Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Beitragszuschlag für Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung.
I.
Der 1968 geborene Beschwerdeführer, der verheiratet ist und keine Kinder hat, ist aufgrund des Gesetzes zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung vom 15. Dezember 2004 (Kinderberücksichtigungsgesetz – KiBG) seit dem 1. Januar 2005 verpflichtet, den nach § 55 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – um 0,25 % erhöhten Beitrag für kinderlose Personen zu zahlen. Seine gegen die Pflegekasse gerichtete Klage, mit der der Beschwerdeführer vor allem geltend machte, seine Ehefrau könne aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen und das KiBG bedeute eine Bestrafung und Diskriminierung Kinderloser, ist vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in allen Instanzen ohne Erfolg geblieben (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, SozR 4-3300 § 55 Nr. 2).
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unzulässig.
Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Begründungsanforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Hierzu gehört, dass der Beschwerdeführer darlegt, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (vgl. BVerfGE 108, 370 ≪386≫). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫ m.w.N.).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. April 2001 (vgl. BVerfGE 103, 242 ff.) festgestellt, dass es mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren ist, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 eine Regelung zu treffen, welche die Kindererziehungsleistung in der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt und beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern bei der Bemessung der Beiträge relativ entlastet. Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber durch das KiBG nachgekommen. Vor diesem Hintergrund hätte für den Beschwerdeführer Anlass bestanden, ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darzulegen, weshalb der Gesetzgeber mit der von ihm vorgenommenen Neuregelung das verfassungsrechtlich Gebotene verfehlt hat. Dem wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
Die Rüge einer Verletzung des Verbots der Benachteiligung behinderter Menschen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Der Anwendungsbereich der Norm ist bei einer Ungleichbehandlung in Abhängigkeit von der Behinderung des Grundrechtsinhabers eröffnet, die zu einem Nachteil für den Behinderten führt (Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 3 Rn. 144 f m.w.N.). Ein solcher Nachteil liegt in Regelungen und Maßnahmen, die die Situation des behinderten Menschen wegen seiner Behinderung verschlechtern, indem ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten werden, welche anderen offen stehen (BVerfGE 96, 288 ≪303≫; 99, 341 ≪357≫). Angesichts dieses personalen Schutzbereichs ist eine Grundrechtsbetroffenheit des selbst nicht behinderten Beschwerdeführers fernliegend. Auch knüpft der Tatbestand des § 55 Abs. 3 SGB XI nicht an eine Behinderung, sondern an das Merkmal der Kinderlosigkeit ohne Rücksicht auf deren Gründe an. Soweit der Beschwerdeführer hinsichtlich des Gleichheitssatzes auf seine Ehefrau Bezug nimmt, wäre er nicht in eigenen Grundrechten betroffen; seine Ehefrau ist überdies in der sozialen Pflegeversicherung beitragsfrei mitversichert und damit von § 55 Abs. 3 SGB XI gar nicht betroffen.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG rügt, fehlt es in weiten Teilen bereits an der Darlegung der Selbstbetroffenheit. Die Verfassungsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf zur Verteidigung eigener subjektiver Rechte. Sie ist unzulässig, wenn sie auch im Fall des Obsiegens nur zu einer Veränderung der Rechtslage zum Nachteil anderer führen kann (vgl. BVerfGE 49, 1 ≪8≫). Hieran scheitert die Rüge des kinderlosen Beschwerdeführers, es sei verfassungswidrig, wenn Versicherte mit einem Kind und solche mit mehreren Kindern gleich behandelt würden. Gleiches gilt für den Vortrag, es sei willkürlich, die vor dem 1. Januar 1940 geborenen Personen von der Beitragspflicht auszunehmen (§ 55 Abs. 3 Satz 7 SGB XI), ohne dass der 1968 geborene Beschwerdeführer darlegt, welche für ihn günstigere Rechtsfolge sich hieraus ergeben würde. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Gesetzgeber die Benachteiligung der beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Versicherten solange vernachlässigen konnte, wie eine deutliche Mehrheit der Versicherten Erziehungsleistungen erbracht hat (vgl. BVerfGE 103, 242 ≪266≫). In der Gesetzesbegründung zum KiBG wird hieran anknüpfend der Stichtag 1. Januar 1940 damit begründet, dass die davor geborenen Versicherten noch überwiegend Kinder geboren und erzogen hätten und das Ausgleichserfordernis erst durch die – von der älteren Generation nicht mehr zu verantwortende – Entwicklung der Kinderzahlen ab Mitte der sechziger Jahre entstanden sei (vgl. BTDrucks 15/3671, S. 6). Mit dieser Erwägung setzt sich der Beschwerdeführer mit keinem Wort auseinander.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, § 55 Abs. 3 SGB XI sei verfassungswidrig, weil es danach ausschließlich auf die Elterneigenschaft und nicht auf tatsächlich erbrachte Erziehungsleistungen ankomme, die Beitragsbegünstigung also etwa auch im Fall des Todes des Kindes kurz nach der Geburt erhalten bleibe, fehlt jede Auseinandersetzung mit der Frage, weshalb der Gesetzgeber trotz des vom Bundesverfassungsgerichts betonten großen Spielraums bei der Ausge-staltung eines Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG entsprechenden Beitragsrechts in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. BVerfGE 103, 242 ≪270≫) mit der angegriffenen Regelung die Grenzen zulässiger Typisierung überschritten haben soll.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen