Arbeitszeitgesetz gilt auch für Beschäftigte in Wohngruppen
Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen bedeutet einen großen zeitlichen Aufwand für die Erzieherinnen und Erzieher. Ein Arbeitszeitmodell mit einem rollierenden Betreuungskonzept stand nun auf dem Prüfstand.
Der Fall: Abwechselnd Tag- und Nachtdienst sowie Freizeit
Die Klägerin betreibt als anerkannte freie Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe Wohngruppen mit alternierender Betreuung. Für jede Gruppe sind drei Beschäftigte zuständig, die alternierend etwa sechs Kinder und Jugendliche durchgehend in der Wohngruppe betreuen. Während ein Beschäftigter in der Regel drei bis fünf Tage in Folge in der Wohngruppe wohnt, ist der zweite im Tagesdienst tätig; der dritte hat frei. Ziel des Modells ist es, eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung in einer familienähnlichen Gruppe mit hoher Betreuungsintensität und gleichzeitiger Kontinuität der Beziehungen zu gewährleisten.
Das zuständige Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) meint, dieses Modell verstoße gegen das Arbeitszeitgesetz, insbesondere gegen das darin geregelte Verbot, täglich mehr als zehn Stunden zu arbeiten. Es forderte die Klägerin daher auf, die Dienstpläne ihrer Beschäftigten so zu gestalten, dass derartige Verstöße zukünftig unterbleiben. Die Klägerin ist dagegen der Meinung, das Arbeitszeitgesetz sei nicht auf Arbeitnehmer anwendbar, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen.
Gericht: Arbeitszeitgesetz ist anwendbar
Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klage ab. Das Arbeitszeitgesetz sei anwendbar. Von einem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft sei nur dann auszugehen, wenn ein Arbeitnehmer mit mindestens einer anderen Person in einem räumlich abgegrenzten Bereich für längere Zeit dergestalt zusammen wohne, dass dies einem Zusammenleben und gemeinsamen Wirtschaften in einem Familienverbund weitgehend gleichkomme. Das sei hier nicht der Fall. Beschäftigte wohnten während der Rund-um-die-Uhr-Betreuung nicht in der Wohngruppe, sondern arbeiteten dort ausschließlich. Die Wohngruppe biete keinen privaten Rückzugsbereich und sei gerade nicht der Ort, der den räumlichen Schwerpunkt der privaten Lebensverhältnisse darstelle.
Es sei dabei rechtlich unerheblich, ob die betreuten Kinder und Jugendlichen in den Gruppen untereinander einen Haushalt bildeten. Das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft sei allein aus der objektivierten Sicht der vom Arbeitszeitgesetz zu schützenden Arbeitnehmer zu beurteilen. Auch Zeiten mit geringerer Belastungsintensität – etwa beim Schulbesuch der Kinder – zählten als Bereitschaftsdienst im vollen Umfang zur Arbeitszeit.
Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung und die Sprungrevision zugelassen (VG Berlin, Urteil v. 24.3.2015, VG 14 K 184.14).
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