Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Recht eines Kindes eines türkischen Arbeitnehmers, sich im Aufnahmemitgliedstaat, in dem es eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, auf jedes Stellenangebot zu bewerben. Stellung des Kindes, das seine Berufsausbildung zu einem Zeitpunkt abschließt, zu dem sein Vater, der mehr als drei Jahre lang eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Aufnahmestaat ausgeübt hat, bereits in die Türkei zurückgekehrt ist

 

Normenkette

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei; Beschlusses Nr. 1/80/EWG Art. 7 S. 2

 

Beteiligte

Akman

Haydar Akman

Oberkreisdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises

 

Tenor

Artikel 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der von dem durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrat erlassen wurde, ist wie folgt auszulegen:

Ein türkischer Staatsangehöriger wie der Kläger des Ausgangsverfahrens ist berechtigt, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf jedes Stellenangebot zu bewerben, nachdem er dort eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, und folglich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verlangen, wenn ein Elternteil in der Vergangenheit mindestens drei Jahre lang ordnungsgemäß in diesem Staat beschäftigt war.

Dieser Elternteil braucht dagegen zu dem Zeitpunkt, zu dem sein Kind im fraglichen Mitgliedstaat ins Arbeitsleben eintreten will, nicht mehr dort zu arbeiten oder zu wohnen.

 

Gründe

1.

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Beschluß vom 6. Mai 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juni 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im folgenden: Beschluß Nr. 1/80) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Assoziationsrat wurde durch das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnete Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffen, das durch den Beschluß 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.

2.

Die vorgelegte Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Akman, einem türkischen Staatsangehörigen, und dem Oberkreisdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises wegen dessen Versagung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für Deutschland.

3.

Nach den Akten des Ausgangsverfahrens wurde Herrn Akman 1979 die Einreise nach Deutschland gestattet, wo er eine befristete Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung einer Ingenieurausbildung erhielt.

4.

Er wohnte zunächst in Groß-Gerau bei seinem Vater, der vom 21. Mai 1971 bis zum 31. Dezember 1985 ordnungsgemäß in Deutschland beschäftigt war. Nach dem Ende seines dortigen Arbeitsverhältnisses kehrte der Vater von Herrn Akman am 1. Februar 1986 in die Türkei zurück.

5.

1981 zog Herr Akman nach Remscheid um, da seine Ausbildungsstätte zu weit von Groß-Gerau entfernt war.

6.

Seine Aufenthaltserlaubnis wurde mehrfach verlängert, um ihm die Fortsetzung seiner Ausbildung in Deutschland zu ermöglichen.

7.

Am 16. Januar 1991 wurde Herrn Akman in Deutschland eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis erteilt.

8.

Er war danach bei zwei verschiedenen Arbeitgebern teilzeitbeschäftigt; er erfüllt aber unstreitig nicht die Voraussetzungen, um die in Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehenen Ansprüche geltend machen zu können.

9.

Diese Bestimmung, die in Abschnitt 1 „Fragen betreffend die Beschäftigung und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer”) von Kapitel II „Soziale Bestimmungen”) steht, lautet wie folgt:

„Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

  • •nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
  • •nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
  • •nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.”

10.

Am 6. April 1993 schloß Herr Akman sein Ingenieurstudium in Deutschland erfolgreich ab.

11.

Am 24. Juni 1993 beantragte er die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

12.

Die deutschen Behörden erteilten ihm mit Bescheid vom 25. August 1993 jedoch lediglich eine bis zum 25. August 199...

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