Entscheidungsstichwort (Thema)
unbekannte Erben. Nachlaßpfleger. Anfechtung. Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage. Erbschein DDR. Erbscheinseinziehung. Rückübertragung
Leitsatz (amtlich)
• Für die Frage, ob ein Grundstück durch Erbausschlagung „in Volkseigentum übernommen” wurde i.S.d. §1 Abs. 2 VermG kommt es auf die objektive Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides an.
• Dieser Zeitpunkt ist auch für das Gericht bei einer Anfechtungsklage der unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlaßpfleger maßgebend, wenn eine Rückübertragung bereits erfolgte, eine Grundbuchänderung eingetreten ist und der Erbschein zugunsten der DDR erst danach eingezogen wird.
• Zur Frage des Staatserbrechts, der Wirkung eines Erbscheins zugunsten der DDR.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2; ZGB DDR § 369; ZGB DDR § 404; ZGB DDR § 413; Notariatsgesetz-DDR § 29
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Rückübertragung des Hausgrundstücks E.str. in L., eingetragen im Grundbuch von L., Blatt …, Flur c, Flurstück-Nr. … o (930 qm).
Zufolge Auflassung wurde der Buchdruckereibesitzer J. M. A. T. am 14.11.1933 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der zuletzt festgestellte Einheitswert betrug per 1.1.1971 29.100,00 M/DDR, der Abgeltungsbetrag 21.400,00 M/DDR, 1981 vermindert auf 0,00 M/DDR.
Am 24.7.1977 errichtete A. T. ein eigenhändiges Testament, in dem er verschiedenen Personen Gebrauchsgegenstände zuwandte und im übrigen verfugte, der Beigeladene erbe seinen sonstigen ganzen Besitz mit der Verpflichtung, die Ruhestätte auf dem Südfriedhof dauernd zu erhalten, zu pflegen und zu schmücken sowie eine Postscheckkontoeinlage. Der Beigeladene war mit dem Erblasser nicht blutsverwandt, die Ehefrau des Erblassers war die Großtante des Beigeladenen.
A. T. verstarb am 12.1.1980, seine Ehefrau war bereits vorverstorben, beide hinterließen keine Kinder. Nach Auskunft der Stadt- und Kreissparkasse L. vom 9.7.1981 war zu diesem Zeitpunkt das streitbefangene Grundstück belastet mit einem aus einer am 17.8.1929 eingetragenen Briefhypothek noch ausstehenden Restkredit in Höhe von 50.000,00 M/DDR sowie wegen Unrentabilität gestundeten Zinsen in Höhe von 50.195,70 M/DDR. Darauf waren am 9.1.1980 100,00 M/DDR gezahlt worden, so daß die Stadt- und Kreissparkasse L. eine offene Forderung in Höhe von 100.132,37 M/DDR hatte.
Nach der Testamentseröffnung vor dem Staatlichen Notariat schlug der Beigeladene für sich und sein Kind mit Erklärung vom 15.4.1980 die Erbschaft aus. Hierbei gab er auf die Frage nach weiteren Erben an, vom vorverstorbenen Bruder des Erblassers G. lebten noch Nachkommen in L., deren Anschrift ihm nicht bekannt seien. Als Erben zweiter Ordnung schlugen in der Folgezeit alle Abkömmlinge des Bruders G. die Erbschaft aus (Frau D. B., kinderlos, am 24.6.1980; Herr W. B., kinderlos, am 27.5.1980; Frau J. G. am 27.5.1980; deren einziger Sohn J. G. kinderlos, am 18.7.1980). Am 15.5.1980 wurde gemäß §415 ZGB die Nachlaßpflegschaft eingeleitet. Mit Beschluß des Staatlichen Notariats vom 13.8.1980 erging die Aufforderung, daß alle Personen, denen Erbrechte am Nachlaß zustehen, ihre Rechte bis zum 29.9.1980 anmelden sollen. Diese Aufforderung wurde am 19.8.1980 ausgehängt und am 19.9.1980 wieder abgehängt. Am 6.4.1980 wurde zugunsten der Deutschen Demokratischen Republik vom Staatlichen Notariat L. ein Erbschein ausgestellt.
Mit Nachweis vom 19.5.1981 wurde zum Rechtsträger des streitbefangenen Grundstücks der VEB Gebäudewirtschaft L. bestimmt, die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum erfolge aufgrund des Erbscheins vom 6.4.1981. Entsprechend wurde im Grundbuch am 25.6.1981 das Eigentum des Volkes eingetragen, Rechtsträger VEB Gebäudewirtschaft unter Bezugnahme auf den Rechtsträgernachweis vom 19.5.1981.
Am 28.1.1991 meldete der Beigeladene vermögensrechtliche Ansprüche als Erbe nach A. T. an. In der Folgezeit kam es zu Verhandlungen zwischen ihm und dem Verfügungsberechtigten. Unter dem 3.2.1992 wurde ein von allen Beteiligten unterzeichnetes Feststellungsprotokoll gemäß §31 Abs. 5 Vermögensgesetz – VermG – unterzeichnet, wonach die Rückübertragung an den Beigeladenen erfolgen sollte und Forderungen nach §7 VermG in Höhe von 30.437,16 DM vom Berechtigten anerkannt wurden. Einen Antrag auf Ausstellung eines Bescheides über die Rückführung des Grundstücks stellte der Beigeladene am 23.3.1992.
Mit Bescheid der Stadt L. vom 6.5.1992 wurde das streitbefangene Grundstück an den Beigeladenen zurückübertragen unter Bezugnahme auf ein Übergabeprotokoll, welches Bestandteil dieses Rückübertragungsbescheides sei. Darin wurde auf die schriftliche Vereinbaru...