Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Entlassung wegen Abfassung von Beleidigungen

 

Orientierungssatz

1. Grundsätzlich ist ein Berufungsurteil vom Amts wegen ohne Sachprüfung aufzuheben, wenn es keinen oder lediglich einen unzulänglichen Tatbestand enthält, der keine zuverlässige Grundlage für eine revisionsrechtliche Überprüfung bietet. Von einer Zurückverweisung kann jedoch abgesehen werden, wenn die Parteien nur über Rechtsfragen streiten und der Sach- und Streitstand im Berufungsurteil wenigstens so weit wiedergegeben ist, daß eine ausreichende tatsächliche Grundlage für die Beurteilung dieser Rechtsfrage gegeben ist.

2. Beleidigungen des Arbeitgeber bzw das Aufstellen unwahrer und ehrenrühriger Behauptungen über den Arbeitgeber können grundsätzlich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß der Arbeitnehmer diese Behauptungen und Gedanken kundtut, dh anderen mitteilt. Die Kundgebung der Mißachtung oder Nichtachtung gehört notwendigerweise zum Begriff der Beleidigung.

 

Normenkette

BGB § 626; ZPO § 543

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 10.08.1983; Aktenzeichen 9 Sa 217/83)

ArbG München (Entscheidung vom 13.01.1983; Aktenzeichen 6 Ca 14706/81)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom Beklagten am 16. November 1981 dem Kläger gegenüber ausgesprochenen fristlosen Kündigung.

Der Beklagte ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der "Neue Wirtschafts-Publikationen-Verlagsgesellschaft mbH". Zweck dieser Gesellschaft ist das Verlegen der periodisch erscheinenden Wirtschaftszeitschrift "Etage".

Mit Vertrag vom 10. September 1981 verpflichtete der Beklagte den Kläger zu einer auf sechs Monate befristeten Mitarbeit als Journalist an dieser Wirtschaftszeitschrift. Der Kläger hat seine Tätigkeit bereits am 1. September 1981 aufgenommen.

Bereits am 16. November 1981 kündigte der Beklagte, der auf dem Schreibtisch des Klägers einen von diesem unter dem 11. November 1981 gefertigten handschriftlichen Entwurf eines Schreibens mit nachteiligem und beleidigendem Inhalt über ihn gefunden hatte, dem Kläger fristlos.

Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung schickte der Kläger ein inhaltlich dem Entwurf vom 11. November 1981 entsprechendes Schreiben an Herrn Dr. B-R, der einer der Darlehensgeber der vom Beklagten gegründeten Gesellschaft war.

Mit seiner am 7. Dezember 1981 erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung gewendet und vorgetragen, gegenüber Dritten keine beleidigenden Äußerungen über den Beklagten erhoben zu haben. Der von ihm am 11. November 1981 entworfene Brief habe sich in einer Pappschachtel mit weiteren persönlichen Unterlagen in seinem Büro befunden. Dieses Schreiben habe der Beklagte offenbar auch erst nach Ausspruch der fristlosen Kündigung in seinen Unterlagen gefunden. Auf diesen Kündigungsgrund habe sich der Beklagte jedenfalls erstmals am 8. Januar 1982 berufen. Vor Ausspruch der Kündigung habe er im übrigen auch nicht die feste Absicht gehabt, ein mit dem Entwurf vergleichbares Schreiben an Dr. B-R abzusenden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die fristlose Kündigung

des Beklagten vom 18. November 1981 das

Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien

nicht aufgelöst hat,

ferner hilfsweise festzustellen, daß die

fristlose Kündigung des Beklagten vom

16. November 1981 das Arbeitsverhältnis

zwischen den Parteien nicht aufgelöst hat.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe über ihn verleumderische Behauptungen verbreitet, die die fristlose Kündigung ohne weiteres rechtfertigten. Sein Mitarbeiter Rolf G habe ihm am 15. November 1981 mitgeteilt, daß der Kläger über ihn behaupte, er komme seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, weshalb der Kläger gezwungen sei, die Honorare über Herrn Dr. B-R zu erhalten. Nach der von Rolf G erhaltenen Information habe der Kläger auch erklärt, daß seine Tätigkeit als Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift "Etage" nur als betrügerischer Bankrott bezeichnet werden könne. Am 15. November 1981 habe er auf dem Schreibtisch des Klägers dessen Brief-Entwurf vom 11. November 1981 gefunden. Dieser Verunglimpfungen und Diffamierungen enthaltende Entwurf habe einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit jeglichen Boden entzogen.

Der Beklagte hat aufgrund einer eidesstattlichen Versicherung des Rolf G am 2. Dezember 1981 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der dem Kläger die von G mitgeteilten Äußerungen untersagt wurden. Nachdem G in einer weiteren eidesstattlichen Versicherung vom 14. Dezember 1981 seine bisherigen Behauptungen widerrufen hatte, wurde die einstweilige Verfügung auf Widerspruch des Klägers hin aufgehoben. G ist vom Amtsgericht München wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Das Arbeitsgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen festgestellt, daß die fristlose Kündigung vom 16. November 1981 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst und dieses über den 18. November 1981 hinaus fortbestanden hat.

Das Landesarbeitsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen G die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Revisionsgrund.

1. Grundsätzlich ist ein Berufungsurteil von Amts wegen ohne Sachprüfung aufzuheben, wenn es keinen oder lediglich einen unzulänglichen Tatbestand enthält, der keine zuverlässige Grundlage für eine revisionsrechtliche Überprüfung bietet (BAG Urteile vom 11. Juni 1970 - 5 AZR 460/69 - AP Nr. 1 zu § 72 ArbGG 1953 Beschwerdewertrevision; vom 29. August 1984 - 7 AZR 617/82 - AP Nr. 4 zu § 543 ZPO 1977 = ZIP 1984, 1579 = NZA 1985, 35, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; vom 22. November 1984 - 6 AZR 103/82 - DB 1985, 1139; BGH AP Nr. 1 zu § 543 ZPO; BGH WM 1980, 253; BGH NJW 1981, 1848). Das Landesarbeitsgericht hat vorliegend zwar § 543 ZPO verletzt, jedoch führt dies gleichwohl vorliegend ausnahmsweise nicht zur Zurückverweisung. Von einer Zurückverweisung kann auch bei Verletzung des § 543 ZPO nämlich dann abgesehen werden, wenn die Parteien nur über Rechtsfragen streiten und der Sach- und Streitstand im Berufungsurteil wenigstens so weit wiedergegeben ist, daß eine ausreichende tatsächliche Grundlage für die Beurteilung dieser Rechtsfrage gegeben ist (BGH NJW 1981, 1848).

2. Im Laufe des Rechtsstreits haben die Parteien zwar auch über Tatsachenfragen gestritten. Nachdem der Beklagte insoweit in der Revisionsinstanz aber keine Verfahrensrügen erhoben hat, sind nur noch Rechtsfragen streitig. Wie aus den weiteren Ausführungen ersichtlich, beschränkt sich der Streit im wesentlichen darauf, ob der seinem Inhalt nach für den Beklagten beleidigende Entwurf des Schreibens vom 11. November 1981 zur Begründung einer fristlosen Kündigung auch dann geeignet ist, wenn der Entwurf vor Ausspruch der Kündigung nicht "nach außen" gelangt ist, ob allein die Absicht der Absendung eines solchen Schreibens zur fristlosen Kündigung ausreicht und schließlich, ob aus einer späteren, nach Ausspruch der fristlosen Kündigung erfolgten Absendung auf eine solche Absicht geschlossen werden kann. Diese zwischen den Parteien noch streitigen Rechtsfragen lassen sich im Zusammenhang mit den vom Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen innerhalb der Subsumtion aufgeführten Sachverhaltsfeststellungen voll überprüfen.

II. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts beruht auch nicht auf einem materiellrechtlichen Rechtsfehler.

1. Das Landesarbeitsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, der Beklagte habe einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung vom 16. November 1981 nicht nachgewiesen. Dem Beklagten sei zuzugeben, daß die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB dann gegeben wären, wenn der Kläger Dritten gegenüber erklärt hätte, der Beklagte komme seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, er sei mit dem ihm zustehenden Honorar in Verzug, weshalb er gezwungen sei zu versuchen, dieses über Herrn Dr. B-R zu erhalten, und die Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der "Neuen Wirtschafts-Publikationen-Verlagsgesellschaft mbH" im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift "Etage" könne nur als betrügerischer Bankrott bezeichnet werden. Der Zeuge G habe jedoch nicht bestätigt, daß der Kläger derartige Äußerungen gemacht habe. Die Kammer verkenne nicht, daß Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen G bestünden, der vom Amtsgericht München wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Die Zweifel, welche der beiden von G abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen richtig sei, gingen jedoch zu Lasten des Beklagten, der für das Vorliegen der Kündigungsgründe beweispflichtig sei.

Weitere Kündigungsgründe habe der Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Das Arbeitsgericht habe zutreffend ausgeführt, daß der vom Kläger handschriftlich gefertigte Entwurf eines Schreibens, den der Beklagte nach seiner Behauptung am 15. November 1981 auf dem Schreibtisch des Klägers gefunden habe, nicht geeignet sei, die fristlose Kündigung zu begründen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch darauf hingewiesen, daß nicht nach außen - d. h. an Dritte - mitgeteilte Überlegungen, Gedanken und Pläne des Arbeitnehmers auch dann keinen Kündigungsgrund bilden könnten, wenn sie für den Arbeitgeber zutiefst beleidigend oder kränkend seien. Der Beklagte habe auch in der Berufungsinstanz nicht dargelegt, der Entwurf sei vom Kläger im Büro so plaziert worden, daß er als eine nach außen gerichtete Mitteilung anzusehen gewesen wäre. Zwar habe der Beklagte vorgetragen, der Entwurf sei auf dem Arbeitstisch des Klägers unter einem Haufen von zu bearbeitenden Papieren gelegen, für diese vom Kläger bestrittene Behauptung hat der Beklagte jedoch keinen Beweis angeboten. Ob ein offen auf dem Schreibtisch unter den zu bearbeitenden Papieren liegendes Schriftstück den Willen erkennen lasse, daß Dritte davon Kenntnis nehmen dürften, könne daher dahingestellt bleiben. Dahingestellt bleiben könne auch, ob eine fristlose Kündigung nur dann begründet wäre, wenn der Kläger vor Ausspruch der Kündigung ein Schreiben mit dem Inhalt des Entwurfs an Dritte gesandt hätte oder auch dann, wenn er vor Ausspruch der Kündigung die feste Absicht gehabt hätte, dies zu tun. Der Kläger habe nämlich eine solche Absicht bestritten. Für eine solche Absicht des Klägers spräche auch nicht der Beweis des ersten Anscheins. Zwar habe der Kläger nach seinen eigenen Angaben nach der Kündigung einen Brief mit etwa dem Inhalt des Entwurfs an Dr. B-R gesandt. Zwischen dem Entwurf und der Absendung des Schreibens habe jedoch die fristlose Kündigung gelegen. Es sei daher durchaus möglich, daß der Kläger den Entschluß, ein Schreiben mit dem Inhalt des Entwurfs an Dr. B-R tatsächlich zu schicken, erst nach der fristlosen Kündigung gefaßt habe, nachdem er sich um ein neues Betätigungsfeld habe umsehen müssen.

2. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

a) Der Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung darauf berufen, der Kläger habe Dritten gegenüber geäußert, der Beklagte komme seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, er sei mit dem ihm zustehenden Honorar in Verzug, und die Tätigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift "Etage" könne nur als betrügerischer Bankrott bezeichnet werden. Nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist der Beklagte beweisfällig dafür geblieben, daß der Kläger diese Äußerungen gemacht hat, nachdem der von der Beklagten benannte Zeuge G diese Behauptung nicht bestätigt habe. Diese Beweiswürdigung ist von dem Beklagten nicht angegriffen worden.

Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, etwaige Zweifel an der Glaubwürdigkeit des wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung rechtskräftig verurteilten Zeugen, auf die es letztendlich nur ankäme, wenn dieser die Behauptungen des Beklagten bestätigt hätte, gingen zu Lasten des für das Vorliegen der Kündigungsgründe beweispflichtigen Beklagten (KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 275 m. w. N.).

b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, daß nicht "nach außen", d. h. weder dem Arbeitgeber noch Dritten mitgeteilte Überlegungen, Gedanken und Pläne des Arbeitnehmers auch dann keinen Kündigungsgrund bilden können, wenn sie für den Arbeitgeber zutiefst beleidigend oder kränkend sind.

aa) Beleidigungen des Arbeitgebers bzw. das Aufstellen unwahrer und ehrenrühriger Behauptungen über den Arbeitgeber können grundsätzlich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen (vgl. BAG 29, 195, 200; KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 310; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rz 90; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl. Rz 401). Derartige Behauptungen können nicht nur dem Ansehen des Arbeitgebers schaden, sondern auf charakterliche Unzuverlässigkeiten des Arbeitnehmers schließen lassen oder den Betriebsfrieden gefährden oder zerstören (vgl. BAG 29, 195, 200).

Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß der Arbeitnehmer diese Behauptungen und Gedanken kundtut, d. h. anderen mitteilt. Die Kundgebung der Mißachtung oder Nichtachtung gehört notwendigerweise zum Begriff der Beleidigung (vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 42. Aufl., § 185 Rz 1 und 10). Diese Kundgabe kann entweder dem Beleidigten direkt gegenüber erfolgen oder aber Dritten gegenüber. Einschränkend wird von der Rechtsprechung aber angenommen, daß eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich dann nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer beleidigende Tatsachen über Vorgesetzte oder den Arbeitgeber gegenüber Arbeitskollegen behauptet, er aber als sicher davon ausgehen darf, daß sein Arbeitskollege die Äußerungen für sich behalten wird (BAG Urteil vom 30. November 1972 - 2 AZR 79/72 - AP Nr. 66 zu § 626 BGB). Ebensowenig ist daher der Entwurf eines beleidigenden Schreibens, der nach dem Willen des Verfassers nicht aus seinen Händen gelangen soll bzw. dessen Verfasser als sicher davon ausgehen darf, daß dieser nicht in die Hände anderer Personen gelangt, als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet.

bb) Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Beklagte sei beweisfällig dafür geblieben, daß der vom Kläger gefertigte Entwurf im Büro so plaziert worden sei, daß er als nach außen gerichtete Mitteilung anzusehen sei. Von der Revision werden diese Feststellungen nicht angegriffen. Sie geht vielmehr davon aus, ein Kündigungsgrund sei schon deshalb gegeben, weil der Beklagte den Entwurf gefunden und somit zur Kenntnis genommen habe. Sie übersieht hierbei jedoch, daß es auch insoweit darauf ankommt, ob der Brief als eine nach außen gerichtete Mitteilung anzusehen ist, d. h. ob der Kläger darauf vertrauen konnte, der Entwurf falle dem Beklagten nicht in die Hände. Der Beklagte hätte daher darlegen und beweisen müssen, daß der Entwurf im Büro des Klägers so plaziert gewesen sei, daß er ohne weiteres von ihm gefunden werden konnte. Daran fehlt es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, an die der Senat gebunden ist.

Die Revision legt die Ausführungen des Berufungsgerichts, "nicht nach außen - d. h. an Dritte - mitgeteilte Überlegungen etc. könnten keinen Kündigungsgrund bilden", offensichtlich unrichtig dahin aus, "nur" gegenüber dem Arbeitgeber - im Gegensatz zu Dritten - aufgestellte beleidigende Äußerungen könnten keinen Kündigungsgrund abgeben. Dabei übersieht sie, daß das Landesarbeitsgericht auch den Arbeitgeber als "Dritten" in diesem Sinne ansieht, wie aus der Formulierung folgt, wonach der Entwurf keine nach "außen gerichtete Mitteilung" sei. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang auch auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen, das insoweit ausgeführt hat: "Die Kammer vertritt nämlich die Ansicht, daß nicht nach außen - d. h. an Dritte - mitgeteilte Überlegungen, Gedanken und Pläne des Arbeitnehmers auch dann keinen Kündigungsgrund bilden können, wenn sie für den Arbeitgeber zutiefst beleidigend oder kränkend sind. Für die rechtliche Beurteilung entscheidend kann nur die Frage sein, inwieweit sich solche Gedanken, Pläne usw. im Verhalten des Arbeitnehmers niederschlagen. Der bloße beleidigende Gedanke oder innere Plan des Arbeitnehmers, sich zu trennen, ist jedenfalls kein Kündigungsgrund. Anhand dieser Ausführungen, die sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, wird deutlich, daß das Landesarbeitsgericht als "nach außen gerichtete Mitteilung" eine solche ansieht, die aus der Sphäre des Arbeitnehmers nach außen, d. h. an die Öffentlichkeit tritt, und nicht nur etwa eine solche, die aus dem Betrieb nach außen tritt bzw. die sich ausschließlich an andere als den Arbeitgeber richtet.

c) Soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, der Beklagte habe die Absicht des Klägers, das Schreiben (entsprechend dem Entwurf vom 11. November 1981) vor Ausspruch der Kündigung abzusenden, nicht beweisen können, rügt die Revision zu Unrecht eine Verkennung der Beweislast bzw. eine fehlerhafte Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises.

Abgesehen davon, daß allein eine noch nicht verwirklichte Absicht, ein Schreiben mit beleidigendem Inhalt abzusenden, in der Regel keinen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben vermag - für eine allenfalls in Betracht kommende Verdachtskündigung hat der Beklagte nichts vorgetragen -, sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts insoweit nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat für seine vom Kläger bestrittene Behauptung keinen Beweis angetreten, noch kann er sich insoweit auf den Beweis des ersten Anscheins berufen, da der Kläger den Entschluß, einen solchen Brief abzusenden, durchaus erst nach der fristlosen Kündigung gefaßt haben kann. Wie die Revision zudem verkennt, führt der Anscheinsbeweis nicht zu einer Beweislastumkehr, sondern nur zu einer Erleichterung der Beweisführung (Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 286 Anm. 4 a). Der Anscheinsbeweis setzt einen Sachverhalt voraus, der infolge Häufigkeit gleicher Ereignisse nach der Lebenserfahrung auch gleiche Folgen auslöst (Zöller, ZPO, 14. Aufl., § 286 Rz 16). Zwar spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß derjenige, der ein Schreiben entwirft und anschließend absendet, bei Entwurf des Schreibens bereits die Absicht des Absendens gehabt hat. Ein solcher typischer Geschehensablauf liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn - wie vorliegend - zwischen dem Entwurf und der Absendung ein Ereignis liegt, das geeignet ist, den Entschluß des tatsächlichen Absendens mit zu beeinflussen bzw. endgültig auszulösen. Das Landesarbeitsgericht hat daher zutreffend erwogen, daß der Kläger möglicherweise erst durch die Kündigung zur Absendung des Schreibens und somit zu einem möglicherweise vertragswidrigen Verhalten veranlaßt worden ist.

Der Beklagte hat zudem nicht dargelegt, aufgrund welcher Umstände ihm die Absicht des Klägers, den Brief abzusenden, zum Zeitpunkt der Kündigung bekannt gewesen sein soll. Auf die tatsächlich erfolgte Absendung des Schreibens nach Ausspruch der Kündigung konnte er sich schließlich bei Ausspruch der Kündigung am 16. November 1981 noch nicht berufen.

III. Ungeachtet dessen, daß das Landesarbeitsgericht § 543 ZPO verletzt hat, konnte somit aus den dargelegten Gründen die Revision keinen Erfolg haben; sie mußte mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückgewiesen werden.

Hillebrecht - zugleich für den

durch Urlaub an der Unterschrift Dr. Weller

verhinderten Richter Dr. Röhsler

Dr. Peppler Rupprecht

 

Fundstellen

Haufe-Index 437718

RzK, I 6e Nr 4 (ST1-2)

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