Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbegründungsfrist. Verlängerung. Fristverlängerung. Antrag. erhebliche Gründe. Versagung. Fristversäumung. Wiedereinsetzung. Verschulden
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsmittelführer darf nicht darauf vertrauen, dass einer ohne jegliche Angabe von Gründen beantragten Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung stattgegeben wird. Wird ein solcher Antrag am letzten Tag der Frist nach Büroschluss gestellt und erst nach Fristablauf abgelehnt, hat der Rechtsmittelführer die Fristversäumung zu vertreten. Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist kann in einem solchen Fall nicht gewährt werden.
Normenkette
VwGO § 60 Abs. 1, § 124a Abs. 3 S. 3, § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 146 Abs. 2; ZPO § 224 Abs. 2, § 520 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 23. April 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die gerügten Verfahrensfehler können eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen.
a) Der Kläger rügt zunächst, dass an dem Urteil ein Richter als Vorsitzender mitgewirkt habe, der von ihm wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden sei und dass dieses Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. Diese Rüge greift nicht durch. Nach § 173 Satz 1 VwGO, § 557 Abs. 2 ZPO unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht diejenigen dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen, die nach den prozessualen Vorschriften unanfechtbar sind. Die Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO). Demgemäß kann die Frage der Befangenheit als ein Verfahrensfehler grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 14. Mai 1999 – BVerwG 4 B 21.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 20 m.w.N.).
Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass mit den angeführten Gründen für die Fehlerhaftigkeit der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auch die Voraussetzungen des § 138 Nr. 1 VwGO geltend gemacht werden sollen. Eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts käme insoweit nur in Betracht, wenn die Ablehnungsentscheidung auf Willkür oder einem ähnlich schweren Mangel des Verfahrens beruhen würde (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 10. Mai 2006 – BVerwG 10 B 56.05 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 101 Rn. 8 m.w.N.). Dafür gibt die Beschwerdebegründung nichts her. Soweit der Kläger die auf § 43 ZPO (Verlust des Ablehnungsrechts) gestützte Begründung der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs angreift, ergibt sich hieraus weder eine Willkür noch überhaupt ein Rechtsfehler. Der Kläger hat die nach Stellung der Sachanträge geltend gemachte Befangenheit des Vorsitzenden Richters tragend auf die inhaltliche und verfahrensmäßige Behandlung eines Fristverlängerungsantrags und einer Gegenvorstellung gestützt. Diese Umstände lagen vor der Stellung der Sachanträge in der mündlichen Verhandlung. Dass der Vorsitzende Richter danach die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und dabei an seinem Standpunkt festgehalten hat, ändert nichts daran, dass dem Kläger die Ablehnungsgründe bereits vor Stellung der Sachanträge bekannt waren. Soweit der Kläger das Fehlen einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters nach § 44 Abs. 3 ZPO moniert, führt auch dies nicht weiter. Die dienstliche Äußerung dient der weiteren Sachaufklärung; sie ist verzichtbar, wenn der Sachverhalt geklärt ist (Beschluss vom 8. März 2006 – BVerwG 3 B 182.05 – juris Rn. 5). Das war hier der Fall. Die maßgeblichen Umstände waren aktenkundig. Unabhängig davon ist auch die weitere selbständig tragende Begründung des Berufungsgerichts für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht rechtsfehlerhaft oder gar willkürlich. Es hat zu Recht angenommen, dass die Behandlung des Fristverlängerungsantrags und der Gegenvorstellung nicht die berechtigte Besorgnis der Befangenheit begründeten. Abgesehen davon, dass etwaige Rechtsanwendungsfehler für sich genommen keine Befangenheit begründen, lagen solche Fehler hier nicht vor; insbesondere konnte die Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag und die Gegenvorstellung formlos bekannt gegeben werden.
b) Der Kläger rügt als weiteren Verfahrensfehler, dass das Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht abgelehnt habe. Auch diese Rüge greift nicht durch. Die Ablehnung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unterliegt als nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbare Vorentscheidung nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (s.o.). Eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung einer Rechtsmittelfrist wäre zwar ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (vgl. etwa Beschluss vom 21. September 1992 – BVerwG 9 B 188.92 – Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 75). Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag aber nicht zu Unrecht abgelehnt. Es hat darauf abgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Frist nicht unverschuldet versäumt habe; denn er habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass seinem am Nachmittag des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist ohne Angabe von Gründen gestellten Antrag auf Fristverlängerung entsprochen werde (UA S. 7 ff.). Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Fristversäumung verschuldet. Er durfte sich bei Beachtung anwaltlicher Sorgfalt nicht darauf verlassen, dass einem ohne jegliche Angabe von Gründen angebrachten Fristverlängerungsgesuch stattgegeben wird. Der Einwand, dass § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO (anders als § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO) keine Angabe von Gründen für die begehrte Fristverlängerung verlange, so dass von Gesetzes wegen ein bloßer Antrag vor Ablauf der Frist ausreiche, um eine Fristverlängerung zu erreichen, trifft nicht zu. Die Notwendigkeit der Angabe von Gründen in einem Antrag auf Verlängerung einer gesetzlichen Frist ergibt sich ohne Weiteres aus § 57 Abs. 2 VwGO, § 224 Abs. 2 ZPO. Darauf musste das Gericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht hinweisen. Die unterbliebene Angabe von Verlängerungsgründen war für die Versagung der Fristverlängerung auch ursächlich. Der Vorsitzende hat die Versagung darauf gestützt, dass es andernfalls zu einer Verzögerung des Rechtsstreits komme und der Kläger keinen Grund für die begehrte Fristverlängerung angeführt habe. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, dass dem Kläger bei der Angabe von Gründen trotz der angestrebten baldigen Terminierung der Sache eine zumindest kurze Verlängerung zugestanden worden wäre (UA S. 9). Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung dazu, dass es zu der zunächst angestrebten baldigen Terminierung nicht gekommen sei und dass eine zumindest kurze Fristverlängerung auch eine baldige Terminierung nicht gefährdet hätte, stellen nicht in Frage, dass mit der Ablehnung des Verlängerungsantrags eine Verzögerung des Rechtsstreits verhindert werden sollte, denn dafür war die seinerzeitige Beurteilung der Terminslage durch das Gericht maßgeblich, die eine offenkundige Fehleinschätzung nicht erkennen lässt.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die den Kläger interessierende Frage, ob ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Angabe von Gründen erfordert, beantwortet sich aus dem Gesetz (s.o.).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Buchheister
Fundstellen
DÖV 2009, 43 |
VR 2008, 431 |
VR 2009, 33 |