rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylrecht. Asylrecht (ohne Verteilung – vgl. Ord.Nr. 448 –). Kostenfestsetzung. Erinnerung. Beweisgebühr. informatorische Anhörung. Parteivernehmung. Erkenntnismittel. offenkundige Tatsachen. rechtliches Gehör. Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung nach § 128 BRAGO
Leitsatz (amtlich)
1. Die bloße informatorische Anhörung eines Asylbewerbers in der mündlichen Verhandlung löst – anders als die förmliche Parteivernehmung – die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO nicht aus.
2. Durch die Einführung und Verwertung des bei Gericht vorhandenen und nicht verfahrensbezogen erhobenen Auskunftsmaterials in Asylsachen fällt – anders als bei der auf ein konkretes Verfahren bezogenen Tatsachenerhebung – die Beweisgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 3, 34 Abs. 2 BRAGO ebenfalls nicht an.
Normenkette
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3, § 34 Abs. 2, §§ 121, 128; ZPO §§ 139, 291, 445-447, 613; VwGO §§ 98, 108 Abs. 2, § 173
Verfahrensgang
VG Weimar (Urteil vom 05.09.1994; Aktenzeichen 8 K 20132/94) |
Tenor
Die Erinnerung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß der Urkundsbeamtin der Geschäftstelle beim Thüringer Oberverwaltungsgericht vom 21. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Gründe
Der im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordnete Prozeßbevollmächtigte rügt, daß die Urkundsbeamtin der Geschäftstelle des Thüringer Oberverwaltungsgerichts bei der Festsetzung seiner Vergütung gemäß § 121 BRAGO die Beweisgebühr abgesetzt hat, obwohl der Kläger in der Berufungsverhandlung vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht informatorisch angehört worden ist und das Gericht Erkenntnisquellen verwertet und hierauf auch schon in der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Der darauf gestützte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist als Erinnerung des Rechtsanwalts gemäß § 128 Abs. 3 BRAGO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Beweisgebühr zu Recht abgesetzt. Weder die informatorische Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung noch die Beiziehung von Erkenntnisquellen lösen die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO aus.
Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der Rechtsanwalt „für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren oder bei der Anhörung oder Vernehmung einer Partei nach § 613 der Zivilprozeßordnung” eine Beweisgebühr. Nach § 34 Abs. 2 BRAGO erhält der Rechtsanwalt dann, wenn Akten oder Urkunden beigezogen werden, die Beweisgebühr nur, wenn die Akten oder Urkunden durch Beweisbeschluß oder sonst erkennbar zum Beweis beigezogen oder als Beweis verwertet wurden.
Die bloße informatorische Anhörung in der mündlichen Verhandlung unterfällt dem § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 5. März 1996 – A 14 S 2458/94 – VBlBW 1996, 275; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 21. Juni 1993 – 11 E 12267/91 – JurBüro 1994, 433). Sie erfolgt nicht im förmlichen Beweisaufnahmeverfahren – also als Parteivernehmung nach einem entsprechenden Beweisbeschluß, vgl. § 98 VwGO i.V.m. §§ 445 ff. ZPO – und stellt auch keine „Anhörung oder Vernehmung einer Partei nach § 613 ZPO” dar. Auch aus dem Umstand, daß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO bei § 613 ZPO nicht nur die Vernehmung, sondern auch die Anhörung der Partei in Bezug nimmt, ergibt sich nichts anderes. § 613 ZPO regelt nämlich den Sonderfall der Anhörung und Vernehmung der Parteien in Familiensachen, während die ZPO sonst strikt zwischen der bloßen Anhörung einerseits, die gemäß § 139 ZPO im Rahmen der richterlichen Aufklärungspflicht erfolgt, und der Parteivernehmung als Bestandteil der förmlichen Beweiserhebung nach §§ 445 ff. ZPO andererseits unterscheidet.
Auch die Einführung und Verwertung des bei Gericht vorhandenen – nicht verfahrensbezogen erhobenen – Auskunftsmaterials in Asylsachen löst die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO nicht aus. Daß insoweit keine förmliche Beweisaufnahme i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO vorliegt, bedarf keiner näheren Darlegung. Es handelt sich aber auch nicht um eine Beiziehung zum oder Verwertung als Beweis i.S.d. § 34 Abs. 2 BRAGO.
Mit der Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO wird der Mehraufwand eines Prozeßbevollmächtigten an Zeit, Mühe und Verantwortung bei einer Beweiserhebung abgegolten. Sie ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Gericht, bezogen auf das jeweilige Verfahren, neue Tatsachen erhebt, nicht aber, wenn es Erkenntnismittel heranzieht, die bereits unabhängig von diesem Verfahren vorhanden sind. Im letzteren Fall handelt es sich nämlich um Tatsachen, die i.S.d. § 173 VwGO i.V.m. § 291 ZPO „bei dem Gericht offenkundig” sind und deshalb keines Beweises bedürfen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 5. März 1996, a.a.O.; Niedersächs. OVG, Beschluß vom 21. Oktober 1996 – 11 L 6010/91 – NVwZ 1997, Beilage Nr. 2, 14 = AuAS 1997, 59 m.w.N.; OVG Bremen, Beschluß vom 25. April 1995 – 2 S 17/95 – JurBüro 1996, 82; OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 2. Mai 1996 – 11 A 12058/95 – AuAS 1996, 236, vom 21. Juni 1993, ...