Erfolgreiche Digitalisierung braucht begleitenden Kulturwandel
Mit rund 800 Teilnehmenden ist die Kienbaum-Studie die größte Befragung dieser Art in Deutschland ist. Die Erhebung wurde in Kooperation mit Kommunales Bildungswerk e.V. und Centre for Digital Governance der Hertie School of Governance durchgeführt.
Digitalisierungsdruck steigt
Die Studie fand vor dem Hintergrund statt, dass eine digitale Transformation der Verwaltung notwendig und bereits in der Umsetzung ist:
Das Onlinezugangsgesetz (OZG), eGovernment-Gesetze (eGovG) und die EU -Verordnung 2018/1724 zum Single Digital Gateway (SDG; d.h. Verwaltungsverfahren müssen EU-grenzüberschreitend diskriminierungsfrei zugänglich und abwickelbar sein) verpflichten die Verwaltung zum zeitnahen Handeln.
Planungen zu Smart Cities setzen eine digitale Verwaltungsstruktur voraus. Daneben erwarten Gesellschaft und Unternehmen erwarten zunehmend, dass sich ihre digitale Lebenswirklichkeit auch in Verwaltungsprozessen wiederfindet.
Digitale Transformation erfordert Kulturwandel
Die Schaffung von technischen Voraussetzungen für digitales Verwaltungshandeln ist nicht die einzige Voraussetzung für die digitale Transformation. Ihr Erfolg hängt entscheidend davon ab, ob auch die Menschen, die sie umsetzen sollen – Mitarbeitende und Führungskräfte - die Prozesse voranbringen, Arbeitsabläufe neu denken und so die vorhandenen oder noch zu schaffenden digitalen Werkzeuge optimal einsetzen.
Diese Erkenntnis war Grundlage der nun durchgeführten Studie, mit der geklärt werden sollte, welche Möglichkeiten bestehen, um eine innovationsfreudige Behördenstruktur zu schaffen. Folgende Grundfragen sollten mit der Erhebung beantwortet werden:
- Welche Hebel und Handlungsfelder bestehen, um eine digitale Verwaltungskultur zu fördern und zu gestalten?
- Wie sieht der Umsetzungsgrad entsprechender Maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung aktuell aus?
Befragt wurden 800 Personen aus Organisationen unterschiedlicher Verwaltungsebenen und Größen. Von Sachbearbeitern bis zu Behördenleitungen waren alle Hierarchieebenen vertreten. Führungskräfte machten 50 Prozent der Befragten aus.
Führungskräfte mit Vorbildfunktion
Führungskräfte können ein bedeutender Erfolgsfaktor für die Digitalisierung sein: „Sie müssen vorangehen, was die Nutzung digitaler Instrumente und agiler Methoden angeht“, sagt Hilmar Schmidt, Managing Director Public Sector & Health Care bei Kienbaum. „Für rund drei Viertel unserer Befragten geht die Führungsaufgabe ganz klar mit ihrer eigenen Vorbildfunktion einher. Sieben von zehn Befragten erwarten von einer zukunftsorientierten Führungskraft zudem das Teilen von Wissen und Fähigkeiten.“ Die proaktive Fortbildung und die eigene Anwendung der Fähigkeiten erwarten darum auch rund die Hälfte der Teilnehmenden von einer Führungskraft, die Digitalisierung selbst lebt und digital denkt.
Die Befragten gaben an, dass Verhaltensweisen wie Entscheidungsfreude, das Formulieren klarer Erwartungen an digitales Arbeiten der Mitarbeitenden und die Abkehr vom Präsentismus noch am wenigsten ausgeprägt seien.
Aktueller Digitalisierungsgrad ausbaufähig
Die Selbsteinschätzung des Digitalisierungsgrades der öffentlichen Verwaltungen zeigt ein eher ernüchterndes Bild: Rund 43 Prozent der Befragten gaben an, mit dem Digitalisierungsfortschritt ihrer eigenen Organisation eher nicht zufrieden zu sein. Studienleiter René Ruschmeier, Director bei Kienbaum, sagte dazu:
Nur ein Drittel der Befragten weiß von einer Digitalisierungsstrategie in ihrer Organisation und nur ein Viertel der Befragten gibt an, einen Umsetzungsfahrplan für OZG und eGovG ihrer Organisation zu haben.
Auch die Onlineverfügbarkeit ist laut der Erhebung noch deutlich ausbaufähig: Nur 35 Prozent der Befragten geben an, dass Leistungen ihrer Organisation online zur Verfügung stünden.
Digitale Denkweise als Teil der Kultur
„Ein essenzieller Teil der Digitalisierung ist die Implementierung einer digitalen Denkweise, die innovative Maßnahmen wie die Etablierung von Methoden des agilen Projektmanagements, das Schaffen einer Infrastruktur zum Experimentieren und Ausprobieren sowie ein Innovationsbudget voraussetzt“, beschreibt René Ruschmeier die wichtige Rolle derjenigen Organisationen, die solch einen Kulturwandel anstreben. „Aktuell stellen wir allerdings fest, dass die genannten Rahmenbedingungen noch am geringsten priorisiert und gleichzeitig als am wenigsten umgesetzt bewertet werden.“
Laut der Befragten der Studie umfasst eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen die Schaffung einer angemessenen Infrastruktur für digitales Arbeiten (78 Prozent) und für mobiles Arbeiten (66 Prozent) sowie die Berücksichtigung von Service- und Nutzerorientierung (57 Prozent). Beratung zu Fragen des Datenschutzes und der IT-Sicherheit wurden von 48 Prozent der Befragten als wichtig angesehen, die Schaffung einer Digitaleinheit zur Umsetzung von Digitalisierungsprojekten hielten 44 Prozent der Befragten für notwendig.
Rolle der Personalarbeit
Als die fünf wichtigsten Schwerpunkte, die sich eine Personalabteilung für ihre Arbeit setzen sollte, um die Entwicklung einer digitalen Verwaltungskultur bestmöglich zu fördern, wurden am häufigsten benannt:
- Zurverfügungstellen eines niederschwelligen Lernangebots zur Förderung der Digitalkompetenzen aller Mitarbeitenden (71 Prozent)
- Strukturierte Analyse der fehlenden digitalen Kompetenzen (58 Prozent)
- Digitalisierung der HR-Prozesse (49 Prozent)
- Digitalkompetenz als Voraussetzung für die Übernahme einer Führungsposition (47 Prozent)
- Förderung der Übernahme von Verantwortung für Digitalisierungsprojekte durch Mitarbeitende (44 Prozent)
Fazit der Studie ist, dass der Handlungsbedarf hoch ist und der Umsetzungsgrad vieler Projekte als noch zu gering eingeschätzt wird.
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