Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 12.05.2011; Aktenzeichen 24 W 35/11) |
LG Berlin (Beschluss vom 29.04.2011; Aktenzeichen 103 O 41/08) |
LG Berlin (Beschluss vom 15.03.2011; Aktenzeichen 103 O 41/08) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Sie ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerin den Rechtsweg nicht erschöpft hat.
1. Wird mit der Verfassungsbeschwerde ein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so zählt die Anhörungsrüge an das Fachgericht zum Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 ≪198≫). Die Beschwerdeführerin rügt der Sache nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, hat aber keine Anhörungsrüge erhoben.
In ihrer Verfassungsbeschwerde benennt die Beschwerdeführerin unter Angabe des jeweiligen Artikels des Grundgesetzes eine Reihe von Grundrechten, in denen sie sich verletzt sieht. Den grundrechtsgleichen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG nennt sie in diesem Zusammenhang zwar nicht, sondern macht sogar ausdrücklich geltend, einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO habe es vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht bedurft, weil sie sich nur gegen eine Verletzung anderer Rechte wende. Entscheidend ist aber nicht, welches Grundrecht ein Beschwerdeführer benennt, sondern welches er objektiv der Sache nach rügt (vgl. Desens, NJW 2006, S. 1243 ≪1246≫; Heinrichsmeier, NVwZ 2010, S. 228 ≪229≫). Rügt er der Sache nach eine Verletzung rechtlichen Gehörs, so bedarf es zur Erschöpfung des Rechtswegs der Erhebung der Anhörungsrüge vor dem zuständigen Fachgericht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. Mai 2008 – 1 BvR 27/08 –, juris, Rn. 12). So liegt es hier.
Der Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich, ausgehend von der subjektiven Beschwer des Beschwerdeführers, nach der behaupteten Verletzung eines der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten Rechte (vgl. BVerfGE 96, 251 ≪257≫; 126, 1 ≪17≫). Nach § 92 BVerfGG hat ein Beschwerdeführer in der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde das Recht, das verletzt sein soll, zu bezeichnen. Aber auch wenn ein Beschwerdeführer bestimmte konkret benannte und anhand des einschlägigen Grundgesetzartikels bezeichnete Grundrechte als verletzt rügt, kann seinem Vorbringen die Rüge der Verletzung eines weiteren oder anderen, nicht ausdrücklich benannten Grundrechts zu entnehmen sein (vgl. BVerfGE 79, 174 ≪201≫; 84, 366 ≪369≫; 85, 214 ≪217≫). Allerdings ist zu beachten, dass dem Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine Dispositionsfreiheit zukommt, aufgrund derer es ihm freisteht, die von ihm erhobene Verfassungsbeschwerde auf die Rüge bestimmter Grundrechtsverletzungen zu beschränken (vgl. BVerfGE 126, 1 ≪17 f.≫).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin aber nicht auf die Rüge einer Gehörsverletzung verzichtet; vielmehr rügt sie mit ihrem tatsächlichen Vorbringen und ihren rechtlichen Erwägungen der Sache nach zweifelsfrei eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Dabei orientiert sie sich erkennbar an den vom Bundesverfassungsgericht spezifisch zu diesem grundrechtsgleichen Recht entwickelten Maßstäben. Sie macht geltend, das Kammergericht habe erhebliche Beweisangebote aus Gründen nicht berücksichtigt, die im Prozessrecht keine Stütze fänden (vgl. dazu BVerfGE 69, 141 ≪144≫). Ein Beweisangebot habe es „ignoriert”, ohne es „überhaupt nur zu erwägen” (vgl. dazu BVerfGE 11, 218 ≪220≫). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihre Ausführungen auf das bei Art. 3 Abs. 1 GG verortete Willkürverbot bezieht, ändert nichts daran, dass es sich bei ihren Darlegungen der Sache nach um eine Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG handelt.
2. Aber auch wenn man davon ausginge, dass die Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG rügte, hätte sie zunächst eine Anhörungsrüge erheben müssen. Denn selbst wenn die von ihr angenommene Grundrechtsverletzung sich auch als Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG oder anderer Grundrechte beschreiben ließe, läge zugleich eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG vor, so dass die Erhebung einer Anhörungsrüge im fachgerichtlichen Verfahren Abhilfe hätte schaffen können und die Beschwerdeführerin diese Möglichkeit wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch hätte nutzen müssen (vgl. auch BVerfGK 14, 95 ≪98≫).
3. Dass die Beschwerdeführerin den statthaften Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO nicht erhoben hat, hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern insgesamt unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 – 1 BvR 644/05 –, NJW 2005, S. 3059 f.).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Gaier, Paulus, Britz
Fundstellen