Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalvertretungsrechtliches Beschlußverfahren. Erledigung der Hauptsache. einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers
Leitsatz (amtlich)
Ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren nach Ergehen der Entscheidung des Beschwerdegerichts ein erledigendes Ereignis eingetreten und erklärt der Antragsteller unter Hinweis darauf nach formgerechter Einlegung der Rechtsbeschwerde bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist die Hauptsache für erledigt, ohne das Rechtsmittel selbst noch zu begründen, so ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG auch dann einzustellen, wenn sich nicht alle Beteiligten der Erledigungserklärung anschließen, der Eintritt der Erledigung als solcher aber unbestritten ist.
Normenkette
BPersVG § 83; ArbGG § 83a
Verfahrensgang
Tenor
Das in der Hauptsache erledigte Verfahren wird eingestellt.
Der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Personalvertretungssachen-Bund – vom 20. April 1998 sowie der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – Fachkammer für Personalvertretungssachen-Bund – vom 23. Mai 1997 sind wirkungslos.
Tatbestand
I.
In der Zeit vom 1. September 1993 bis 25. Februar 1997 absolvierte der Beteiligte zu 1 bei der Antragstellerin erfolgreich eine Berufsausbildung zum Fluggerätmechaniker. Am 10. Mai 1996 wurde er für zwei Jahre in die Bezirks-Jugend- und Auszubildendenvertretung des Luftwaffenunterstützungskommandos gewählt. Unter dem 9. Februar 1997 verlangte er schriftlich, im Anschluß an die Ausbildung weiterbeschäftigt zu werden. Auf Antrag der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 1 aufgelöst. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag der Antragstellerin abgelehnt; die Rechtsbeschwerde hat es zugelassen.
Mit Schreiben vom 12. Juni 1998 hat der Beteiligte zu 1 der Antragstellerin mitgeteilt, daß er nach Ende seines Grundwehrdienstes am 31. Juli 1998 auf seinen Weiterbeschäftigungsanspruch als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung unwiderruflich verzichte. Unter Hinweis darauf hat die Antragstellerin nach Einlegung der Rechtsbeschwerde die Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat sich der Beteiligte zu 1 angeschlossen. Demgegenüber beantragen die Beteiligten zu 2 und 3,
die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Zur Begründung führen sie an, für eine Erledigungserklärung und eine daraus folgende Einstellung des Verfahrens sei kein Raum mehr, da es die Antragstellerin an der fristgerechten Vorlage einer formgerechten Rechtsbeschwerdebegründung habe fehlen lassen.
Entscheidungsgründe
II.
Das Verfahren ist gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 83 a Abs. 2 Satz 1, § 95 Satz 4 ArbGG einzustellen. In entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind die im Verfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidungen wirkungslos.
Ein direkter Anwendungsfall des § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG liegt hier freilich nicht vor, weil sich der Erledigungserklärung der Antragstellerin nicht alle Beteiligten angeschlossen haben. Auch die Fiktion des § 83 a Abs. 3 Satz 2 ArbGG greift nicht ein, weil die Beteiligten zu 2 und 3 im Schriftsatz vom 16. Oktober 1998 fristgerecht der Erledigungserklärung widersprochen haben. In einem derartigen Fall kommen die in der Rechtsprechung des Senats und des Bundesarbeitsgerichts anerkannten Grundsätze über die einseitige Erledigungserklärung im Beschlußverfahren zum Zuge. Danach hat, wenn der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt und andere Beteiligte der Erledigungserklärung widersprechen, das Gericht lediglich zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ein erledigendes Ereignis liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit des Antrages tatsächliche Umstände eingetreten sind, aufgrund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müßte. Darauf, ob der Sachantrag ursprünglich zulässig und begründet war, kommt es im Beschlußverfahren nicht an. Ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, so ist dies festzustellen, soweit die Erledigung als solche umstritten ist, und in jedem Falle das Verfahren entsprechend § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG einzustellen (BAG, Beschluß vom 26. April 1990 – 1 ABR 79/89 – AP § 83 a ArbGG 1979 Nr. 3; Beschluß vom 23. Juni 1993 – 2 ABR 58/92 – a.a.O. Nr. 2; BVerwG, Beschluß vom 7. Januar 1992 – BVerwG 6 PB 17.91 – Buchholz 250 § 28 BPersVG Nr. 4). Die Erledigung kann noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz erklärt werden, wenn das erledigende Ereignis nach Erlaß der zweitinstanzlichen Entscheidung eingetreten ist. Die Erklärung setzt nur voraus, daß die Rechtsbeschwerde zulässig ist. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß die Rechtsbeschwerde erst nach Eintritt des erledigenden Ereignisses eingelegt wurde. Dieses läßt nämlich die formelle Beschwer nicht entfallen (BAG, Beschluß vom 28. Juni 1994 – 1 ABR 59/93 – BAGE 77, 165, 168; Beschluß vom 27. August 1996 – 3 ABR 21/95 – AP § 83 a ArbGG Nr. 4).
Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens entsprechend § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG liegen hier vor. Das Auflösungsbegehren des Antragstellers nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG hat sich – auch nach insoweit übereinstimmender Auffassung aller Beteiligter – aufgrund des Schreibens vom 12. Juni 1998 erledigt, mit welchem der Beteiligte zu 1 auf seinen weiteren Beschäftigungsanspruch als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG mit Wirkung vom 31. Juli 1998 unwiderruflich verzichtet hat. Das erledigende Ereignis ist erst nach Ergehen des angefochtenen Beschlusses eingetreten, dessen Tenor im Anhörungstermin vom 20. April 1998 verkündet wurde.
Danach ist die Einstellung des Verfahrens geboten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Rechtsbeschwerde sei unzulässig. Die Antragstellerin hat die – aufgrund ihrer Zulassung im angefochtenen Beschluß – statthafte Rechtsbeschwerde fristgerecht eingelegt. Sie durfte dies – wie bereits erwähnt – auch angesichts des Umstandes tun, daß inzwischen Erledigung der Hauptsache eingetreten war. Dagegen konnte und mußte die Antragstellerin den innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist (§ 74 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zu erfüllenden inhaltlichen Anforderungen an die Abfassung der Rechtsbeschwerdebegründung nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nicht (mehr) Rechnung tragen. Denn wenn dem Rechtsbeschwerdeführer dort aufgegeben wird, anzugeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll, so wird damit als Regelfall vorausgesetzt, daß das Rechtsbeschwerdeverfahren streitig, also mit einem Sachantrag oder jedenfalls einem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, fortgesetzt wird. Die Abänderung der Entscheidung des Beschwerdegerichts als Folge einer in ihr enthaltenen Rechtsverletzung kommt jedoch nicht mehr in Betracht, wenn sich in der Zeit zwischen Ergehen des angefochtenen Beschlusses und dem Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist das in der Beschwerdeinstanz verfolgte Begehren des Antragstellers erledigt hat. Dann kann es nur noch darum gehen, das Verfahren einzustellen und die Entscheidungen der Vorinstanzen für wirkungslos zu erklären. Die Vorgabe des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG – Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses, Darlegung der Rechtsverletzung – zu erfüllen, ist dem Antragsteller als Rechtsbeschwerdeführer im Rahmen eines zulässigen Rechtsschutzziels dieses Rechtsmittelverfahrens nicht mehr möglich. Es wäre auch widersinnig, jenem eine den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG entsprechende Begründung für den hypothetischen Fall abzuverlangen, daß sich die Hauptsache nicht erledigt hätte. Denn derartige Darlegungen wären für die mit der Erledigung verbundenen prozessualen Rechtsfolgen – Einstellung des Verfahrens, Wirkungslosigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen – ohne Bedeutung. Tritt somit nach Ergehen der Entscheidung des Beschwerdegerichts, aber vor Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist Erledigung der Hauptsache ein, so genügt der Antragsteller als Rechtsbeschwerdeführer seinen prozessualen Obliegenheiten, wenn er innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist die Erledigung der Hauptsache erklärt und das erledigende Ereignis mitteilt. Diesen Anforderungen wird der Schriftsatz der Antragstellerin vom 22. September 1998 gerecht.
Unterschriften
Niehues, Albers, Henkel, Eckertz-Höfer, Büge
Fundstellen
Haufe-Index 1215846 |
ZBR 1999, 308 |
ZTR 1999, 144 |
PersR 1999, 128 |
ZfPR 1999, 50 |
www.judicialis.de 1998 |