Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweigerung der Mitwirkung des Standesbeamten an der Eingehung einer offenkundig aufhebbaren Ehe (Schein- oder Aufenthaltsehe). Scheinehe. Aufenthaltsehe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aussetzung der Abschiebung eines „heiratswilligen” Ausländers mit Blick auf die als Vorwirkung der grundrechtlichen Verbürgung des Art. 6 Abs. 1 GG anerkannte Eheschließungsfreiheit setzt über das Bestehen ernsthafter Absichten hinaus voraus, dass eine mögliche Bleiberechte vermittelnde Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen „unmittelbar bevorsteht”. Nichts anderes gilt, wenn der Ausländer unter Hinweis auf die beabsichtigte Heirat einer deutschen Staatsangehörigen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis begehrt.
2. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung ist auszugehen, wenn einerseits die Verlobten alles in ihrer Macht stehende getan haben, um eine Eheschließung erreichen zu können, und andererseits keine durchgreifenden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Eheschließung bestehen.
3. Da der Gesetzgeber nach dem klaren Wortlaut des § 1310 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Standesbeamten oder der Standesbeamtin untersagt, an der Eingehung einer offenkundig aufhebbaren Ehe mitzuwirken, begründet er notwendig auch eine Verpflichtung zur Prüfung des Vorliegens einer so genannten Schein- oder Aufenthaltsehe im Verständnis der §§ 1314 Abs. 2 Nr. 5, 1353 Abs. 1 BGB. Die Standesbeamtin oder der Standesbeamte hat seine Mitwirkung (zwingend) zu verweigern, wenn nach der Erforschung des Sachverhalts, insbesondere durch Befragung (§ 5 Abs. 4 PStG), vernünftigerweise kein Zweifel daran besteht, dass die Ehe aufhebbar wäre.
4. Notwendig ist insofern stets eine auf persönlichen Eindrücken beruhende Gesamtbetrachtung, wobei ganz allgemein unter anderem die erst kürzlich vorausgegangene Anmeldung einer beabsichtigten Ehe mit einem anderen Partner als gewichtiges Indiz für die fehlende Absicht der Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft anzusehen ist. Das gilt insbesondere dann, wenn ein aufgrund fehlender anderweitiger Aufenthaltsberechtigung zur Begründung eines Bleiberechts in Deutschland auf die Heirat angewiesener Ausländer oder eine Ausländerin entsprechende kurzfristige (hier: wiederholte) „Auswechslungen” der Partner gegenüber dem Standesamt vornimmt.
5. Zielstaatsbezogene Rückkehrbesorgnisse eines ehemaligen abgelehnten Asylbewerbers können angesichts der sich aus § 42 AsylVfG ergebenden Bindungswirkungen von vorneherein nicht gegenüber der Ausländerbehörde mit Erfolg geltend gemacht werden.
Normenkette
BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1353 Abs. 1, § 1310 Abs. 1 S. 2; PStG § 5 Abs. 4; GG Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 16.08.2005; Aktenzeichen 12 F 32/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. August 2005 – 12 F 32/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Antragsteller ist togoischer Staatsangehöriger, reiste am 2.11.2000 in die Bundesrepublik ein und suchte um seine Anerkennung als Asylberechtigter nach. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 12.12.2000 bei gleichzeitiger Verneinung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen abgelehnt. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage hat der Antragsteller zurückgenommen.
Am 21.3.2002 hatte der Antragsteller in A-Stadt die deutsche Staatsangehörige S AJ geheiratet. Im Hinblick darauf wurde dem Antragsteller – nach Beschaffung von Ausweispapieren – am 25.3.2003 von der Antragsgegnerin eine zum 24.3.2004 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Die kinderlos gebliebene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – A-Stadt vom 1.9.2004 geschieden; in der Entscheidung wurde als Trennungszeitpunkt die erste Woche im Mai 2003 festgehalten.
Bereits am 4.3.2004 hatte der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beantragt. Nach Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung verwies der Antragsteller auf seine Absicht, die deutsche Staatsangehörige S P zu heiraten. Die Anmeldung zur Eheschließung wurde am 4.4.2005 zurückgezogen. Gleiches gilt für eine beabsichtigte Eheschließung mit einer Frau M O im Juni 2005.
Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin den Verlängerungsantrag mit Bescheid vom 1.7.2005 ab, forderte den Antragsteller zur Ausreise binnen vier Wochen auf und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung an. Zur Begründung wurde auf den Fortfall eines ehebezogenen und das Nichtbestehen eines nachehelichen Aufenthaltsrechts verwiesen.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 5.7.2005 zugestellt. Am 15.7.2005 hat er Widerspruch erhoben und gleichzeitig beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs beantragt. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass eine Rückkehr nach Togo...