Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Arzneimittel in Tablettenform mit Bruchrille angeboten, so erwartet der Verkehr (hier: § 8 AMG), dass die Tablette dort mechanisch teilbar ist und dass die Galenik das Teilen der Tablette jedenfalls grundsätzlich zulässt. Der Verkehr nimmt verständigerweise aber nicht an, dass es beim Einnehmen gar keinen Unterschied macht, wenn man eine ungeteilte oder eine geteilte Tablette einnimmt.
2. Wird ein Arzneimittel mit einer der Zulassung nicht entsprechenden Dosierung (hier: 1/2 Tablette) beworben, liegt eine über den Zulassungsstatus hinaus gehende Werbung vor, die gegen § 3a HWG verstößt. Durch die Bruchrille auf der Tablette wird zumindest mittelbar ausgelobt, die Tablette sei entsprechend der Zulassung teilbar und es gäbe (auch) die Dosierung von 1/2 Tablette. Ist die Tablettenform mit Bruchrille Gegenstand des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens gewesen, so ist bei Fehlen einer zugelassenen Dosierung von 1/2 Tablette gleichwohl kein Verstoß gegen § 3a HWG, jedenfalls aber kein Verstoß gegen § 1 UWG gegeben, soweit es nur um die Verwendung der Tablettenform mit Bruchrille geht.
Normenkette
AMG § 8; HWG § 3a; UWG § 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 34/02) |
Tenor
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren zunächst auf 500.000 Euro festgesetzt, von der Erledigungserklärung an bemisst er sich nach den bis dahin entstandenen Kosten.
Gründe
Nachdem die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 3.2.2003 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat und die Antragsgegnerin dem nicht widersprochen hat, ist nur noch gemäß § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens insgesamt der Antragstellerin aufzuerlegen. Ihre Berufung gegen das Urteil des LG Hamburg vom 13.2.2002 hätte voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch war ursprünglich nicht begründet.
I. Die Antragsgegnerin hat die verschreibungspflichtigen Generika-Arzneimittel (sog. Rezeptoren-Blocker) „m… 100 mg retard” (Anlage Ast 2) und „m… 200 mg retard” vertrieben, deren Tabletten mit einer Bruchrille versehen sind (vgl. für „m-… 100 mg retard”: Anlage ASt 5).
Die Antragstellerin hat das als wettbewerbswidrig beanstandet und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Der mit dem Arzneimittel der Antragsgegnerin konkurrierende Beta-Blocker „B-cccccccc” der Antragstellerin enthält die Wirksubstanz Metoprolol – und zwar als Metoprolol-Succinat (Anlage ASt 1) – in einer speziellen, patentgeschützten Galenik, so dass der Wirkstoff bei gleichmäßiger Freisetzung konstante Blutspiegel erzeugt und das Präparat als 1 x 1-Dosierung verabreicht werden kann. In dem Arzneimittel „m-… retard” der Antragsgegnerin ist – wie bei denen anderer Generika-Hersteller – der Wirkstoff Metoprolol-Tartrat enthalten.
Das LG hat mit dem Urteil vom 13.2.2002 seine einstweilige Beschlussverfügung vom 24.1.2002, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, das Arzneimittel m-… 100 mg und 200 mg retard in der Darreichungsform einer Tablette, die mit einer Bruchrille versehen ist, in den Verkehr zu bringen, aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Mit der Berufung hat die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Verfügungsantrag gemäß der Beschlussverfügung weiter verfolgt, allerdings mit dem Verbotsausspruch: „die Arzneimittel m- …”. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 14.1.2003 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben lassen, der Verbotsausspruch entspricht dem des in zweiter Instanz angekündigten Unterlassungsantrags. Das hat zu der Erledigungserklärung der Antragstellerin geführt.
II. Die zulässige Berufung der Antragstellerin hätte in der Sache keinen Erfolg gehabt. Der Unterlassungsantrag war auch nach Auffassung des Senats nicht begründet.
1. Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Inverkehrbringen des Arzneimittels „m-… retard” in den Wirkstoffstärken zu 100 mg und 200 mg, und zwar jeweils in der Darreichungsform einer mit einer Bruchrille versehenen Tablette. Es geht um die Tablettenform „mit Bruchrille” als solche, Besonderheiten etwa im werblichen Umfeld oder in der Packungsaufmachung sind nicht Streitgegenstand.
Soweit das LG im angefochtenen Urteil außerdem den „in der mündlichen Verhandlung vom 13.2.2002 gestellten Hilfsantrag” zurückgewiesen hat, ging diese Entscheidung ins Leere. Ausweislich des unbeanstandet gebliebenen Verhandlungsprotokolls (Bl. 32–33) und in Übereinstimmung mit dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 44) hatte die Antragstellerin keinen Hilfsantrag gestellt.
2. Der Unterlassungsanspruch war nicht aus § 1 UWG, § 8 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 2c AMG begründet gewesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AMG ist es verboten, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu...