Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust der 100%igen Kfz-Versicherungsleistungen wegen grober Fahrlässigkeit i.S.v. § 81 Abs. 2 VVG unter Alkoholeinfluss
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 10.9.2010.
Gründe
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Die Berufungsbegründung enthält keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen durch das LG Tübingen begründen. Da solche auch sonst nicht ersichtlich sind, ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO hieran gebunden. Sie rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Zu Recht hat das LG die Klage als unbegründet abgewiesen, da die Beklagte nach § 81 Abs. 2 VVG berechtigt war, die Leistung um 100 % zu kürzen. Denn der Sohn des Klägers hat als dessen Repräsentant den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, und die Schwere des Verschuldens rechtfertigt eine Kürzung um 100 %.
1. Indem der Sohn des Klägers das versicherte Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,29 - im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit führte, hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und damit objektiv grob fahrlässig gehandelt (zum Begriff der groben Fahrlässigkeit i.S.d. § 81 Abs. 2 VVG s. statt vieler BGH, Urt. v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, zit. nach juris, Rz. 9 f.; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 28 VVG, Rz. 121; Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, § 81 VVG, Rz. 3). Ihm war bewusst, dass er damit sich und andere erheblich gefährdete. Insoweit wird auf die vom Senat geteilten Entscheidungsgründe des LG Tübingen verwiesen.
a) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es sich vorliegend objektiv um einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die allgemeinen Sorgfaltsanforderungen handelt, wie sich insbesondere aus den normativen Vorprägungen anderer Rechtsgebiete, hier des Verkehrsstrafrechts, ergibt. Denn diese sind zur Beurteilung des objektiven Schuldvorwurfs maßgeblich zu beachten (Burmann in: Burmann/Heß/Hanke/Janker, Straßenverkehrsrecht, § 81 VVG, Rz. 11; Nehm, ZfS 2010, 12 zu den Empfehlungen des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstages vom Januar 2009 [sog. "Goslarer Orientierungsrahmen"]; Nugel, MDR 2010, 597 [598]; Rixecker, ZfS 2009, 5, Ziff. 6). Indem der Sohn des Klägers mit seiner Trunkenheitsfahrt den Straftatbestand des § 315c) Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllte, hat er zum einen eine schwere Verkehrsstraftat begangen. Zum anderen hat sich mit der Beschädigung eines anderen Fahrzeugs das der Trunkenheitsfahrt immanente Risiko der Gefährdung anderer Rechtsgüter sogar verwirklicht.
b) Auch in subjektiver Hinsicht ist dem Repräsentanten des Klägers sein Verhalten in besonderem Maße vorzuwerfen, was die Beklagte zu einer der Schwere des Verschuldens entsprechenden Kürzung um 100 % der Versicherungsleistung berechtigte. Insbesondere entlastet den Sohn des Klägers nicht, dass er zunächst vorgehabt hat, nicht mit dem Auto nach Hause zu fahren, sondern zu Fuß zu gehen. Dies kann ohne weiteres unterstellt werden. Zwar hat das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 12.11.1986 (Az. 20 W 58/86, VersR 1988, 369) entschieden, dass einem Versicherungsnehmer unter Umständen der Vorwurf grober Fahrlässigkeit trotz Führens eines Kraftfahrzeuges im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit nicht gemacht werden kann, wenn dieser zunächst nicht vorgehabt hat, nach Alkoholgenuss selbst zu fahren und sogar Vorkehrungen getroffen hat, dies zu verhindern. Anders als im dortigen Fall ließ sich der Sohn des Klägers jedoch nicht durch ganz besondere, nachvollziehbare äußere Umstände dazu verleiten, entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben doch mit dem Auto zu fahren. Dass er sich lediglich spontan über seinen ursprünglichen Plan hinwegsetzte, zeigt vielmehr, dass er es in ganz besonderem Maße am erforderlichen Verantwortungsbewusstsein fehlen ließ. Dies gilt insbesondere, weil es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, die kurze Strecke von nur ca. 1000 m zu Fuß zurückzulegen und ohne Auto nach Hause zu kommen.
Wie das LG Tübingen zu Recht ausgeführt hat, ist diese Abkehr vom ursprünglichen Plan auch kein Augenblicksversagen, das den subjektiven Schuldvorwurf entschärfen könnte. Zum einen hat der Sohn des Klägers den Versicherungsfall überhaupt nicht durch das sog. Augenblicksversagen herbeigeführt. Denn darunter versteht man den Umstand, dass der Handelnde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt für kurze Zeit außer Acht ließ (BGH, Urt. v. 8.7.1992 - IV ZR 223/91, zitiert nach juris, Rz. 13; Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG, Klothe/Neuhaus, § 81 Rz. 27 f.). Dabei sind dem Wortlaut entsprechend nur einma...