Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫; stRspr).
1.1 Die Beschwerde möchte zunächst sinngemäß geklärt wissen, ob bei einer zugelassenen Wohnbebauung hinsichtlich der Anlage von Stellplätzen im Sinne von § 12 BauNVO eine gesonderte Überprüfung der Lärmsituation zulässig sei, wenn es sich bei der Nutzung der „baurechtlich vorgegebenen Stellplätze” um „anlagetypische, sozial adäquate Emissionen” handele.
Hintergrund der Fragestellung ist, dass das Berufungsgericht der Klage des Grundstücksnachbarn gegen eine Baugenehmigung insoweit zum Erfolg verholfen hat, als die Stellplätze genehmigt worden sind; die zuvor erteilte Baugenehmigung für die von den Beigeladenen errichteten zwei Mehrfamilienhäuser hat es dagegen als rechtmäßig angesehen (OVG Koblenz, Urteil vom 27. Juni 2002 – 1 A 11669/99.OVG – juris; ZfBR 2003, 69 ≪LS≫).
Zunächst ist hervorzuheben, dass die Fragestellung mit der Formulierung, es handele sich um „anlagetypische, sozial adäquate Emissionen” bereits eine Einschätzung vornimmt, die mit den ausführlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht übereinstimmt. Denn dieses hebt gerade die vorliegend vom typischen Sachverhalt abweichenden Besonderheiten hervor. Die Fragestellung rechtfertigt aber auch dann nicht die Zulassung der Revision, wenn man sie der genannten Einschätzung entkleidet. Vielmehr lässt sie sich ohne weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten.
Nach § 12 Abs. 2 BauNVO sind Stellplätze – mit den dort genannten Einschränkungen – auch in reinen Wohngebieten gemäß § 3 BauNVO zulässig. Allerdings sind, wie der Senat bereits in seinem vom Oberverwaltungsgericht wörtlich wiedergegebenen Urteil vom 7. Dezember 2000 – BVerwG 4 C 3.00 – (NVwZ 2001, 813 = BRS 63 Nr. 160) ausgeführt hat, nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die Vorschrift gilt auch für die in § 12 BauNVO genannten Stellplätze und Garagen. Sie sind vor allem dann unzulässig, wenn ihre Nutzung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt. Dabei kommt der Zufahrt eine besondere Bedeutung zu, weil – jedenfalls bei Wohnbebauung – der Zu- und Abgangsverkehr die Nachbarschaft regelmäßig am stärksten belastet. Demgemäß begegnen Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern oft rechtlichen Bedenken. Ob sie im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbar sind, richtet sich gleichwohl nach der Eigenart des Baugebiets. Eine generelle, für alle Standorte von Stellplätzen im rückwärtigen (Wohn-)Bereich geltende Beurteilung ist nicht möglich; sie hängt immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
Daraus folgt, dass die Nachbarn die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen haben, dass aber besondere örtliche Verhältnisse auch zu dem Ergebnis führen können, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann. Dabei ist der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundentscheidung Rechnung zu tragen. Dies entbindet das Tatsachengericht jedoch nicht von der Prüfung, ob im Einzelfall unzumutbare Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Die besonderen Umstände des Einzelfalls können es, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend hervorhebt, erforderlich machen, die Beeinträchtigung der Nachbarschaft auf das ihr entsprechend der Eigenart des Gebiets zumutbare Maß zu mindern. Hierfür kommen beispielsweise die bauliche Gestaltung der Stellplätze und ihrer Zufahrt, eine Anordnung, die eine Massierung vermeidet, der Verzicht auf Stellplätze zugunsten einer Tiefgarage oder Lärmschutzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze in Betracht. Im Übrigen müssen selbst notwendige Stellplätze nach allgemeinen bauordnungsrechtlichen Grundsätzen nicht auf dem Baugrundstück selbst errichtet werden (vgl. das Senatsurteil vom 16. September 1993 – BVerwG 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 ≪162≫ = BRS 55 Nr. 110).
1.2 Auch die von der Beschwerde weiterhin sinngemäß gestellte Frage, ob in einem Fall der vorliegenden Art die TA Lärm (1968 in Verbindung mit der VDI Richtlinie 2058 bzw. der TA Lärm 1998) oder die DIN 18005 (Schallschutz im Städtebau) als Orientierungshilfen heranzuziehen seien und ob gegebenenfalls Auf- oder Abschläge zulässig seien, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Das Berufungsgericht hat sich von dem Gedanken leiten lassen, dass die Frage, ob die Grenze zur Unzumutbarkeit von Stellplatzlärm überschritten wird, nicht nur mit Blick auf örtliche Gegebenheiten, wie Gebäudestellungen, die Zuordnung der Stellplätze zu bestimmten Gebäuden oder die topographischen Verhältnisse zu beantworten sei. Vielmehr seien objektivierbare Anhaltspunkte für die Beurteilung von Parklärm zu berücksichtigen. Diese ließen sich § 12 Abs. 2 BauNVO nicht unmittelbar entnehmen. Daher sei es geboten, auf vorliegende technische Regelwerke zur Messung und Beurteilung von Geräuschen zurückzugreifen, auch wenn diese nicht unmittelbar anzuwenden seien. Dabei sei die DIN 18005 im Hinblick auf die dort vorgesehene Mittelung über acht Stunden in der Nachtzeit weniger geeignet, wenn es sich nicht um eine gleichmäßiger wirkende Geräuschkulisse, sondern um punktuell auftretende Lärmereignisse handele, die demgemäß einen höheren Informationswert hätten.
Demgegenüber stellt die Beschwerde, ohne sich mit diesem methodischen Ansatz auseinander zu setzen, lediglich darauf ab, dass vorliegend bei Zugrundelegen der DIN 18005 die Richtwerte eingehalten würden, bei Anwendung der TA Lärm dagegen nicht. Damit zeigt sie keinen Bedarf an weiterer grundsätzlicher Klärung auf, die in einem Revisionsverfahren zu leisten wäre.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem vom Berufungsgericht zitierten Urteil vom 19. Januar 1989 – BVerwG 7 C 77.87 – (BVerwGE 81, 197) darauf hingewiesen, dass die schematische Mittelung von Geräuschen je nach ihrer Eigenart (dort handelte es sich um Sportlärm) der Sachlage nicht gerecht wird. Es hat ferner in seinem ebenfalls bereits vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Urteil vom 27. August 1998 – BVerwG 4 C 5.98 – (NVwZ 1999, 523 = BRS 60 Nr. 83) betont, dass Parkplatzlärm sich durch spezifische Merkmale auszeichnet; es überwiegen unregelmäßige Geräusche, die zum Teil einen hohen Informationsgehalt aufweisen. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass auch bei der Beurteilung des Lärms, der von den zu einem Wohngebäude gehörenden Stellplätzen ausgeht, die Besonderheiten zu berücksichtigen sind, die aus Rangiervorgängen, Türenschlagen und anderen impulshaltigen Geräuschen ausgehen. Der Senat hat ferner im genannten Urteil ausgeführt, für die Bemessung der Zumutbarkeit der mit einem anlagenbezogenen Verkehr verbundenen Lärmbeeinträchtigungen böten die TA-Lärm und die VDI-Richtlinie 2058 brauchbare Anhaltspunkte, auch wenn beide an sich dazu bestimmt sind, die Anforderungen zu konkretisieren, denen Anlagen genügen müssen, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. Der Senat hat allerdings zugleich betont, dass sich rechtliche Bindungen aus diesen Regelwerken nicht ergeben. Welche Folgerungen sich aus ihnen im Einzelnen für den konkreten Fall ziehen lassen, bleibt der tatrichterlichen Bewertung vorbehalten. Auch im Urteil vom 7. Dezember 2000 – BVerwG 4 C 3.00 – (NVwZ 2001, 813 = BRS 63 Nr. 160) hat der Senat nochmals betont, dass eine generelle, für alle Standorte von Stellplätzen im rückwärtigen Bereich geltende Beurteilung nicht möglich sei; sie hänge immer von den Umständen des Einzelfalls ab.
Damit steht im Einklang, dass das Oberverwaltungsgericht die TA Lärm nicht schematisch angewendet sondern unter Verwertung der Umstände des Einzelfalls bewertet hat. Dabei hat es auf eine Vielzahl von Umständen abgestellt, die in seinen Augen die Schlussfolgerung erlauben, dass die Nutzung der Stellplätze zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führt. Hierzu gehören u.a. die besonders ungünstige steile Zufahrt zu den Stellplätzen und die entsprechenden Höhenverhältnisse zu den Wohnräumen, eine besonders beengte Situation, die zu vermehrtem Rangieraufwand führt „enge Hoflage”), sowie eine Massierung von Stellplätzen auf der dem ruhigeren und besonders schützenswerten Bereich des Grundstücks des Nachbarn zugewandten Seite. Insoweit handelt es sich um eine dem Tatsachengericht aufgegebene Würdigung des Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren entzogen ist.
2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juni 1995 – BVerwG 8 B 44.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2 und vom 9. Oktober 1998 – BVerwG 4 B 98.98 – NVwZ 1999, 183).
Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, welche Rechtssätze im Widerspruch stehen könnten. Sie verweist auf das Urteil des Senats vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 4 N 6.88 – (DVBl 1991, 442 = BRS 50 Nr. 25) und entnimmt diesem den Rechtsgrundsatz, dass nach § 12 Abs. 2 BauNVO grundsätzlich eine „geeignete Anzahl von Stellplätzen und Zufahrtsmöglichkeiten als zulässig anzunehmen” sei. Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht von diesem Grundsatz abweiche. Das weiter genannte Urteil des Senats vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 33-35.83 – (BVerwGE 77, 285 = DVBl 1987, 907, [B 31 Meersburg]) äußert sich zu der genannten Rechtsfrage nicht. Die Beschwerde sieht ferner eine Divergenz zu der erwähnten Entscheidung vom 18. Dezember 1990 (a.a.O.) insoweit, als in dieser die Anwendbarkeit der TA-Lärm als Orientierungswert angenommen werde, das Oberverwaltungsgericht diese dagegen „zum alleinigen Maßstab” genommen habe. Auch insoweit bleibt der Rüge schon deswegen der Erfolg versagt, da das Berufungsgericht keinen entgegenstehenden Rechtsgrundsatz aufgestellt hat. Vielmehr betont es selbst, dass es letztlich auf die Besonderheiten des Einzelfalls ankomme und nicht schematisch auf die TA Lärm abzustellen sei.
Mit einem Hinweis auf Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte kann die Zulassung der Revision wegen einer Abweichung nicht begründet werden (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
3. Soweit die Beschwerde ferner rügt, das Oberverwaltungsgericht hätte ein weiteres Sachverständigengutachten einholen, insbesondere ein Zusatzgutachten zur Lärmvorbelastung in Auftrag geben müssen, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Der insoweit geltend gemachte Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementsprechend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223≫). Die Beschwerde trägt zwar vor, dass in der mündlichen Verhandlung gerügt worden sei, dass der Gutachter keine Kontrollmessung vorgenommen habe. Sie behauptet aber selbst nicht, dass sie beantragt habe, ein Zusatzgutachten einzuholen. Ausweislich des Protokolls vom 13. Juni 2002 ist dies auch nicht geschehen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich mit der Lärmvorbelastung in der vorliegend gegebenen Steillage durchaus näher auseinander gesetzt. Vor dem Hintergrund seiner Ausführungen genügt die Beschwerde nicht dem Darlegungserfordernis.
4. Die Beschwerde meint ferner, das angegriffene Urteil begegne verfassungsrechtlichen Bedenken. Damit wird jedoch ein Grund für die Zulassung der Revision nicht aufgezeigt. Dies wäre dann der Fall, wenn eine Frage des Verfassungsrechts dargelegt würde, die weiterer grundsätzlicher Klärung fähig und bedürftig wäre. Hierfür ist nichts ersichtlich. Davon abgesehen kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, auf die das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung in Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls stützt, eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.
Unterschriften
Paetow, Lemmel, Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 929203 |
NVwZ 2003, 1516 |
FSt 2004, 544 |