Entscheidungsstichwort (Thema)

Honorarbescheid

 

Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, Hannover, Berliner Allee 22, Beklagte und Revisionsbeklagte

1.AOK-Landesverband Niedersachsen, Hannover, Kolumbusstraße 2, 2.Landesverband der Betriebskrankenkassen Niedersachsen, Hannover, Hamburger Allee 61, 3.Landesverband der Innungskrankenkassen Niedersachsen, Hannover, Anderter Straße 49,..

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Der Kläger ist als Radiologe an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Er betreibt konventionelle Röntgendiagnostik und Schilddrüsendiagnostik (eingeschränkte Nuklearmedizin).

Die Beklagte berechnete seine Honoraransprüche ab dem Quartal IV/87 auf der Grundlage des zum 1. Oktober 1987 in Kraft getretenen Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM 1987). Wegen erheblicher Umsatzminderungen, die der Kläger zunächst zu verzeichnen hatte, erhielt er von der Beklagten Ausgleichszahlungen in Höhe von ca 80.000,00 DM für das Quartal IV/87 und von jeweils 21.000,00 DM für die Quartale I/88 und II/88.

Mit den Widersprüchen gegen die Honorarbescheide für die Quartale IV/87 bis III/88 machte der Kläger geltend, der EBM 1987 entspreche für die Arztgruppe der Radiologen nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 368g Abs 1 und 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und führe nicht mehr zu einer angemessenen Vergütung der ärztlichen Leistungen. Im übrigen sei es Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die mit dem EBM 1987 verfolgten gesundheitspolitischen Zielvorstellungen umzusetzen. Entscheidungen von dieser Tragweite unterlägen dem Vorbehalt des Gesetzes. Auch insoweit erweise sich der EBM 1987 als rechtswidrig.

Widersprüche, Klagen und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts [SG] Hannover vom 14. März 1990 und des Landessozialgerichts [LSG] Niedersachsen vom 19. Juni 1991). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, der EBM 1987 sei rechtmäßig. Er verstoße nicht gegen § 368g Abs 4 RVO. Mit der Neustrukturierung der ärztlichen Leistungen seien die Partner des Bundesmantelvertrages dem gesetzlichen Auftrag nachgekommen, die Leistungsbeschreibungen des EBM und ihre Bewertungen den neuen Entwicklungen anzupassen. Dies sei durch eine Höherbewertung der zuwendungsintensiven Leistungen geschehen, was zwangsläufig eine Einnahmeminderung in anderen Bereichen hätte nach sich ziehen müssen. Der Bewertungsausschuß habe auch nicht den durch die Ermächtigungsgrundlage des § 368g Abs 1 RVO gezogenen Rahmen überschritten. Es sei weiter nicht ersichtlich, daß eine Arztgruppe besonders bevorteilt oder übermäßig benachteiligt worden sei. Dem stünden die Ausgleichszahlungen durch die Beklagte nicht entgegen. Sie sollten lediglich die Anpassung an die neue Gebührenlage ermöglichen. Weder der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seien durch die angemessene Neuverteilung der Vergütung innerhalb der Ärzteschaft verletzt worden. Der EBM 1987 habe zwar die Verdienstmöglichkeiten in einer Radiologenpraxis verringert, deren Bestand jedoch nicht im Kern berührt, so daß auch eine Verletzung des Art 14 GG ausscheide. Schließlich liege kein Verstoß gegen Art 12 GG vor.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 368g Abs 1 und 4 RVO, einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes sowie gegen Art 12, 3 und 14 GG. Er trägt im einzelnen vor, die in § 368g Abs 4 RVO vorgesehenen Kriterien für die Fortschreibung des EBM ließen eine Neustrukturierung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu. Mit der Umstrukturierung aufgrund gesundheitspolitischer oder auch berufspolitischer Erwägungen, wie sie zu Lasten der Radiologen stattgefunden habe, werde der gesetzlich vorgegebene Rahmen überschritten. Die maßgeblichen Regelungen des EBM 1987 gewährleisteten unter Verstoß gegen § 368g Abs 1 RVO keine angemessene Vergütung mehr. Dies werde bereits dadurch belegt, daß die Beklagte aufgrund der erheblichen Honorarrückgänge zu dem Mittel der Ausgleichszahlung habe greifen müssen. Zu der durch die Umstrukturierung hervorgerufenen Gefährdung der kassenärztlichen Versorgung auf dem Gebiet der Radiologie trete hinzu, daß die Neubewertung der radiologischen Leistungen mit der Folge der Honorarminderung ohne Übergangsregelung erfolgt sei. Des weiteren fehle es für das Verfahren der Bestellung der kassenärztlichen Mitglieder im Bewertungsausschuß an den erforderlichen rechtlichen Regelungen. Der EBM 1987 verstoße auch gegen den Vorbehalt des Gesetzes, weil er mit seinen gesundheits- oder berufspolitisch motivierten Regelungen eine Materie betreffe, die nicht der Normierung durch die gemeinsame Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen offenstehe. Die angegriffenen Regelungen gingen weit über noch hinzunehmende Berufsausübungsregelungen hinaus, wie sich ebenfalls in der Notwendigkeit von Ausgleichszahlungen zeige. Insoweit sei gegen Art 12 Abs 1 GG verstoßen worden. Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt worden, weil undifferenziert die höchst unterschiedlich strukturierten Praxen der Radiologen mit konventioneller Röntgendiagnostik, solcher, die zugleich nuklearmedizinische Leistungen erbrächten, und schließlich der Radiologen, die ausschließlich nuklearmedizinisch tätig seien, betroffen würden. Der EBM verstoße in dem maßgeblichen Teil auch gegen Art 14 GG, weil er, ohne daß Übergangsregelungen vorgesehen seien, in erheblichem Umfang in den eingerichteten Betrieb eingreife und den Wert der Praxis als Teil der Altersversorgung mindere. Hierin liege auch ein Verstoß gegen das Übermaßverbot.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. Juni 1991 und des Sozialgerichts Hannover vom 14. März 1990 und die Honorarbescheide für die Quartale IV/87 bis III/88 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. Januar und 8. Juni 1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die abgerechneten Leistungen nach dem EBM in der bis zum 30. September 1987 gültigen Fassung zu vergüten.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 6) bis 9) und 11) stellen den Antrag,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und legen im einzelnen dar, der EBM 1987 sei rechtmäßig.

Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Honorarbescheide sind rechtmäßig. Sie beruhen insbesondere auf einer wirksamen Rechtsgrundlage; die ihnen zugrundeliegenden Vertragsgebührenordnungen (Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen [BMÄ] und Ersatzkassen-Gebührenordnung [E-GO]) und der EBM 1987, auf dem diese wiederum basieren, verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Schon deshalb braucht nicht weiter darauf eingegangen zu werden, daß der Kläger das von ihm mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erstrebte Ziel, die fraglichen Leistungen nach dem EBM 1978 vergütet zu bekommen, ohnehin nicht hätte erreichen können.

Gemäß § 2 Abs 1 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten werden - von Besonderheiten abgesehen - die von den Krankenkassen zu leistenden Gesamtvergütungen unter den Ärzten auf der Grundlage des BMÄ verteilt, wobei alle zur kassenärztlichen Versorgung gehörenden Leistungen zu berücksichtigen sind (§ 2 Abs 2 HVM). Der BMÄ wiederum ist - entsprechend der E-GO für den vertragsärztlichen Bereich - die Umsetzung des EBM in eine kassenärztliche Vergütungsordnung. Er enthält zusätzlich zu den im EBM niedergelegten Leistungsbewertungen die zwischen den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) vereinbarten Abrechnungsbestimmungen. Gemäß § 368g Abs 4 Satz 2 RVO bestimmt der EBM den Inhalt der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Er wird als Bestandteil der Bundesmantelverträge von den Vertragspartnern durch die Bewertungsausschüsse vereinbart (§ 368g Abs 4 Satz 1 RVO). Die von der Revision und vereinzelt auch im Schrifttum geäußerten Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des EBM 1987 werden vom Senat nicht geteilt.

Das betrifft zum einen den Einwand, der EBM 1987 sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weil die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) zu bestellenden Vertreter im Bewertungsausschuß, da lediglich vom Vorstand der KÄBV, nicht aber von der Vertreterversammlung der KÄBV berufen, nicht demokratisch legitimiert seien (so insbesondere Ossenbühl, Rechtsgutachten zur Rechtmäßigkeit des neuen Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, S 67 ff). Die Vorschrift des § 368i Abs 8 Satz 2 RVO, wonach der Bewertungsausschuß ua aus sieben von der KÄBV bestellten Vertretern besteht, verlangt eine Wahl der Vertreter durch die Vertreterversammlung der KÄBV nicht. Eine solche ist auch aufgrund allgemeiner Erwägungen nicht geboten. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. September 1993 - 6 RKa 65/91; SozR 3-2500 § 85 Nr 4 - dargelegt hat, läßt die gegenteilige Auffassung außer acht, daß der Bewertungsausschuß unbeschadet seiner organisationsrechtlichen Verselbständigung nach dem Gesetz die Stellung und Funktion eines Vertragsorgans hat, durch das die KÄBV, die Bundesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen als Partner der Verträge über die kassen- und vertragsärztliche Versorgung einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen "vereinbaren" (§ 368g Abs 4 Satz 1 RVO). Die Zuständigkeitsverlagerung von den Vertragspartnern auf einen zentralen Bewertungsausschuß dient der Schaffung bundeseinheitlicher Vergütungsgrundlagen für sämtliche Kassenarten, ändert aber nichts an der Rechtsnatur des Bewertungsmaßstabes als einer den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung zuzurechnenden vertraglichen Vereinbarung. Dementsprechend handeln und entscheiden die Mitglieder des Bewertungsausschusses als Vertreter der sie entsendenden Körperschaften, was darin zum Ausdruck kommt, daß sie jederzeit abberufen werden können und - im Gegensatz etwa zu den Mitgliedern der Schiedsämter (§ 368i Abs 2 Satz 7 und Abs 3 Satz 3 RVO), der Bundes- und Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen (§ 368o Abs 4 Satz 1 RVO) oder der Zulassungs- und Berufungsausschüsse (§ 368b Abs 2 Satz 4 und Abs 6 Satz 5 RVO) - keine Weisungsfreiheit genießen. Im Hinblick auf diese besondere Rechtsstellung des Ausschusses und seiner Mitglieder ist es sachgerecht und verfassungsrechtlich unbedenklich, daß die Vertreter der Ärzte im Bewertungsausschuß nicht von der Vertreterversammlung der KÄBV, sondern von dem nach der Satzung für Vertragsabschlüsse zuständigen Vorstand bestellt werden, zumal dieses Organ wiederum durch die Vertreterversammlung gewählt wird (§ 368l Abs 5 RVO) und damit ebenfalls demokratisch legitimiert ist.

Keinen Erfolg kann die Revision zum zweiten auch mit ihrem Einwand haben, der EBM 1987 verstoße gegen den Gesetzesvorbehalt des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG. Dieser verpflichtet den Gesetzgeber bei Eingriffen in die Berufsfreiheit, wie sie im vorliegenden Rechtsstreit zu prüfen sind, die für die Grundrechtsausübung wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und die Schrankenbestimmung nicht anderen Stellen zu überlassen. Dazu gehört, daß die gesetzliche Regelung so gefaßt ist, daß sie Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen läßt (vgl ua BVerfGE 49, 89, 126; 73, 280, 295; 82, 209, 224; BSGE 70, 285, 292 = SozR 3-2500 § 122 Nr 3). Die Vorschrift des § 368g Abs 4 Satz 2 und 3 RVO genügt den genannten Anforderungen; denn die für die erstmalige Einführung des EBM und seine Fortschreibung maßgebenden Strukturprinzipien sind im Gesetz selbst festgelegt worden. Das Instrument des EBM ist durch § 368g RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz [KVKG]) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) eingeführt worden. Danach ist der EBM ein für alle Kassenarten verbindliches Leistungsverzeichnis kassenärztlicher Leistungen (vgl Begründung des Regierungsentwurfs zu § 368g RVO in BT-Drucks 8/166, zu § 1 Nr 31 S 29). Die Ermächtigungsnorm des § 368g Abs 4 Satz 2 RVO idF des KVKG ist im Zusammenhang mit Art 2 § 9 KVKG zu sehen. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuß aufgegeben, bei der erstmaligen, bis zum 1. Juli 1978 zu erfolgenden Vereinbarung von Bewertungsmaßstäben von der für die Ersatzkassenpraxis vereinbarten Gebührenordnung (E-Adgo) auszugehen (vgl hierzu Matzke/Schirmer, BKK 1978, 273, 276 f). Damit hat der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuß vorgeschrieben, die E-Adgo in Struktur und Grundkonzeption zu beachten und zu übernehmen. Das Gesetz selbst enthält somit unter Bezugnahme auf die E-Adgo die maßgebenden Strukturprinzipien des zum 1. Juli 1978 zu vereinbarenden Bewertungsmaßstabes (vgl Ossenbühl, aa0, S 29 f). Es kann nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, darüber hinausgehend die einzelnen Leistungspositionen eines Leistungsverzeichnisses, das zudem ständig sich ändernden Verhältnissen anzupassen ist, selbst festzulegen.

Auch für die Fortentwicklung des EBM legt das Gesetz selbst die maßgeblichen Strukturprinzipien fest. § 368g Abs 4 Satz 3 RVO konkretisiert nämlich insoweit die Aufgaben des Bewertungsausschusses für die Fortentwicklung des EBM. Nach dieser Vorschrift hat der Bewertungsausschuß den EBM in bestimmten Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinisch-technischen Entwicklung sowie den Erfordernissen der Rationalisierung und Wirtschaftlichkeit entsprechen. Bei Änderungsbedarf ist der EBM dementsprechend anzupassen.

Bestehen mithin keine Bedenken gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 368g Abs 4 Satz 2 und 3 RVO unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes (Art 12 Abs 1 Satz 2 GG), kann dem Kläger auch nicht gefolgt werden, soweit er in dem Erlaß des EBM 1987 ein Überschreiten der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage sieht. Dieser Einwand knüpft an die von den Vertragspartnern formulierte Zielsetzung an, im Zuge der Neuordnung des Leistungsverzeichnisses die Bewertungsrelation zwischen medizinisch-technischen und zuwendungsintensiven ärztlichen Leistungen zugunsten der letzteren zu verändern (vgl dazu die Empfehlungsvereinbarungen zwischen der KÄBV und den Bundesverbänden der Krankenkassen bzw den Verbänden der Ersatzkassen vom 12. März 1986 - DOK 1986, 332; ErsK 1986, 208). Der Senat hat hierzu bereits in seinem Urteil vom 29. September 1993 (SozR 3-2500 § 85 Nr 4) ausgeführt, daß mit einer derartigen Korrektur des Bewertungsgefüges der vom Gesetz eingeräumte Handlungsspielraum nicht überschritten wird. Nachdem sich bei zahlreichen medizinisch-technischen Leistungen durch Veränderungen der Kostenstrukturen im Laufe der Jahre erhebliche Überbewertungen ergeben hatten, während andererseits die Vergütung der ärztlichen Grundleistungen als unzureichend empfunden wurde, war der Bewertungsausschuß aufgerufen, die bestehenden Ungleichgewichte zu beseitigen. Daß darüber hinausgehend mit der EBM-Reform Strukturveränderungen in der ärztlichen Versorgung beabsichtigt oder bewirkt worden wären und die EBM-Reform vorrangig aus gesundheits- oder berufspolitisch geprägten Erwägungen erfolgte, ist nicht ersichtlich.

Der EBM 1987 hält sich auch im übrigen in den verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen. Prüfungsmaßstab ist insoweit Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG (s zB BVerfGE 33, 171, 183 für einen Honorarverteilungsmaßstab). Der EBM ist zwar selbst keine Vergütungsordnung, sondern bildet - wie bereits ausgeführt -die Grundlage für die jeweiligen Gebührenordnungen. Als verbindlicher Bestandteil des BMÄ wirkt er sich aber auf die Berufsausübung der Kassenärzte nicht nur dadurch aus, daß er den Inhalt und den Umfang der ärztlichen Leistungen festlegt. Er bestimmt insbesondere das Wertverhältnis zwischen den Leistungen durch die Festlegung der Punktzahlen für die einzelnen Leistungen, enthält also eine relative Bewertung der kassenärztlichen Leistungen (vgl im einzelnen Brenner, Die Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1985 bis 1988, 1990, S 19 ff). Der konkrete Vergütungsanspruch des Arztes für eine von ihm erbrachte kassenärztliche Leistung wird in Anwendung des jeweils maßgeblichen Honorarverteilungsmaßstabes bei einer Vergütung nach Einzelleistungen unter Berücksichtigung des zwischen den Parteien des Gesamtvertrages auszuhandelnden Punktwerts und der jeweiligen - sich aus dem EBM ergebenden - Punktzahl bestimmt. Insoweit beeinflußt der EBM im Zusammenwirken mit anderen Steuerungsinstrumenten den Vergütungsanspruch des Kassenarztes.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind normative Eingriffe in die berufliche Betätigungsfreiheit am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen (ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 7, 377, 403 ff; s zB BVerfGE 78, 155, 162 = SozR 2200 § 368 Nr 11). Berufsausübungsregelungen stehen danach im Einklang mit Art 12 Abs 1 GG, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen. Derartige Gemeinwohlbelange, die die über die Anpassung des EBM erfolgten Eingriffe in die Berufsausübung rechtfertigen, liegen hier vor.

Seit der mit der erstmaligen Einführung des EBM verbundenen Schaffung einer einheitlichen Struktur und Bewertung ärztlicher Leistungen im Jahre 1978 hatten sich - trotz ständiger Änderungen - aufgrund der technischen Entwicklung insbesondere im apparativ-technischen Bereich bei verschiedenen Arztgruppen Rationalisierungsmöglichkeiten und -gewinne ergeben, während andere Leistungen wie die zuwendungsintensiven ärztlichen Leistungen, bei denen diese Möglichkeiten nicht bestanden, im Verhältnis dazu zu niedrig vergütet wurden. Aufgrund dieser Entwicklung und der ständig steigenden Kosten im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung haben sich die Partner des Bundesmantelvertrages und der Vereinbarung im Ersatzkassenbereich zu einer Überarbeitung des EBM 1978 entschlossen, als deren Ziel auch die Beseitigung von Ungleichgewichten in den Punktzahlen von Leistungspositionen zueinander und eine Steuerung der Mengenentwicklung vorgesehen war (vgl die genannten Empfehlungsvereinbarungen vom 12. März 1986). Die Maßnahmen sollten einerseits eine qualitativ hochwertige ärztliche Versorgung der Versicherten weiterhin sichern, andererseits die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen im gesamtwirtschaftlichen Rahmen halten (vgl dazu im einzelnen Brenner, aa0, S 48 ff). Die Notwendigkeit dieser Reform ist auch von ärztlicher Seite nicht ernstlich bestritten worden (vgl zB Dt. Ärzteblatt 1987, B 589; Moewes/Effer/Hess, Kölner Kommentar zum EBM, S 11 ff). Die Anpassung des EBM, verbunden mit der notwendig gewordenen Neustrukturierung bestimmter Leistungsbereiche, diente somit der Erhaltung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung der Versicherten und damit einem Gemeinwohlgut von besonders hohem Rang (hierzu BVerfGE 78, 179, 192; 82, 209, 230 mwN). Die im EBM getroffenen Maßnahmen entsprachen auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit; dh, sie waren geeignet, erforderlich und für die Betroffenen zumutbar.

Die Zumutbarkeit ist auch für die Arztgruppe der Radiologen, der der Kläger angehört, zu bejahen. Zwar wirkte sich die Reform des EBM für die Gruppe der Radiologen in besonderem Maße aus, was auch unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG von Bedeutung sein könnte. Nach der bereits zitierten Untersuchung von Brenner (aa0, S 109 ff) belief sich der Umsatzverlust der Radiologen im Quartal IV/87 gegenüber dem Quartal IV/86 durchschnittlich auf 9,7 %. Auch insgesamt erzielten danach nur 20 % der Radiologen im Quartal IV/87 gegenüber dem genannten Vergleichsquartal einen höheren Gewinn, 80 % dagegen einen Verlust (aa0, S 113, 127). Die Umsatzeinbußen und -gewinne beruhten allerdings nur zu einem Teil auf der Neustrukturierung des Leistungsbereichs Radiologie im EBM 1987; sie waren vielmehr durch mengen- und preisbedingte Änderungen mit veranlaßt (Brenner, aa0, S 127, 112 f, 136).

Die Grenze des Zumutbaren ist für den Kläger als Radiologen dennoch aus mehreren Gründen nicht überschritten worden; denn es mußte dem Normgeber erlaubt sein, bei einer derartig komplexen und schwierigen Materie wie der Neustrukturierung des ärztlichen Leistungsverzeichnisses im EBM im Wege der Anfangs- bzw Erprobungsregelung (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 368f Nr 14, S 50 mwN) die umstrittenen Maßnahmen zu treffen. Der Bewertungsausschuß hat, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, bereits im Jahre 1988 den aufgetretenen Problemen Rechnung getragen und Bewertungskorrekturen ua auch bei radiologischen Leistungen vorgenommen. Die Reform hatte deshalb im hier maßgeblichen Bereich nur vorübergehend die vom Kläger beklagten Auswirkungen (vgl Kostenstrukturanalyse in der Arztpraxis 1989, Köln 1991, S 15). Das zeigt sich bereits darin, daß bei der Gruppe der Radiologen/Nuklearmediziner im Jahre 1989 im Durchschnitt ein Überschuß von ca 275.000,00 DM pro Arzt erzielt werden konnte (gegenüber etwa den Allgemeinärzten mit einem durchschnittlichen Überschuß von 143.000,00 DM). Schließlich hat die Beklagte auf der Grundlage eines Beschlusses ihrer Vertreterversammlung vom 30. Juli 1988 (Richtlinien für die Gewährung von Ausgleichszahlungen gemäß § 6 Abs 1 der Sicherstellungsrichtlinien an Kassenärzte aus Anlaß der EBM-Einführung) dem Kläger für die Quartale IV/87 bis II/88 Ausgleichszahlungen in Höhe von mehr als 120.000,00 DM geleistet. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Grenze des Zumutbaren nicht überschritten.

Ein Verstoß des EBM 1987 gegen das Grundrecht des Klägers aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Die fraglichen Regelungen verletzten, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, auch nicht die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG.

Schließlich kann der Kläger nicht mit dem Argument durchdringen, die Vorschrift des § 368g Abs 1 RVO, wonach die kassenärztliche Versorgung so zu regeln war, daß die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden, sei durch den EBM 1987 verletzt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt und unter welchen Voraussetzungen der einzelne Arzt aus dieser Vorschrift, die sich an die Partner der Gesamtverträge wendet, ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine bestimmte - höhere - Vergütung seiner kassenärztlichen Leistungen herleiten kann (zum früheren Recht vgl BSGE 20, 73, 77 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO); denn bereits aus den oben zur Frage der Zumutbarkeit der Regelung aufgezeigten Gesichtspunkten folgt, daß die Grenze zu einer nicht mehr angemessenen Vergütung, sofern sich aus ihrer Überschreitung Rechtswirkungen zugunsten des Klägers herleiten ließen, nicht annähernd erreicht worden sein kann.

Nach alledem war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

AusR 1995, 8

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