Leitsatz (amtlich)
1. In einem Verfahren, mit dem die Übertragung der elterlichen Sorge für ein Kind auf allein den Elternteil, in dessen Haushalt es seit langem lebt, erstrebt wird, ist - wenn dies dem erklärten Willen des Kindes entspricht und bereits die ausdrückliche Zustimmung des anderen Elternteils vorliegt - die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe mangels Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht erforderlich.
2. Nach der Regelung durch § 78 Abs. 2 FamFG ergibt sich eine Notwendigkeit zur Anwaltsbeiordnung auch nicht allein daraus, dass ein anderer Beteiligter anwaltlich vertreten ist; dies gilt insbesondere, wenn dieser lediglich die Zustimmungserklärung wiederholt und eine vom anderen Elternteil selbst verfasste Äußerung zu den Grundlagen seiner Zustimmung übermittelt.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 28.09.2010; Aktenzeichen 614 F 4223/10) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern von fünf - inzwischen bis auf den Betroffenen volljährigen - Kindern. Nach Trennung im Jahre 2003 ist ihre Ehe seit Frühjahr 2006 rechtskräftig geschieden; die elterliche Sorge für die drei damals minderjährigen Kinder ist von beiden Elternteilen weiter gemeinsam ausgeübt worden, lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist bezüglich zweier Kinder - darunter des Betroffenen - auf die Mutter, hinsichtlich des Weiteren Kindes auf den Vater allein übertragen worden. Für den Betroffenen wird durch das Jugendamt seit 2006 Hilfe zur Erziehung gem. § 32 SGB VIII gewährt; er besucht eine sozialpädagogische Tagesgruppe. In den diesbezüglichen Hilfeplanungen ist auch der seit langem nur noch sehr unregelmäßige und zuletzt vom Betroffenen gänzlich eingestellte Umgangskontakt zum Kindesvater thematisiert und mit dem Jugendamt die weitere Vorgehensweise besprochen worden.
Im vorliegenden Verfahren hat die antragstellende Kindesmutter im August 2010 über ihren Verfahrensbevollmächtigten die Übertragung der elterlichen Sorge für den Betroffenen auf sich allein begehrt und eine aktuelle diesbezügliche schriftliche Zustimmung des Kindesvaters vorgelegt; zugleich hat sie für das Verfahren um "Prozesskostenhilfe" unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht. Das AG hat nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die anderen Beteiligten, in deren Rahmen sich das Jugendamt bereits mit einem abschließenden Bericht u.a. im Hinblick auf den vom Betroffenen ausdrücklich selbst dahin erklärten Wunsch zustimmend geäußert hat, mit Beschluss vom 28.9.2010 Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt, die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten mangels erforderlicher Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage jedoch versagt.
Der Kindesvater hat über seinen Verfahrensbevollmächtigten seine Zustimmung zur Sorgerechtsübertragung wiederholt und eine selbstgefertigte zweiseitige "Stellungnahme" übermittelt, in der er seine Motive dafür näher darlegt; zugleich hat auch er um VKH unter Anwaltsbeiordnung nachgesucht, worüber das AG mangels Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht befunden hat.
Gegen die Versagung der Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten im Beschluss vom 28.9.2010 richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die ihr Begehren ohne zusätzliche Begründung weiterverfolgt. Das AG hat mit Beschluss vom 8.11.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin kann in der Sache keinen Erfolg haben.
a. In Familiensachen, die weder Ehesachen noch Familienstreitsachen sind, ist die Bewilligung von VKH in §§ 76 ff. FamFG geregelt, wobei sich die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen bewilligter VKH aus § 78 FamFG ergeben; danach ist, soweit in dem Verfahren die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, ein Rechtsanwalt beizuordnen, "wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint" (§ 78 Abs. 2 FamFG). Der BGH hat mit seinem Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09, FamRZ 2010, 1427 ff. = MDR 2010, 1145 ff. = NJW 2010, 3029 ff. - geklärt, dass es sich insofern um eine einzelfallbezogene tatrichterliche Prüfung handelt, bei der darauf abzustellen ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung beauftragt hätte; eine Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung kann sich dabei sowohl im Hinblick auf eine Schwierigkeit der Sachlage als auch auf eine solche der Rechtslage allein ergeben und ist auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten zu beurteilen; der Grundsatz der "Waffengleichheit" ist dabei schließlich kein allein entscheidender Gesichtspunkt, so dass der Umstand anwaltlicher Vertretung anderer Beteiligter lediglich ein in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigendes Kriterium bildet. D...