Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Verfahrensaussetzung nach § 21 Abs. 1 S. 1 FamFG beim Zusammentreffen von Personenstands- und Vaterschaftsanfechtungsverfahren.
2. Zur Abstammungsvermutung nach marokkanischem Recht.
Normenkette
FamFG § 21 Abs. 1 S. 1; EGBGB Art. 5 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1; BGB § 1594 Abs. 2, § 1598 Abs. 2; PStG §§ 48, 50
Verfahrensgang
AG Mannheim (Beschluss vom 29.06.2012; Aktenzeichen UR III 17/12) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss des AG Mannheim vom 29.6.2012 - (...) 8 UR III 17/12 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Geschäftswert der Beschwerdeinstanz wird auf EUR 3.000 festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 2, die Mutter der Betroffenen, und ihr jetziger Ehemann - der Beteiligte zu 3 - wenden sich gegen die Anordnung des AG, als Familiennamen der Betroffenen denjenigen ihres früheren Ehemanns - des Beteiligten zu 4 - einzutragen.
Die Beteiligte zu 1 wurde am 18.10.2005 in Mannheim als Tochter der Beteiligten zu 2, einer marokkanischen Staatsangehörigen, geboren. Bei der Beurkundung der Geburt gab die Beteiligte zu 2 an, noch nie verheiratet gewesen zu sein. Das entsprach nicht den Tatsachen; tatsächlich war die Beteiligte zu 2 zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Beteiligten zu 4 - einem marokkanischen Staatsangehörigen - verheiratet, mit dem sie 1990 in Marokko die Ehe geschlossen hatte. Aufgrund vorgeburtlicher Anerkennung der Vaterschaft wurde der Beteiligte zu 3, der deutscher Staatsangehöriger ist, als Vater des Kindes in das Register eingetragen. Es wurde gemeinsame elterliche Sorge vereinbart und der Familienname des Beteiligten zu 3 als Geburtsname der Beteiligten zu 1 bestimmt. Nachdem die zwischen den Beteiligten zu 2 und 4 bestehende Ehe am 30.1.2008 von einem marokkanischen Gericht - in Abwesenheit des Beteiligten zu 4 - geschieden worden war, schlossen die Beteiligten zu 2 und 3 am 22.5.2008 in Marokko die Ehe. Der Beteiligte zu 4 ist unbekannten Aufenthalts.
Standes- und Rechtsamt der Stadt Mannheim haben bei dem AG beantragt, das Geburtenregister in der Weise zu berichtigen, dass als Vater der Beteiligten zu 1 der Beteiligte zu 4 eingetragen und dessen Familienname auch für die Beteiligte zu 1 übernommen wird. Sie haben die Auffassung vertreten, sowohl nach marokkanischem als nach deutschem Recht gelte der Beteiligte zu 4 als Vater der Betroffenen; dessen Familienname sei daher in Anwendung des marokkanischen Rechts auch als Familienname der Betroffenen einzutragen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 sind dem Antrag entgegengetreten. Zur Begründung haben sie vorgetragen, der Beteiligte zu 3 sei der leibliche Vater des Kindes; eine Vaterschaft des Beteiligten zu 4 sei ausgeschlossen. Seit einer Trennung im Jahr 2002 habe die Beteiligte zu 2 keinen Kontakt zu dem Beteiligten zu 4 mehr gehabt. Die Vaterschaftsanerkennung des Beteiligten zu 3 sei jedenfalls gem. § 1598 Abs. 2 BGB wirksam, da seit der Eintragung in das Personenstandsregister fünf Jahre vergangen seien.
Hilfsweise haben die Beteiligten zu 2 und 3 beantragt, das Personenstandsverfahren bis zur erfolgreichen Durchführung einer Vaterschaftsanfechtungsklage auszusetzen, da diese vorgreiflich sei. Die Beteiligte zu 1 sei es auch aufgrund ihrer Herkunft aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis unzumutbar, nicht mehr den Familiennamen ihres leiblichen Vaters, sondern eines ihr fremden Menschen zu tragen; es drohten hierdurch psychische Schäden.
Das AG hat dem Berichtigungsantrag stattgegeben. Das Geburtenregister sei gem. §§ 48, 50 PStG zu berichtigen, da es von Anfang an unrichtig sein. Da die Beteiligte zu 2 zum Zeitpunkt der Geburt der Beteiligten zu 1 mit der Beteiligten zu 4 verheiratet gewesen sei, sei dieser sowohl nach deutschem als auch nach marokkanischen Recht als rechtlicher Vater des Kindes im Register einzutragen. Aus dem Vaterschaftsanerkenntnis des Beteiligten zu 3 ergebe sich nichts anderes. Ein Vaterschaftsanerkenntnis sei gem. § 1594 Abs. 2 BGB nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes bestehe. Dem Hilfsantrag auf Aussetzung des Verfahrens sei nicht zu entsprechen, da die Voraussetzungen des §§ 21 FamFG nicht vorlägen. Trotz gerichtlicher Aufforderung habe die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 und 3 nicht dargelegt, dass ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren überhaupt anhängig gemacht worden sei. Auch der Sache nach liege ein wichtiger Grund nicht vor, da der Beteiligte zu 4 als rechtlicher Vater in jedem Fall zunächst in das Geburtenregister einzutragen sei, bevor gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt nach erfolgreicher Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 4 in einem gerichtlichen Verfahren eine Fortschreibung des Registers und einer Eintragung des Beteiligten zu 3 aufgrund des Vaterschaftsanerkenntnisses erfolgen könne.
Gegen diese Entscheidung, die ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 12...