit nicht auf die Angaben des Auftraggebers in der Ausschreibung vertraut, sondern eigene Ermittlungen angestellt hat. Gleiches gilt für die Erklärung des Auftragnehmers, er habe die Örtlichkeiten am 14.5.2005 besichtigt. Nämliches gilt schließlich für den in den "Zusätzlichen technischen Vorbemerkungen Abbrucharbeiten" enthaltenen Hinweis "Alle Kosten, die durch die vorgenannten Hinweise entstehen, sind in die Einheitspreise einzurechnen und werden nicht gesondert vergütet, sofern keine gesonderten Positionen dafür erfasst sind". Diese sog. Komplettheitsklauseln (vgl. Ingenstau/Korbion-Keldungs, VOB-Kommentar, 17. Aufl., § 2 Abs. 7 Rz. 6; Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rz. 496 ff.; Leinemann, VOB/B-Kommentar, 4. Aufl., § 2 Rz. 385; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Aufl., Rz. 1536 ff.) sind allesamt ein Indiz für die umfassende Pauschalierung der Vergütung, können jedoch nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, dass die Estrichstärke nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben worden ist. Die "vorgenannten Hinweise" im Sinne der "Zusätzlichen technischen Vorbemerkungen Abbrucharbeiten" beziehen sich im Übrigen nicht auf die Estrichstärke. Entsprechendes gilt für den in den "ZTV Schadstoffentsorgung" enthaltenen Hinweis darauf, dass die angebotenen Preise alle Leistungen enthalten, die für die Ausführung der Arbeiten erforderlich sind.
III.
Rz. 30
Das Berufungsurteil war nach allem aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Beurteilung, ob die Estrichstärke zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben worden ist, obliegt dem Tatrichter, der dabei sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat. Abschließende Feststellungen dazu sind im Berufungsurteil nicht getroffen worden. Im Revisionsverfahren kann angesichts der besonderen Umstände des Falles nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin ein Festhalten am Vertrag trotz der Mehrmenge zumutbar gewesen sei. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es keine starre, der Beurteilung gem. § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B zugrunde zu legende Risikogrenze in Gestalt eines Prozentsatzes des vereinbarten Pauschalpreises gibt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 2.11.1995 - VII ZR 29/95, BauR 1996, 250 [251] = ZfBR 1996, 82). Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Ausgleichsanspruch nur dann in Betracht kommt, wenn die zusätzliche Vergütung infolge der Änderung der Geschäftsgrundlage mehr als 20 % des Pauschalpreises beträgt (abweichend Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Aufl., Rz. 1546 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Falles an, wobei insb. auch berücksichtigt werden muss, inwieweit der Auftraggeber durch irreführende Angaben in der Ausschreibung zu einer Fehlkalkulation des Auftragnehmers beigetragen hat. In solchen Fällen scheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diesem eine Mehrvergütung zuerkannt wird, die weniger als 20 % des vereinbarten Pauschalpreises ausmacht. Wirken sich die von den irreführenden Angaben im Vertrag abweichenden Mengen derart auf die Vergütung aus, dass das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrages nicht nur den zu erwartenden Gewinn des Auftragnehmers aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 [324 f.]), ist das Festhalten an der Preisvereinbarung häufig nicht mehr zumutbar.
Dass insoweit auch nicht auf die Risikobegrenzung von 10 % in § 2 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B abgestellt werden kann, ergibt sich schon aus dem abweichenden Regelungsbereich des § 2 Nr. 3 VOB/B (Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rz. 1534).
Fundstellen
Haufe-Index 2734859 |
BGHZ 2012, 212 |
NJW 2011, 3287 |
NJW 2011, 6 |
BauR 2011, 1646 |
EBE/BGH 2011 |
IBR 2011, 503 |
JurBüro 2011, 667 |
WM 2011, 2004 |
ZAP 2011, 1129 |
ZIP 2011, 5 |
MDR 2011, 1099 |
NJ 2011, 482 |
ZfBR 2011, 747 |
BauSV 2011, 75 |
BauSV 2011, 76 |
NJW-Spezial 2011, 686 |
NZBau 2011, 553 |
BBB 2011, 60 |
FSt 2012, 30 |