Entscheidungsstichwort (Thema)
Sondergebiet. Art der Nutzung. Schweinehaltung. Tierzahl. Geruchsbeeinträchtigungen. Erheblichkeitsschwelle. Vorsorgegrundsatz. Nutzungskontingente
Leitsatz (amtlich)
In einem auf der Grundlage des § 11 BauNVO festgesetzten Sondergebiet kann die Gemeinde die Art der baulichen Nutzung über die Möglichkeiten hinaus, die § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 9 BauNVO eröffnen, konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen, die ihr am besten geeignet erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel zu erreichen.
Die Art der Nutzung in einem „Sondergebiet für landwirtschaftliche Betriebe einschließlich Tierzucht und Tierhaltung” darf unter Rückgriff auf die VDI-Richtlinie 3471 so festgesetzt werden, dass mit Hilfe der in dieser Richtlinie vorgesehenen Punktregelung und eines festen Abstandsmaßes die höchstzulässige Tierzahl bestimmt wird.
Wenn städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, darf die Gemeinde im Wege der Bauleitplanung unterhalb der durch § 3 Abs. 1 BImSchG bestimmten Erheblichkeitsschwelle eigenständig gebietsbezogen das Maß hinnehmbarer (Geruchs-)Beeinträchtigungen nach den Maßstäben des Vorsorgegrundsatzes steuern.
Normenkette
BauGB § 1 Abs. 6, § 9 Abs. 1 Nr. 24; BImSchG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 22 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 28.09.2000; Aktenzeichen 8 S 2663/99) |
Tenor
Die Revision der Antragsteller gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. September 2000 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller zu 2 ist Eigentümer des Anwesens …, das der Antragsteller zu 1, sein Sohn, auf der Grundlage eines Pachtvertrages für Zwecke der Schweinehaltung nutzt. Das Grundstück ist in südwestlicher Richtung gut 700 m von der Ortslage B. entfernt, die noch von einer Mehrzahl landwirtschaftlicher Betriebe geprägt wird, bei denen die Schweinehaltung vorherrscht. Als Reaktion auf das Vorhaben, den vom Antragsteller zu 1 geleiteten Betrieb zu erweitern sowie weitere Schweinemastbetriebe zu errichten, entschloss die Antragsgegnerin sich, planerisch tätig zu werden. Um den mit einer solchen Massierung der Schweinehaltung verbundenen Unzuträglichkeiten vorzubeugen, wies sie den Bereich als „Sonstiges Sondergebiet für landwirtschaftliche Betriebe einschließlich Tierzucht und Tierhaltung” aus. Der Bebauungsplan „…” erstreckt sich auf ein Gelände von 84 ha. Er sieht neben landwirtschaftlichen Wegen drei durch Baugrenzen umschlossene Standorte für Gehöfte mit einer Gesamtfläche von 7,5 ha vor, darunter auch das als „Standort 2” bezeichnete Betriebsareal des Antragstellers zu 1, das vom Ortsrand weiter entfernt ist als die beiden anderen Standorte. Außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen ist die Errichtung baulicher Anlagen grundsätzlich unzulässig.
Der Bebauungsplan in der ursprünglichen Fassung vom 25. April 1994 enthielt textliche Festsetzungen, die auf eine „Einschränkung der Emissionen durch Tierhaltung” abzielten. Insoweit wurde er vom Normenkontrollgericht auf Antrag der Antragsteller durch Urteil vom 7. Januar 1998 – 8 S 1337/97 – (PBauE § 11 BauNVO Nr. 17) für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin leitete daraufhin ein ergänzendes Verfahren ein. In den Änderungsentwurf nahm sie anstelle der vom Verwaltungsgerichtshof beanstandeten Regelungen in Anknüpfung an eine gutachtliche Stellungnahme des Regierungspräsidiums Tübingen unter 1.1 folgende textliche Festsetzung auf: „Zur Vermeidung von schädlichen Geruchsbelästigungen (§§ 5 und 22 BImSchG) ist in den landwirtschaftlichen Betrieben Tierhaltung nur bis zu der Zahl von Großvieheinheiten zulässig, die sich aus den für die einzelnen Standortfestsetzungen maximalen Emissionsradien unter Anwendung der VDI 3471 oder 3472 einschließlich eventueller Sonderbeurteilungen ergeben. Für die einzelnen Standorte werden folgende maximalen Emissionsradien festgesetzt: Standort 1 – 275 m, Standort 2 – 275 m, Standort 3 – 300 m.” In der Begründung heißt es hierzu: Die Planfestsetzung stelle die Umkehrung des Modells der VDI-Richtlinie 3471 dar. Jedem Standort werde eine maximal verträgliche Anzahl von Großvieheinheiten unter Zugrundelegung einer modernen emissionsarmen Haltung (= 100 Punkte) zugeordnet und in Radien umgerechnet. Hieraus ergäben sich für den Standort 1 1350, für den Standort 2 1400 und für den Standort 3 700 Mastschweine. Der einzelne Landwirt sei an die 100 Punkte der VDI-Richtlinie indes nicht gebunden; bei einer emissionsträchtigeren Tierhaltung seien Abstriche hinsichtlich der Bestandsgröße zu machen. Umgekehrt könne der Landwirt im Zuge einer Sonderbeurteilung nachweisen, dass aufgrund besonderer Vorkehrungen die Geruchsemissionen auch eines höheren Tierbesatzes die festgesetzten Radien einhielten.
Der Antragsteller zu 1 erhob Einwendungen: Die Antragsgegnerin habe Kenntnis davon, dass er seinen Schweinebestand aufstocken wolle. Die in Aussicht genommene Regelung mache dies unmöglich. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ihm nicht ein Emissionsradius von 350 m zugebilligt werden könne. Das Baudezernat der Antragsgegnerin nahm zu den Einwendungen wie folgt Stellung: Die Erweiterungsabsichten des Antragstellers seien bekannt. Sie müssten aber nicht zwangsläufig berücksichtigt werden. Eine Radiusvergrößerung komme nicht in Betracht, da die Summe der für alle drei Standorte errechneten Geruchsemissionen an die Grenze des Akzeptablen stoße. Einer Tierhaltung über die bisher genehmigten 1 400 Mastschweine hinaus stehe nichts im Wege, wenn der Antragsteller zusätzliche Maßnahmen der Emissionsbegrenzung nachweise. Die dafür erforderlichen Mehraufwendungen seien ihm im Interesse der Bewohner Baustettens zumutbar.
Der Gemeinderat der Antragsgegnerin folgte dem Votum der Verwaltung. Er wies die Bedenken des Antragstellers zurück und fasste am 16. November 1998 einen neuen Satzungsbeschluss, der am 5. März 1999 bekannt gemacht wurde.
Die Antragsteller haben ein weiteres Normenkontrollverfahren eingeleitet. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag mit Urteil vom 28. September 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die textlichen Festsetzungen, gegen die sich die Antragsteller zur Wehr setzten, begründeten Anforderungen an das Emissionsverhalten. Mit einer solchen Festsetzungsmethode lasse sich zulässigerweise die Nutzungsart umschreiben. Die insoweit getroffenen Bestimmungen bedürften zwar der Auslegung, sie genügten aber gleichwohl dem Bestimmtheitsgebot. Die Festsetzungen knüpften an VDI-Richtlinien an, die der landwirtschaftlichen Praxis geläufig seien. Aus den Abstandsregelungen dieser Regelwerke lasse sich unter Berücksichtigung der vom Landwirt jeweils getroffenen baulichen und technischen Vorkehrungen die maximal zulässige Tierzahl errechnen. Die Emissionskreise böten die rechnerische Grundlage für die im Normalfall pro Standort zulässige Tierzahl, sie dienten als Bezugslinien aber auch für den Fall, dass der Landwirt Zusatzmaßnahmen ergreife, die einen höheren Tierbestand ermöglichten. Die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin lasse sich ebenfalls nicht beanstanden. Entgegen der Annahme der Antragsteller enthalte der Bebauungsplan keine Abstandsregelungen. Mit den Emissionskreisen werde lediglich die an den einzelnen Standorten maximal zulässige Bestandsgröße umschrieben. Es stelle keinen Abwägungsfehler dar, dass die Antragsgegnerin bei der Beurteilung der zu erwartenden Geruchsbelastungen nicht auf verfeinerte Simulationsmodelle zurückgegriffen habe. Der Umstand, dass in den Randlagen von B. die äußerste Zumutbarkeitsgrenze selbst dann nicht überschritten werde, wenn die Antragsteller ihren Schweinebestand um 1400 Tiere aufstockten, sei rechtlich ohne Bedeutung. Die Antragsgegnerin dürfe auch unterhalb der Schädlichkeitsschwelle die Städtebaupolitik betreiben, die ihren Ordnungsvorstellungen entspreche. Die Interessen der Antragsteller seien dabei nicht unverhältnismäßig zurückgesetzt worden. Die Antragsgegnerin habe die Erweiterungsabsichten in die Abwägung eingestellt, einer Beschränkung des Tierbestandes aber den Vorzug gegeben, um Geruchsbeeinträchtigungen vorzubeugen. In diesem Zusammenhang sei es ihr unbenommen, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Ortsrandbebauung, die derzeit noch Dorfcharakter habe, in Zukunft zu einem Misch- oder einem allgemeinen Wohngebiet „aufgezont” werden solle. Werde im Planungsraum eine zu große Geruchskulisse zugelassen, so laufe sie Gefahr, dass ihre planerischen Vorstellungen bereits im Ansatz durchkreuzt würden. Die Antragsteller würden im Verhältnis zu den übrigen Landwirten im Plangebiet nicht unverhältnismäßig benachteiligt. Die Antragsgegnerin habe plausibel dargelegt, dass der Radius für den Standort 2 nicht vergrößert werden könne, weil der Radius am Standort 1 bereits durch den vorhandenen Tierbestand ausgeschöpft sei und weil eine Verringerung der Tierzahl am Standort 3 zur Unwirtschaftlichkeit führen könne. Die Antragsteller stellten einseitig auf den Gesichtspunkt ab, dass selbst bei einer Verdoppelung ihres Mastschweinebestandes am Ortsrand von B. keine unzumutbaren Geruchsimmissionen zu erwarten seien. Sie ließen außer Acht, dass es ein billigenswertes Anliegen sei, die benachbarte Feldflur nicht bis an die Grenze der Zumutbarkeit mit einer Geruchswolke aus Tierhaltungsbetrieben zu belegen.
Die Antragsteller tragen zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision vor: Für die angegriffene Planung biete § 11 BauNVO keine Rechtsgrundlage. Der Bebauungsplan gebe vor, dass im Plangebiet landwirtschaftliche Betriebe zulässig seien. Tatsächlich werde die Ansiedlung solcher Betriebe auf drei Standorte beschränkt, ohne dass deutlich werde, ob dort jeweils nur ein oder auch mehrere Betriebe zulässig seien. Die textliche Festsetzung 1.1 sei nicht ausreichend bestimmt. Sie verweise auf die VDI-Richtlinie 3471. Dieser Richtlinie aber sei nicht zu entnehmen, welche Geruchsbelastung zulässig und zumutbar sei. Sie lasse Raum für eine Sonderbeurteilung, stelle hierfür aber keine Beurteilungsgrundlagen zur Verfügung. Der Bebauungsplan enthalte keine Bestimmung darüber, ob das für ein Wohn- oder ein Dorfgebiet maßgebliche Immissionsschutzniveau zu wahren sei. Die Planung werde den Anforderungen des Abwägungsgebotes nicht gerecht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbiete es, willkürliche Emissionsgrenzen für landwirtschaftliche Betriebe festzulegen. Der Emissionsradius, den die Antragsgegnerin ihnen unter Rückgriff auf die VDI-Richtlinie 3471 zugebilligt habe, sei nicht erforderlich, um den Ortsrand von B. vor unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen zu schützen. Die textliche Festsetzung 1.1. knüpfe an ein Gutachten des Regierungspräsidiums Tübingen an, das nur zum Nebeneinander von Schweinehaltung und Wohnbebauung Stellung nehme. Tatsächlich aber habe B. den Charakter eines Dorfgebietes. Der Gemeinderat habe diese Diskrepanz nicht zur Kenntnis genommen. Er habe nicht berücksichtigt, dass ein Dorfgebiet weniger schutzwürdig sei als ein Wohngebiet. Vielmehr werde der Eindruck erweckt, als stellten die vom Regierungspräsidium Tübingen ermittelten Isoplethen die absolute Toleranzgrenze dar. Die Antragsgegnerin habe verkannt, dass die Gerüche, die von ihren Stallungen ausgingen, nicht weiter reichten als die Gerüche des B. nächstgelegenen Betriebsstandorts. Die Immissionshäufigkeit von mehreren Betrieben dürfe nicht kurzerhand in irgendeiner Form addiert oder sonst wie kumuliert werden.
Die Antragsteller beantragen,
das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 28. September 2000 aufzuheben und festzustellen, dass der Bebauungsplan „…” in der Fassung vom 16. November 1998 nichtig ist.
Die Antragsgegnerin hält das angefochtene Normenkontrollurteil für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das Normenkontrollgericht hat den Antrag zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bebauungsplan leidet nicht an Mängeln, die dazu nötigen, ihn für nichtig oder für nicht wirksam zu erklären.
1. Der Bebauungsplan ist mit den Anforderungen vereinbar, die § 11 BauNVO an die Festsetzung „sonstiger Sondergebiete” stellt.
1.1 Die Antragsgegnerin hat den 84 ha großen Bereich, der im Südwesten an die Ortslage B. angrenzt, als „Sonstiges Sondergebiet” ausgewiesen, in dem nur „landwirtschaftliche Betriebe im Sinne des § 201 BauGB einschließlich Tierzucht und Tierhaltung” zulässig sind. Als Rechtsgrundlage dieser Festsetzung dient ihr § 11 Abs. 1 BauNVO. Danach können als sonstige Sondergebiete solche Gebiete festgesetzt werden, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Das Plangebiet weist ein derartiges Unterscheidungsmerkmal auf. Es ist durch einen Festsetzungsgehalt gekennzeichnet, der sich keinem der in den §§ 2 ff. BauNVO geregelten Gebietstypen zuordnen lässt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. September 1978 – BVerwG 4 C 30.76 – BVerwGE 56, 283; Beschluss vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 4 NB 19.90 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 25). Nach seiner Zweckbestimmung hebt sich das Sondergebiet deutlich von den klassifizierten Baugebieten ab. Anders als in einem Dorfgebiet, das nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO neben der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe auch dem Wohnen und der Unterbringung näher bezeichneter Gewerbe- und Handwerksbetriebe dient, sind nur landwirtschaftliche Betriebe zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 1997 – BVerwG 4 BN 11.97 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 22 ≪landwirtschaftliches Aussiedlungsgebiet≫).
Da die Art der zulässigen Nutzung sich bei einem sonstigen Sondergebiet im Sinne des § 11 Abs. 1 BauNVO nicht wie bei den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO aus einem normativ festgelegten Nutzungskatalog ergibt, muss die Gemeinde sie nach § 11 Abs. 2 BauNVO gesondert festsetzen. Einen Hinweis auf die Nutzungsart enthält der angegriffene Bebauungsplan insofern, als das Gebiet „landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 201 BauGB einschließlich Tierzucht und Tierhaltung” zur Verfügung stehen soll. Damit ist die Art der zulässigen Nutzung nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin aber noch nicht abschließend umschrieben. Um zugelassen werden zu können, müssen die Betriebe bestimmte Merkmale erfüllen, die in der textlichen Festsetzung 1.1 wie folgt umschrieben werden: „Zur Vermeidung von schädlichen Geruchsbelästigungen (§§ 5 und 22 BImSchG) ist in den landwirtschaftlichen Betrieben Tierhaltung nur bis zu der Zahl von Großvieheinheiten zulässig, die sich aus den für die einzelnen Standortfestsetzungen maximalen Emissionsradien unter Anwendung der VDI 3471 oder 3472 einschließlich eventueller Sonderbeurteilungen ergeben. Für die einzelnen Standorte werden folgende maximalen Emissionsradien festgesetzt: Standort 1 – 275 m, Standort 2 – 275 m, Standort 3 – 300 m.”
1.2 Die Revision steht auf dem Standpunkt, dass § 11 BauNVO für eine solche Bestimmung keine taugliche Grundlage bietet. Um das Planungsziel der „Vermeidung von schädlichen Geruchsbelästigungen (§§ 5 und 22 BImSchG)” zu erreichen, musste sich die Antragsgegnerin indes nicht der Festsetzungsinstrumente bedienen, die § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB zur Verfügung stellt. Insbesondere ist die Einbeziehung der VDI-Richtlinie 3471 in die Festsetzungen des Bebauungsplans rechtlich unbedenklich.
1.2.1 Die textliche Festsetzung 1.1 ist nicht in erster Linie dazu bestimmt, durch bauliche oder sonstige technische Vorkehrungen einen Beitrag zur Vermeidung oder Minderung schädlicher Umwelteinwirkungen zu leisten. Sie stellt entgegen der Auffassung der Antragsteller auch keine „Abstandsregelung” dar, die die gleiche Funktion erfüllt wie die Festsetzung eines Immissionsgrenzwerts als eines Zaunwerts, die in den Baugebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO ebenso wie in Sondergebieten weder nach § 9 BauGB noch nach der Baunutzungsverordnung, insbesondere dessen § 1 Abs. 4, zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 7.98 – BVerwGE 110, 193 ≪200≫; Beschluss vom 10. August 1993 – BVerwG 4 NB 2.93 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 18). Der Rückgriff auf die VDI-Richtlinie 3471 rechtfertigt keine gegenteiligen Schlüsse. Richtig an der Argumentation der Antragsteller ist, dass dieses Regelwerk, das zwar keine rechtliche Verbindlichkeit für sich beansprucht, aber als brauchbare Orientierungshilfe herangezogen werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 – BVerwG 4 C 19.90 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155; Beschlüsse vom 27. Januar 1994 – BVerwG 4 B 16.94 – NVwZ-RR 1955, 6 und vom 8. Juli 1998 – BVerwG 4 B 38.98 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 290), eine immissionsschutzrechtliche Komponente aufweist. Das Regelungsziel der VDI-Richtlinie 3471 ist es, unter Berücksichtigung des Standes der Technik in der Schweinehaltung ein niedriges Emissionsniveau zu gewährleisten. Die Richtlinie verschließt sich indes nicht der Erkenntnis, dass auch in einer an hohen technischen Standards ausgerichteten Schweinehaltung Geruchsstoffemissionen nicht ausgeschlossen werden können. Für diesen Fall schlägt sie in ausdrücklicher Anknüpfung an § 3 Abs. 1 BImSchG zur Vermeidung erheblicher Belästigungen Abstände zwischen der Tierhaltung und der Wohnbebauung vor. Damit folgt sie dem Konzept der TA-Luft vom 27. Februar 1986 (GMBl S. 95, 202), die bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen zum Halten von Schweinen in Nr. 3.3.7.1.1 bauliche und betriebliche Anforderungen vorsieht und es im Übrigen ebenfalls mit einer Abstandsregelung bewenden lässt. Dieser Regelungsansatz erklärt sich daraus, dass es bisher nicht in zufrieden stellender Weise gelungen ist, Geruchsbelästigungen zu quantifizieren. Da Gerüche nicht wie sonstige Luftverunreinigungen oder Lärmeinwirkungen messbar sind, fehlen Grenz- oder Richtwerte, wie sie für das Regelungssystem der TA-Luft und der TA-Lärm an sich typisch sind (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1998 – V ZR 64/98 – NJW 1999, 356).
Nach der VDI-Richtlinie 3471 bestimmt sich bei einem Aufeinandertreffen von Schweinehaltung und Wohnen der Abstand nach den Faktoren, die maßgeblich dafür sind, ob Geruchsbeeinträchtigungen drohen oder nicht. Wie aus der Nr. 3.2.1 der VDI-Richtlinie 3471 zu ersehen ist, wird die Geruchskulisse vor allem durch die Betriebsgröße, Art und Anzahl der Tiere und den jeweiligen technischen Standard des Betriebes beeinflusst. Die Bestandsgröße wird dadurch ermittelt, dass die angegebenen Tierplatzzahlen im Stall nach Maßgabe bestimmter Orientierungswerte auf Großvieheinheiten umgerechnet werden. Die technische Ausstattung des Betriebes wird je nachdem, in welchem Ausmaße sie zur Emissionsvermeidung oder -verminderung geeignet ist, mit Punkten bewertet. Auch besondere Standortbedingungen finden, sofern sie das Emissionsverhalten günstig oder nachteilig beeinflussen, in Gestalt von Zu- oder Abschlägen in dem Punktsystem einen Niederschlag. Ein Stall, der dem Stand der Technik entspricht und auch sonst den rechtlichen Anforderungen genügt, wird mit 100 Punkten bewertet. Auskunft darüber, welcher Abstand zwischen Tierhaltung und Wohnbebauung (WR, WA, WB und MI) zur Vermeidung von Konflikten ratsam ist, gibt das Bild 21 der Richtlinie, aus dem zu ersehen ist, dass neben der Bestandsgröße die Punktzahl von ausschlaggebender Bedeutung ist.
1.2.2 Die Antragsgegnerin benutzt die VDI-Richtlinie 3471 freilich nicht, um aus der Bestandsgröße und den technischen Betriebsmerkmalen einen angemessenen Sicherheitsabstand zu errechnen. Sie geht mit der Festsetzung 1.1 vielmehr den umgekehrten Weg. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die als „Emissionsradien” bezeichneten Abstände dienen als Grundlage dafür, in Abhängigkeit von der jeweiligen betrieblichen Ausstattung den zulässigen Viehbestand zu ermitteln. Entsprechen die Stallungen dem Stand der Technik im Sinne des 100-Punkte-Schemas der VDI-Richtlinie 3471, so ergibt sich für die Antragsteller ein Bestand von 1 400 Mastschweinen. Dass die Antragsgegnerin nicht diese Zahl als Anknüpfungspunkt für ihre Festsetzung gewählt hat, beruht darauf, dass sie die Antragsteller nicht starr auf diese Tiermenge hat festlegen wollen. Die VDI-Richtlinie 3471 lässt Raum für eine flexible Handhabung. Nach ihrer Systematik wird den Antragstellern und den übrigen Betriebsinhabern im Plangebiet nicht eine bestimmte Tiermenge als gleichsam feste Größe zugeteilt. Wird die Punktzahl von 100, etwa aufgrund von Defiziten bei der Entmistung oder der Stalllüftung, unterschritten, so ist ein entsprechend geringerer Viehbestand zulässig. Umgekehrt kommt ein höherer Tierbesatz in Betracht, wenn über den Stand der Technik hinaus technische Zusatzmaßnahmen ergriffen werden. Als solche nennt die VDI-Richtlinie 3471 unter der Nummer 2.8 ausdrücklich eine verbesserte Abluftverteilung, die Abluftbehandlung (z.B. Biofilter, Biowäscher, Anwendung von chemischen Stoffen) und die Flüssigmistbehandlung (z.B. Belüftung, Anwendung chemischer oder chemobiologischer Mittel).
1.3.1 Soweit es um die Festsetzung der Art der Nutzung geht, ermöglicht § 1 BauNVO für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete Feindifferenzierungen nur nach Maßgabe seines Absatzes 4 Satz 1 Nr. 2 und seines Absatzes 9. § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauNVO stellt indes klar, dass diese Vorschriften bei der Ausweisung von Sondergebieten keine Anwendung finden. Besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können stattdessen, wie aus § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BauNVO erhellt, nach den §§ 10 und 11 BauNVO getroffen werden. Gerade Sondergebiete nach § 11 Abs. 1 BauNVO erhalten ihre Prägung dadurch, dass sie sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO wesentlich unterscheiden. Das kann nicht ohne Folgen für die nach § 11 Abs. 2 BauNVO unumgängliche Festsetzung der Art der Nutzung bleiben. Im Rahmen des § 11 BauNVO ist die Gemeinde weder an die in den §§ 2 bis 9 BauNVO aufgeführten Nutzungsarten noch an die in § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO für die normativ ausgestalteten Baugebiete eröffneten Differenzierungsmöglichkeiten gebunden. Vielmehr liegt die Definitionsmacht darüber, welche Anlagen zulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind, bei ihr. Sie kann die Art der baulichen Nutzung über die Möglichkeiten hinaus, die § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 9 BauNVO eröffnet, näher konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen, die ihr am besten geeignet erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel zu erreichen. Die Grundlage hierfür findet sich unmittelbar in § 11 BauNVO (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 1989 – BVerwG 4 C 12.86 – Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 2; Beschlüsse vom 7. September 1984 – BVerwG 4 N 3.84 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 6, vom 8. Mai 1989 – BVerwG 4 B 78.89 – Buchholz 406.11 § 31 BBauG/BauGB Nr. 27 und vom 16. September 1998 – BVerwG 4 B 60.98 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 24). Die textliche Festsetzung 1.1, die darauf hinausläuft, das Emissionspotenzial mit Hilfe der Mechanismen der VDI-Richtlinie 3471 zu beschränken, stellt sich vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung als ein nach § 11 Abs. 2 BauNVO unbedenklicher Weg dar, die Art der Nutzung gebietsadäquat zu steuern.
1.3.2 Die Revision hält es freilich aus grundsätzlichen Erwägungen für fragwürdig, sich im Rahmen der Bauleitplanung der VDI-Richtlinie 3471 als Hilfsmittel zu bedienen. Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin erscheint ihr insbesondere unter Bestimmtheitsgesichtspunkten kritikwürdig. Dieser Einwand greift jedoch nicht durch.
Es war der Antragsgegnerin nicht aus Rechtsgründen verwehrt, die textliche Festsetzung 1.1 im Wege der Verweisung um einzelne der VDI-Richtlinie 3471 entnommene Elemente anzureichern. VDI-Richtlinien erzeugen aus sich heraus keine rechtlichen Wirkungen. Sie können aber dadurch in Recht transformiert werden, dass sie in eine Rechtsnorm aufgenommen werden. Eine derartige Inkorporation begegnet keinen grundsätzlichen rechtsstaatlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. September 1996 – BVerwG 4 B 175.96 – Buchholz 445.4 § 18 b WHG Nr. 2 und vom 6. Dezember 1999 – BVerwG 4 B 75.99 – Buchholz 406.41 Baugestaltungsrecht Nr. 5).
Die VDI-Richtlinie 3471, auf die in der textlichen Festsetzung 1.1 verwiesen wird, erfüllt auch die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Das Normenkontrollgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Anwendung dieses in den betroffenen Kreisen allgemein bekannten Regelwerks keine besonderen Schwierigkeiten bereitet. Probleme wirft die Festsetzungsmethode der Antragsgegnerin nicht deshalb auf, weil die VDI-Richtlinie 3471 an sich so konzipiert ist, dass anhand der Punktzahl und des Viehbestandes der Mindestabstand ermittelt werden kann. Die Richtlinie lässt sich ohne weiteres auch dann nutzbar machen, wenn es darum geht, zusammen mit der Punktregelung auf der Grundlage eines als feste Größe zugrunde gelegten Abstandes die Tierzahl zu bestimmen. Ein Unsicherheitsmoment haftet dieser Berechnung lediglich insoweit an, als der Viehbestand von der Punktzahl abhängt, die je nach der technischen Ausstattung des einzelnen Betriebes variabel ist. Hierin kann jedoch kein Bestimmtheitsdefizit gesehen werden. Jeder Betriebsinhaber hat es in der Hand, die Punktzahl zu beeinflussen. Mit welchem Gewicht technische Vorkehrungen, die über den Stand der Technik hinausgehen oder dahinter zurückbleiben, in dem Punktsystem der VDI-Richtlinie 3471 positiv oder negativ zu Buche schlagen, lässt sich anhand der Tabelle 4 der Richtlinie unschwer ablesen und auf der Vollzugsebene zum Inhalt der Zulassungsentscheidung machen.
2. Zu Unrecht hält die Revision die Festsetzung eines der Landwirtschaft vorbehaltenen Sondergebiets für unvereinbar mit der im Bebauungsplan vorgesehenen Beschränkung der Betriebsstellen auf einzelne Standorte.
Die Antragsgegnerin hat im Planbereich durch die Festsetzung von Baugrenzen drei überbaubare Grundstücksflächen bestimmt. Nach der textlichen Festsetzung 1.3 ist außerhalb dieser Flächen die Errichtung baulicher Anlagen grundsätzlich unzulässig. Nur Silos und Nebengebäude, die zur Unterbringung beweglicher Sachen dienen, können unter der Voraussetzung, dass sie aus betrieblichen Gründen zwingend notwendig sind, ausnahmsweise zugelassen werden. Die Revision hält es für unzulässig, dass auf diese Weise „der Schwerpunkt des Gebietes jeglicher baulicher Nutzung entzogen (wird), mit der Folge, dass im Prinzip nicht ein Gebiet durch Festsetzung eines Bebauungsplanes einer baulichen Nutzung zugeführt werden soll, sondern dass abweichend von § 35 BauGB durch planerische Festsetzung eine an sich gesetzlich zugelassene Nutzung ausgeschlossen wird”.
Dieser Einwand geht fehl. Etliche der in der Baunutzungsverordnung getroffenen Regelungen sind in sonstigen Sondergebieten nicht einschlägig. Das gilt ausweislich des § 11 Abs. 1 BauNVO insbesondere für die §§ 2 bis 10 BauNVO. Wie aus § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO erhellt, sind die Absätze 4 bis 10 des § 1 BauNVO in Sondergebieten ebenfalls nicht anwendbar. Dagegen findet sich in der Baunutzungsverordnung kein Hinweis darauf, dass auch die Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und über die überbaubare Grundstücksfläche ausgeschlossen sind. Für das Nutzungsmaß ergibt sich das unmittelbar aus § 17 Abs. 1 BauNVO, der Obergrenzen ausdrücklich auch für sonstige Sondergebiete vorsieht. Für die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche gilt nichts anderes. Die Gründe, die es je nach den planerischen Vorstellungen der Gemeinde rechtfertigen, Baugebiete nach Maßgabe der §§ 16 ff. BauNVO zu strukturieren, können bei Sondergebieten mit eben solchem Gewicht zu Buche schlagen. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht in sich widersprüchlich, ein Gebiet der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen, die Errichtung baulicher Anlagen aber unabhängig von der Zahl der Betriebsstellen im Wesentlichen auf drei Standorte zu konzentrieren. Das läuft nicht darauf hinaus, der Landwirtschaft einen Großteil des Plangebiets zu entziehen. Die Revision lässt außer Acht, dass auch die nicht überbaubaren Flächen landwirtschaftlich nutzbar sind. Nur unter dem Blickwinkel der baulichen Nutzung haben sie weitgehend den Charakter einer Tabuzone. Die Gebietsprägung als solche wird hierdurch nicht in Frage gestellt.
Der Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1998 – BVerwG 4 NB 4.97 – (Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 93) steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Er betrifft keine Gebietsfestsetzung auf der Grundlage der §§ 2 bis 11 BauNVO, sondern die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 a BauGB. Ihm lässt sich lediglich entnehmen, dass diese Bestimmung allein nicht zum Ausschluss baulicher Anlagen ermächtigt, die der Landwirtschaft dienen. In dem Beschluss wird indes ausdrücklich klargestellt, dass der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, ggf. auch Flächen für die Landwirtschaft von jeglicher Bebauung freizuhalten. Die Antragsgegnerin hat sich nicht für die vom Senat angesprochene Festsetzungskombination entschieden, um im Rahmen der von ihr zugelassenen landwirtschaftlichen Nutzung die Verteilung von Bebauung und Freiflächen zu regeln. Sie hat einem anderen rechtlich gangbaren Weg den Vorzug gegeben. Ihr war es unbenommen, die vom Gesetzgeber wahlweise zur Verfügung gestellten Festsetzungsmittel so einzusetzen, dass der von ihr erstrebte Planungserfolg bestmöglich gesichert wird.
3. Die Antragsteller halten dem Normenkontrollgericht ohne Erfolg vor, die Anforderungen des Abwägungsgebots verkannt zu haben.
3.1 Unter Hinweis auf die Mindestabstandskonzeption der VDI-Richtlinie 3471 und das EMIAK-Modell, das nach den Feststellungen der Vorinstanz als Teil des vom Regierungspräsidium Tübingen erstatteten Gutachtens vom 12. Juni 1992 die Grundlage der textlichen Festsetzung 1.1 bildet, sehen sie es als erwiesen an, dass die Tierhaltung durch den angegriffenen Bebauungsplan weit stärker beschränkt wird, als dies zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen geboten wäre. Sie heben hervor, dass die Bebauung am Ortsrand von B. nicht nur deutlich jenseits der Mindestabstandslinie liegt, die nach der Konzeption der VDI-Richtlinie 3471 ein konfliktfreies Nebeneinander von Schweinehaltung und Wohnbebauung erwarten lässt, sondern auch außerhalb der nach dem EMIAK-Modell berechneten Isoplethenlinie, die nach dem Gutachten des Regierungspräsidiums Tübingen als Anhaltspunkt dafür dient, wo die für Geruchsbeeinträchtigungen maßgebliche Erheblichkeitsgrenze verläuft. Die Revision entnimmt der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. K. vom 11. August 2000, dass selbst bei einer Verdoppelung des Bestandes an Mastschweinen auf dem Hof der Antragsteller am Siedlungsrand von B. keine unzumutbare Gesamtbelastung an Geruchsimmissionen zu erwarten wäre. Außerdem hält sie der Antragsgegnerin vor, als Maßstab von einer Bebauung mit Wohngebietscharakter ausgegangen zu sein, die zwar dem städtebaulichen Ordnungsbild entsprechen möge, das für die Zukunft angestrebt werde, aber nicht darüber hinwegtäuschen könne, dass der Ortsrandbereich derzeit noch ein dörfliches Gepräge aufweise.
3.2 Zu Recht hat das Normenkontrollgericht keinen dieser Gesichtspunkte als Beleg für einen Abwägungsmangel gewertet. Die Antragsgegnerin hat sowohl den allgemeinen Interessen der Landwirtschaft als auch den individuellen Belangen der Antragsteller bei der nach § 1 Abs. 6 BauGB gebotenen Abwägungsentscheidung angemessen Rechnung getragen. Von einer Fehlgewichtung oder einer unverhältnismäßigen Zurücksetzung hinter andere planungsrelevante Belange kann keine Rede sein.
3.2.1 Es lässt sich rechtlich nicht beanstanden, dass die Antragsgegnerin ihre Planung so konzipiert hat, als ob das Plangebiet im Osten auf eine Wohnbebauung stoße. Zwar steht außer Streit, dass die Bebauung am Westrand B.s derzeit noch Dorfgebietscharakter hat. Ebenfalls unstreitig ist jedoch, dass die Antragsgegnerin Schritte unternommen hat, um die bauliche Entwicklung in diesem Bereich in Richtung Wohngebiet zu lenken. Das Normenkontrollgericht hat den Strukturwandel, der sich am Westrand B. anbahnt, zu Recht als Abwägungsposten gelten lassen. Der Antragsgegnerin steht es frei, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. August 1995 – BVerwG 4 NB 21.95 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86 und vom 11. Mai 1999 – BVerwG 4 BN 15.99 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27). Überplant sie, wie hier, einen Bereich, der an die bebaute Ortslage angrenzt, so darf sie die Festsetzungen so treffen, dass sie sich etwaige von ihr ins Auge gefasste Entwicklungsmöglichkeiten in der Nachbarschaft nicht von vornherein abschneidet. Das zulässigerweise verfolgbare Ziel, einen vorhandenen Ortsteil fortzuentwickeln (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB) kann es rechtfertigen, sich bei der Planung nicht am überkommenen, sondern an dem Baubestand auszurichten, der sich für die Zukunft abzeichnet. Eine Grenze ist einer derartigen Zukunftsprojektion durch das Verbot des „Etikettenschwindels” gezogen. Veränderungen der baulichen Struktur, die nicht ernsthaft beabsichtigt, sondern nur vorgeschoben sind, dürfen nicht als entgegenstehende Belange dafür herhalten, die Abwägungsmaßstäbe zu verschieben. Die Revision zeigt indes keine Umstände auf, die insoweit Anlass zu Zweifeln geben. Ist absehbar, dass am Westrand von B. über kurz oder lang ein Wohngebiet entsteht, so ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, schon jetzt Vorsorge dafür zu treffen, dass sich die Geruchsbeeinträchtigungen, die von den Betrieben im Planbereich zu erwarten sind, jedenfalls in dem für eine Wohnbebauung zumutbaren Rahmen halten.
3.2.2 Als abwägungsfehlerhaft erweist sich die Planung entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht deshalb, weil es vor dem Hintergrund der Berechnungen des Sachverständigen Dr. K. Anhaltspunkte dafür gibt, dass die textliche Festsetzung 1.1, die im Ergebnis darauf hinausläuft, den Viehbestand auf dem Hof der Antragsteller nach dem 100-Punkte-System auf 1 400 Mastschweine zu beschränken, weitergehende Schranken aufrichtet, als zur Abwehr erheblicher Geruchsbelästigungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) in einem Wohngebiet erforderlich wäre. Die Revision missversteht das Zusammenspiel von Städtebaurecht und Immissionsschutzrecht bei der Aufstellung von Bebauungsplänen. Das Immissionsschutzrecht wirkt nicht mit verbindlichen Vorgaben unmittelbar auf die Bauleitplanung ein. Seine rechtlichen Anforderungen greifen grundsätzlich zwar erst auf der Ebene der Anlagenzulassung. Das schließt freilich nicht aus, dass ihm bereits im Rahmen der Bauleitplanung Rechnung getragen werden muss. Eine Schrankenfunktion erfüllt es im Planungsstadium allerdings nur in einer Richtung. Die Gemeinde darf keinen Bebauungsplan aufstellen, der aus Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist. Trifft sie Festsetzungen, deren Verwirklichung an den Anforderungen des Immissionsschutzrechts scheitert, so verstößt ihre Planung gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB enthaltene Gebot der Erforderlichkeit, das dem in § 1 Abs. 6 BauGB normierten Abwägungsgebot rechtlich vorgelagert ist und nicht nach Abwägungsgesichtspunkten überwunden werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 1999 – BVerwG 4 CN 4.98 – BVerwGE 109, 246).
Über Grenzwertregelungen, durch die die Erheblichkeitsschwelle im Sinne des Schutzstandards der §§ 5 und 22 BImSchG zugunsten der Nachbarschaft auch mit Wirkung für das Städtebaurecht konkretisiert wird, darf die Gemeinde sich nicht sehenden Auges hinwegsetzen. Ist vorhersehbar, dass sich im Falle der Umsetzung der getroffenen Festsetzungen die immissionsschutzrechtlich maßgeblichen Grenzwerte nicht werden einhalten lassen, so ist der Bebauungsplan nichtig. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Gemeinde umgekehrt im Interesse von Bauinteressenten von ihren planerischen Befugnissen keinen anderen Gebrauch machen darf, als Nutzungen bis an die Grenze dessen zu ermöglichen, was anhand der Maßstäbe des Immissionsschutzrechts gerade noch zulässig ist, ohne als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG qualifiziert werden zu können. Die Gemeinde ist nicht strikt an die immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitskriterien gebunden. Vielmehr ist es ihr bereits im Vorfeld der Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen gestattet, durch ihre Bauleitplanung eigenständig gebietsbezogen das Maß des Hinnehmbaren zu steuern (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 – BVerwG 4 C 52.87 – Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 36, Beschluss vom 16. Dezember 1988 – BVerwG 4 NB 1.88 – Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 33; vgl. auch Urteil vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 C 6.88 – BVerwGE 84, 236). Diese Annahme kollidiert nicht mit den Strukturprinzipien des Immissionsschutzrechts. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz beschränkt sich nicht auf die Schutzvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und damit auf die Abwehr erheblicher Nachteile oder Belästigungen im Sinne des § 3, sondern eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 vorbeugenden Umweltschutz zu betreiben. Freilich bedarf es hierfür eines rechtfertigenden Anlasses. Denn nach der Wertung des Gesetzgebers ist ein angemessener Interessenausgleich zwischen Emittent und Immissionsbetroffenem im Allgemeinen schon dann gewährleistet, wenn dem Schutzgebot Genüge getan wird. Ein solcher Anlass ist hier gegeben.
3.2.3 Vorsorgemaßnahmen sollen unabhängig vom Schädlichkeitsnachweis greifen. Von daher kommen als geeignetes Einsatzfeld nicht zuletzt die Bereiche in Betracht, in denen es für die Beurteilung der Erheblichkeit keine normativ festgelegten Schwellenwerte gibt. Das ist bei Geruchsbelästigungen der Fall, da sich bei ihnen nicht sicher abschätzen lässt, wo die Schädlichkeitsgrenze verläuft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 1990 – BVerwG 7 B 57.90 – Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 13).
Über diese Erwägung hinaus kann die Antragsgegnerin weitere Umstände ins Feld führen, die es rechtfertigen, über die Begrenzung des Viehbestandes das Immissionsniveau im Plangebiet vergleichsweise niedrig zu halten. Das Vorsorgegebot im Sinne eines vorbeugenden Umweltschutzes lässt auch Vermeidungsanstrengungen gegenüber umweltbeeinträchtigenden Luftschadstoffen zu, die mit dem Ziel ergriffen werden, längerfristig nach Maßgabe eines generellen Sanierungskonzeptes eine Luftqualität herbeizuführen oder zu sichern, die einen angemessenen Sicherheitsabstand zur konkreten Schädlichkeitsgrenze herstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1982 – BVerwG 7 C 42.80 – BVerwGE 65, 313 ≪320≫; Beschluss vom 10. Januar 1995 – BVerwG 7 B 112.94 – NVwZ 1995, 994). So verhält es sich hier. Nach den vom Normenkontrollgericht getroffenen Feststellungen dient die textliche Festsetzung 1.1 nicht nur dazu, den Ortsrand zu schützen, sondern auch dazu, „die anschließende Feldflur nicht bis an die Grenze der Zumutbarkeit mit einer Geruchswolke aus den Tierhaltungsbetrieben zu belegen”. Die Antragsteller bestätigen, dass sich das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin in den letzten Jahrzehnten zu einem der Schwerpunkte der Schweinehaltung in Baden-Württemberg entwickelt hat. Im Zeitpunkt des Planerlasses waren im Ortsteil B. noch 17 Haupt- und 31 Nebenerwerbsbetriebe vorhanden, die sich schwergewichtig der Schweinezucht widmeten. Eine Bestandsaufnahme im Jahre 1996 ergab, dass in der Ortslage über 8 000 und im Außenbereich unter Einschluss des jetzigen Plangebiets deutlich mehr als 4 000 Schweine gehalten wurden. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass „durch die sehr starke Zunahme an Schweinehaltung die Toleranzgrenze gegenüber den Geruchsimmissionen erreicht und zum Teil überschritten” ist. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Auch die Revision stellt nicht in Abrede, dass ohne planerische Steuerung der Weg zu einer weiteren Aufstockung des Schweinebestandes vorgezeichnet ist. Die Antragsgegnerin nennt in diesem Zusammenhang die Zahl von zusätzlichen 5 700 Mastschweinen. Die Antragsteller machen ihrerseits keinen Hehl daraus, dass sie ihren Betrieb um 1 400 Mastschweine erweitern wollen. Dahinstehen kann, wo im Einzelnen die Grenze zu ziehen ist, von der ab die durch massenhafte Schweinehaltung hervorgerufenen Geruchsbeeinträchtigungen in schädliche Umwelteinwirkungen umschlagen. Nach der Wertung des Gesetzgebers besteht insoweit ein immissionsschutzrechtlicher Prüfungsbedarf schon bei Anlagen mit 2 000 Mastschweineplätzen oder mehr (vgl. die Spalte 1 der Nr. 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV). Anlass zur Vorsorge besteht jedenfalls dann, wenn es verständliche Gründe dafür gibt, der Verschlechterung einer ohnehin schon kritischen Immissionssituation Einhalt zu gebieten (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 – BVerwG 7 C 8.82 – BVerwGE 69, 37).
Die Antragsgegnerin durfte im Rahmen der nach § 1 Abs. 6 BauGB gebotenen Abwägung ferner die massive Vorbelastung in Rechnung stellen, durch die B. als Folge der Schweinehaltung nicht nur innerhalb der Ortslage, sondern auch außerhalb des Bebauungszusammenhangs sein Gepräge erhält. Ihr Anliegen, durch planerische Vorkehrungen zu verhindern, dass sich die städtebauliche Rolle dieses Ortsteils mehr und mehr darin erschöpft, Standort für Schweinehaltungsbetriebe zu sein, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Interesse an der Aufrechterhaltung geordneter städtebaulicher Verhältnisse erlaubt es ihr, einer Entwicklung entgegenzusteuern, die ohne den Einsatz des Planungsinstrumentariums dazu führen würde, dass ihr Gemeindegebiet flächendeckend in eine Tiergeruchswolke eingehüllt wird. Es ermöglicht ihr auch, die Voraussetzungen für eine ausgewogenere Nutzungsstruktur zu schaffen, in der das Element des Wohnens stärker zur Geltung kommen kann, als es die tierhaltungsbedingten Geruchsbelastungen derzeit zulassen.
Der angegriffene Bebauungsplan lässt sich entgegen der Einschätzung der Revision auch nicht als Beleg für eine Planungspraxis werten, die darauf hinausläuft, die Konflikte zwischen Wohnbevölkerung und Schweinehaltung einseitig zu Lasten der betroffenen Landwirte aufzulösen. Er ist nicht Ausdruck einer städtebaulichen Konzeption, die generell darauf abzielt, die Schweinehaltung mit dem Mittel der Bauleitplanung dem Anwendungsbereich des § 35 BauGB zu entziehen und einem strengeren Rechtsregime zu unterwerfen. Der Bebauungsplan „…” erfasst nur einen geringen Teil des bisherigen Außenbereichs. Eine Überplanung weiterer Außenbereichsflächen nach seinem Muster zeichnet sich nicht ab. Die Antragsgegnerin kann vielmehr gute Gründe dafür ins Feld führen, weshalb sie gerade im Bereich „…” planerisch tätig geworden ist. Das Plangebiet wird nicht nur durch besondere Ortsnähe, sondern zusätzlich noch dadurch geprägt, dass die bebauten Ortsteile in der Hauptwindrichtung liegen. Es bildet den Kern eines Bereichs, in dem der Druck, der von der Schweinehaltung ausgeht, in hohem Maße spürbar ist. Die Antragsgegnerin sieht sich nicht nur mit den Erweiterungsabsichten der hier bereits ansässigen Landwirte unter Einschluss der Antragsteller, sondern auch mit den Ansiedlungswünschen weiterer Schweinehalter konfrontiert. Der angegriffene Bebauungsplan dient ihr dazu, die geltend gemachten Nutzungsansprüche zu koordinieren und zu kanalisieren sowie den Weg für eine Entwicklung zu ebnen, bei der nicht ausschließlich das „Windhund”-Prinzip zum Tragen kommt. Ihr Planungskonzept ist so angelegt, dass die den einzelnen Standorten zugewiesenen Nutzungskontingente ausreichen, um mehreren lebensfähigen Betrieben nebeneinander Platz zu bieten, gleichzeitig aber sichergestellt wird, dass die überkommenen Strukturen nicht in irreversibler Weise weiter verfestigt werden.
3.2.4 Vor dem Hintergrund des von der Antragsgegnerin verfolgten planerischen Ziels ist auch für eine Fehlgewichtung der privaten Belange der Antragsteller nichts ersichtlich. Der Betriebsbestand bleibt unangetastet. Auch die Möglichkeit einer Betriebserweiterung wird nicht von vornherein abgeschnitten. Die Antragsteller werden lediglich daran gehindert, ein Emissionsverhalten an den Tag zu legen, das auf eine Missachtung der durch die textliche Festsetzung 1.1 aufgerichteten Schranken hinauslaufen würde. Das bedeutet für sie einen erhöhten Kostenaufwand für technische Zusatzmaßnahmen. Die Antragsteller machen indessen selbst nicht geltend, dass die finanziellen Belastungen, die ihnen hierdurch erwachsen, außer Verhältnis zu dem Erfolg stehen, den sich die Antragsgegnerin mit der textlichen Festsetzung 1.1 für die Sicherung städtebaulich vertretbarer Immissionsverhältnisse erhoffen darf.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Paetow, Berkemann, Halama, Gatz, Jannasch
Fundstellen
BauR 2002, 1348 |
NVwZ 2002, 1114 |
IBR 2002, 380 |
AgrarR 2002, 328 |
NuR 2004, 40 |
VR 2003, 176 |
ZUR 2002, 356 |
DVBl. 2002, 1121 |
DVBl. 2002, 1418 |
GV/RP 2003, 309 |
KomVerw 2003, 206 |
UPR 2002, 313 |
BRS-ID 2002, 5 |
BRS-ID 2002, 6 |
BRS-ID 2002, 7 |
FSt 2003, 173 |
FuBW 2003, 177 |
FuHe 2003, 238 |
FuNds 2003, 273 |