Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Kostenbeschwerde in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einer Kostenbeschwerde bleibt der Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens maßgeblich für die Einordnung, ob es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit i.S.v. § 61 Abs. 1 FamFG handelt.

2. In Vaterschaftsfeststellungsverfahren entspricht es regelmäßig der Billigkeit, die erstinstanzlichen Verfahrenskosten zwischen den Kindeseltern gegeneinander aufzuheben, wenn ohne sachverständige Klärung Zweifel bestehen, wer der Vater ist.

 

Normenkette

FamFG § 61 Abs. 1, § 81

 

Verfahrensgang

AG Viersen (Beschluss vom 14.11.2011; Aktenzeichen 26 F 112/11)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG Viersen vom 14.11.2011 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Kindesmutter und der Kindesvater ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Die übrigen Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Kindesmutter und der Kindesvater je zur Hälfte.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kindesmutter und der Kindesvater ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kindesmutter und der Kindesvater je zur Hälfte.

Der Beschwerdewert entspricht den erstinstanzlichen Kosten in folgendem Umfang: den außergerichtlichen Kosten der Kindesmutter in voller Höhe und jeweils der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Kindes und der Gerichtskosten.

II. Dem Kindesvater wird für die Durchführung seiner Beschwerde ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

 

Gründe

1. Die zulässige Kostenbeschwerde des Kindesvaters ist begründet.

a) Die Beschwerde ist zulässig, auch wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR nicht übersteigt.

Der Zulässigkeit der diesbezüglichen Beschwerde steht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 11.10.2010 - II-1 WF 133/10 -, JAmt 2010, 497; Beschl. v. 24.5.2011 - II-1 WF 260/10) § 61 Abs. 1 FamFG nicht entgegen. Diese Regelung findet bei einer Abstammungssache keine Anwendung, weil es sich hierbei nicht um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt. Die Anfechtung einer Kostenentscheidung vermag an der Qualifikation einer Familiensache als vermögens- oder nichtvermögensrechtlich nichts zu ändern (so auch OLG Nürnberg NJW 2010, 1468 f.; Zöller/Feskorn, ZPO, 29. Aufl., § 61 FamFG Rz. 6, dort zu bb - auch zum Meinungsstand). Die gegenteilige Auffassung führt insbesondere bei einer vergleichenden Betrachtung der Zulässigkeit von Kostenbeschwerden in Familiensachen, die keine Familienstreitsachen sind, mit der Zulässigkeit von Kostenbeschwerden in Familienstreitsachen zu Ergebnissen, denen es an einer inneren Rechtfertigung fehlt. Dies zeigt nachfolgende Gegenüberstellung der Zulässigkeit der Kostenbeschwerde gegen eine Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme in einer Abstammungssache und der Zulässigkeit der Kostenbeschwerde gegen eine Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme in einer Familienstreitsache, also einer in § 112 FamFG aufgeführten Unterhalts-, Güterrechts- oder sonstigen Familiensache.

Soll die Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme in einer Güterrechtssache oder sonstigen Familiensache angefochten werden, finden über §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 269 Abs. 5 ZPO die Vorschriften der sofortigen Beschwerde (§§ 567 ff. ZPO) Anwendung. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme in einer - in der Hauptsache rechtsmittelfähigen - Güterrechtssache oder sonstigen Familiensache ist also bei einer Beschwer von über 200 EUR zulässig (§ 567 Abs. 2 ZPO). Gleiches gilt für eine Unterhaltssache (vgl. BGH FamRZ 2011, 1933 ff.).

Soll die Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme in einer Abstammungssache angefochten werden, ist diese Kostenbeschwerde - wendet man, obwohl es sich bei einer Abstammungssache um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit handelt, auf die Kostenbeschwerde nun § 61 Abs. 1 FamFG an - erst bei einer Kostenbeschwer von über 600 EUR zulässig.

Eine innere Rechtfertigung dafür, dass bei einer in der Hauptsache rechtsmittelfähigen Familienstreitsache nach Antragsrücknahme die Anfechtung der Kostenentscheidung bereits bei einer Kostenbeschwer von mehr als 200 EUR, dagegen in einer Abstammungssache, bei der in der Hauptsache der Rechtsmittelzug ohne Erreichen einer Beschwerdesumme eröffnet ist, nach Antragsrücknahme die Anfechtung der Kostenentscheidung aber erst bei einer Kostenbeschwer von über 600 EUR zulässig sein soll, fehlt. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass gerade in den nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten § 81 Abs. 3 FamFG dem minderjährigen Beteiligten eine besondere kostenrechtliche Stellung einräumt.

Dem Gesetzgebungsverfahren ist ein Wille des Gesetzgebers, dass nicht die Hauptsache für die Qualifikation einer Familiensache als vermögensrechtlich oder nichtvermögensre...

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