Kabinett bringt Krankenhausreform auf den Weg
Weniger Finanzdruck, mehr Spezialisierung bei größeren Operationen: Für die Krankenhäuser in Deutschland kommt ein großer Umbau in Sicht. Das Kabinett brachte am 15. Mai die Gesetzespläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg, die die Milliarden-Finanzierung neu ausrichten und einheitliche Qualitätsregeln verankern sollen. So könnten «Zehntausende Menschenleben gerettet werden», wenn planbare Eingriffe in besonders geeigneten Standorten stattfinden, sagte der SPD-Politiker. Von Klinikbranche, Ländern und Opposition kam Kritik, die Krankenkassen warnten vor einer Kostenlawine.
Zahl der Krankenhäuser soll abnehmen, Qualität der Versorgung soll steigen
Lauterbach sagte in Berlin, dass es um eine «Revolution» gehe - und auch eine Notbremse: Ohne Strukturänderungen drohten Klinik-Insolvenzen, schlechte Behandlung und weite Wege. Die Reform solle in einer alternden Gesellschaft gute stationäre Versorgung für alle gewährleisten. Dabei müsse man klar sagen, dass es zu viele Kliniken gebe. «Deutschland hat nicht den medizinischen Bedarf, nicht das ärztliche Personal und auch nicht das pflegerische Personal für 1700 Krankenhäuser.» Das große Ziel sei daher, dass Qualität zähle und die Häuser, die man wirklich benötige, eine auskömmliche wirtschaftliche Basis hätten.
Steuern sollen den Wandel die für die Krankenhausplanung zuständigen Länder. Sie könnten etwa sagen, ob es in einer Region zwei oder vier Standorte für Wirbelsäulenchirurgie gebe, erläuterte Lauterbach. Und: «Das Geld folgt den Wünschen der Länder.» Die FDP-Expertin Christine Aschenberg-Dugnus sagte, künftig gelte Qualität statt Quantität. «Das heißt weg vom Hamsterrad.» Grünen-Fachpolitiker Janosch Dahmen sagte, es gebe inzwischen eine Arbeitsverdichtung, die das Gesundheitspersonal selbst krank mache.
Einzelheiten des Gesetzesentwurfs zur Krankenhausreform
Konkret sieht der Entwurf, der nun in den Bundestag kommt, mehrere Stellschrauben vor:
- Neue Vergütung: Grundlegend geändert werden soll das vor 20 Jahren eingeführte System mit Pauschalen pro Behandlungsfall. Das soll Krankenhäuser von Druck zu immer mehr Fällen und teils auch zu Eingriffen befreien, für die sie keine große Expertise haben. Künftig soll es einen festen Sockel von 60 Prozent der Vergütung allein dafür geben, dass Kliniken eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für bestimmte Leistungen vorhalten, unabhängig von der Zahl der Fälle. Extra-Zuschläge geben soll es für Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Intensiv- und Unfallmedizin, spezielle Schlaganfall-Stationen und Notfallversorgung.
- Die Steuerung: Die neue Fix-Vergütung soll eine Klinik für «Leistungsgruppen» bekommen, die ihr das Land zuweist. Sie bilden medizinische Leistungen ab, und zwar präziser gefasst als grob benannte Fachabteilungen. Ausgangspunkt sollen 65 Gruppen sein, die maßgeblich auf ein Modell aus Nordrhein-Westfalen zurückgehen - etwa «OPs an der Wirbelsäule» oder «Leukämie». Mit definiert werden jeweils einheitliche Qualitätsvorgaben zu Fachpersonal und Ausstattung. Lauterbach machte klar, dass dabei keine Abstriche infrage kämen. Denn dies soll bewirken, dass etwa Krebsbehandlungen in Kliniken mit Spezialkenntnissen laufen.
- Kleine Kliniken: Die Vorhaltevergütung soll auch eine Existenzsicherung für kleinere Häuser gerade in ländlichen Regionen schaffen. «Diese Krankenhäuser werden durch die Reform geschützt», sagte Lauterbach. Die Länder sollen Standorte auch zu «sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen» bestimmen können, die «wohnortnah» stationäre Behandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden, wie es im Entwurf heißt. Generell sollen die Qualitätskriterien auch in Kooperationen und Verbünden erfüllt werden können. Um eine schnelle Erreichbarkeit zu sichern, sollen laut Ministerium Ausnahmen befristet möglich sein.
- Finanzspritzen: Angesichts von Finanznöten vieler Kliniken sollen die Lohnkosten für alle Beschäftigten schon von diesem Jahr an nicht mehr nur zur Hälfte, sondern voll von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden. Um den Wandel zu den neuen Strukturen zu unterstützen, soll außerdem ein «Transformationsfonds» kommen, aus dem von 2026 bis 2035 bis zu 25 Milliarden Euro aus Mitteln der gesetzlichen Kassen fließen könnten – sofern sich Länder jeweils in gleicher Höhe an der Finanzierung beteiligen.
- Kosten: Die gesetzlichen Kassen begrüßten eine Steigerung der Behandlungsqualität. Mit ihren Finanzierungsplänen trete die Regierung in einer ohnehin angespannten Finanzlage aber «eine Kostenlawine» los, warnte der Spitzenverband. Der Sozialverband Deutschland kritisierte: «Es kann nicht sein, dass die gesetzlich Versicherten allein zur Kasse gebeten werden.» Im Entwurf weist das Ministerium auf «Effizienzgewinne und Minderausgaben» durch eine stärker koordinierte, hochwertigere Versorgung hin. Die Ausgaben für Kliniken stiegen zuletzt schon auf 94 Milliarden Euro. Das war ein Drittel aller Leistungsausgaben.
So geht es weiter
Der Anlauf zur Reform begann am Nikolaustag 2022, als eine Kommission ein Konzept empfahl. Lauterbach peilt die erste Lesung im Bundestag vor der Sommerpause an. In Kraft treten soll das Gesetz dann zum 1. Januar 2025. Wie reibungslos der Prozess läuft, muss sich zeigen. Die Ampel-Koalition steht in der Frage zusammen, mit den Ländern köchelt aber weiter Streit. Dabei hat Lauterbach das Gesetz nicht mehr so angelegt, dass es im Bundesrat zustimmungsbedürftig ist. Umgesetzt werden soll die neue Struktur später Schritt für Schritt. So soll die neue Vorhaltevergütung ab 2027 «budgetwirksam» werden.
Kritik an der Krankenhausreform der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Bundesländer
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft protestierte, «im Blindflug» in ein neues Finanzierungssystem zu starten, sei ein unverantwortliches Vabanquespiel. Die Vorsitzende der Gesundheitsminister, Kerstin von der Decken (CDU) aus Schleswig-Holstein, pochte auf Berücksichtigung einhelliger Länder-Forderungen etwa zu mehr Kooperationsmöglichkeiten für Kliniken. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, mahnte im Sender «Phoenix» Erreichbarkeiten in maximal 30 Minuten an. Unions-Experte Tino Sorge (CDU) monierte einen Umbau im Alleingang auf Kosten von Ländern und Versicherten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht forderte «ein Schließungsmoratorium für Krankenhäuser».
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