Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltswerbung mit einer kostenlosen Deckungsanfrage bei Rechtsschutzversicherern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Werbung eines Rechtsanwalts mit kostenlosen Deckungsanfragen bei Rechtsschutzversicherern ist grundsätzlich nicht (als unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit) irreführend, auch wenn kostenlose Deckungsanfragen eine weit verbreitete Praxis der Rechtsanwälte sind und die Werbung die kostenlose Leistung betont.

2. Eine Irreführung über den Umfang der als kostenlos gekennzeichneten Leistung stellt ggü. einer Irreführung über die Selbstverständlichkeit dieser Leistung einen anderen Streitgegenstand dar, auch wenn der Klageantrag insoweit formal identisch formuliert ist.

3. Kostenlose Deckungsanfragen sind wettbewerbsrechtlich nicht als unzulässige Gebührenunterschreitungen verfolgbar.

 

Normenkette

UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; BRAO § 49b Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 23.01.2008; Aktenzeichen 97 O 120/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.1.2008 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des LG Berlin - 97 O 120/07 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien - Rechtsanwälte - sind Mitbewerber. Die Beklagte schaltete - ebenso wie die Klägerin - eine Anzeige in der Druckschrift "www.W.de", Bereich Berlin-Prenzlauer Berg (Ausgabe 2007). Die Klägerin beanstandet in der Werbeanzeige der Beklagten den Hinweis: "Wir [arbeiten vertrauensvoll mit allen Rechtsschutzversicherungen zusammen und] übernehmen für Sie kostenlos die Deckungsanfrage". Dieser Hinweis ist (im Original der Anzeige, vgl. das im Termin vom 19.3.2010 überreichte Exemplar, dort S. 44, Bl. 125 der Akten) mit einem spaltenbreiten weißen Hintergrund versehen, wobei der Hintergrund im unteren Teil der Anzeige im Übrigen hell blau gehalten ist.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Werbung der Beklagten sei irreführend. Die Versicherungsnehmer gingen mit dem Abschluss der Rechtsschutzversicherung im Allgemeinen davon aus, für durchzuführende Prozesse - egal gegen wen - bis auf eine eventuell vereinbarte Selbstbeteiligung keine Kosten aufbringen zu müssen. Die Beklagte suggeriere, im Fall der Ablehnung der Deckungsanfrage auch die gerichtliche Durchsetzung gegen den Versicherer kostenlos zu erbringen.

Sollte dieser Eindruck entgegen ihrer (der Klägerin) Überzeugung bei den Versicherungsnehmern nicht entstehen, so liege eine unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit vor.

Ferner verzichte die Beklagte ohne gesetzliche Grundlage auf von ihr für die Deckungsanfrage zu erhebende Gebühren.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem ihrer Mitglieder, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs hinsichtlich zu erbringender rechtsberatender Dienstleistungen die wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Werbung zu verwenden, insb. wie in der Zeitschrift W. - Berlin Prenzlauer Berg (Ausgabe 2007) auf S. 44 dargestellt:

"Wir ... übernehmen für Sie kostenlos die Deckungsanfrage".

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG hat im angefochtenen Urteil in seiner Urteilsformel die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Im Tatbestand hat das LG festgestellt: "Seit langer Zeit ist es weit verbreitete Praxis der Rechtsanwälte, die Deckungsanfrage für den Mandanten kostenlos bei der Rechtsschutzversicherung zu stellen. Die Rechtsschutzversicherungen sind in der Regel an einer möglichst knapp formulierten Anfrage interessiert. Lehnen sie die Deckungszusage ab, so erhebt die Beklagte bei einem etwaigen Deckungsprozess gegen den Versicherer von ihrem Mandanten Gebühren, worauf sie ihn vorab hinweist."

In den Entscheidungsgründen hat das LG einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen einer herausgestellten Werbung mit einer Selbstverständlichkeit (kostenlose Deckungsanfrage) bejaht und eine Irreführung über den Umfang der Vergütungsfreiheit (kostenlose Deckungsanfrage und auch kostenloser Deckungsprozess) sowie einen wettbewerbsrechtlich zu untersagenden Gesetzesverstoß wegen Gebührenunterschreitung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) verneint. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung stellt die Beklagte weiterhin eine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit mangels besonderer Hervorheb...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge