Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzversicherung. Freie Wahl des Rechtsanwalts durch den Versicherungsnehmer. Klausel in den auf den Vertrag anwendbaren allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach rechtlicher Beistand in Gerichts- und Verwaltungsverfahren durch einen Arbeitnehmer des Versicherers gewährleistet ist. Erstattung der Kosten für rechtlichen Beistand durch einen externen Rechtsvertreter nur, wenn der Versicherer es für erforderlich hält, die Bearbeitung der Angelegenheit einem externen Rechtsvertreter anzuvertrauen
Normenkette
Richtlinie 87/344/EWG Art. 4 Abs. 1
Beteiligte
DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV |
Tenor
1. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein Rechtsschutzversicherer, der in seinen Versicherungsverträgen festlegt, dass rechtlicher Beistand grundsätzlich von seinen Mitarbeitern gewährt wird, sich darüber hinaus ausbedingt, dass die Kosten für rechtlichen Beistand durch einen vom Versicherungsnehmer frei gewählten Rechtsanwalt oder Rechtsvertreter nur dann übernahmefähig sind, wenn der Versicherer der Ansicht ist, dass die Bearbeitung der Angelegenheit einem externen Rechtsvertreter übertragen werden muss.
2. Für die Antwort auf die erste Frage ist nicht von Bedeutung, ob nach nationalem Recht in dem betreffenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren rechtlicher Beistand vorgeschrieben ist oder nicht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 28. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2012, in dem Verfahren
Jan Sneller
gegen
DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Achten Kammer C. G. Fernlund in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV, vertreten durch J. W. H. van Wijk und B. J. Drijber, advocaten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung (ABl. L 185, S. 77), die in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Sneller und der Versicherungsgesellschaft DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV (im Folgenden: DAS) über die Deckung der Kosten für rechtlichen Beistand durch einen vom Versicherungsnehmer gewählten Rechtsanwalt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 87/344 lautet:
„Das Interesse des Rechtsschutzversicherten setzt voraus, dass Letzterer selbst seinen Rechtsanwalt oder eine andere Person wählen kann, die die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren anerkannten Qualifikationen besitzt, und zwar immer, wenn es zu einer Interessenkollision kommt.”
Rz. 4
Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die vorliegende Richtlinie bezweckt die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Rechtsschutzversicherung …; damit soll die tatsächliche Ausübung der Niederlassungsfreiheit erleichtert und eine Interessenkollision weitestmöglich ausgeschaltet werden, die insbesondere entstehen [kann], wenn bei demselben Versicherer ein anderer Versicherer versichert ist oder wenn der Versicherer den Rechtsschutzversicherten gleichzeitig für andere … Versicherungszweige versichert hat; falls eine solche Interessenkollision dennoch auftritt, soll deren Behebung ermöglicht werden.”
Rz. 5
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Diese Richtlinie gilt für die Rechtsschutzversicherung. Diese besteht darin, dass gegen Zahlung einer Prämie die Verpflichtung eingegangen wird, die Kosten des Gerichtsverfahrens zu übernehmen und andere sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Leistungen zu erbringen, insbesondere um
- dem Versicherten den Schaden auf außergerichtlichem Wege oder durch ein Zivil- oder Strafverf...