Beamtenbund fordert Modernisierung und personelle Aufstockung
Kritik an Krisenmanagement in Corona-Pandemie
Der Beamtenbund dbb hat Bund und Ländern ein verheerendes Zeugnis beim Krisenmanagement in der Corona-Pandemie ausgestellt. Die Menschen seien mit teils «widersprüchlichen und widersinnigen Maßnahmen und Ansagen» kirregemacht worden, sagte der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach bei der dbb-Jahrestagung am 10. Januar in Berlin. Dabei sei der Eindruck erweckt worden, «dass in diesem Land jeder Kindergeburtstag besser organisiert ist als das staatliche Krisenmanagement».
Silberbach warf der Politik «Saumseligkeit und Begeisterung für schwarze Nullen» vor. Deshalb sei es über Jahre versäumt worden, die Behörden und Verwaltungen krisenfest aufzustellen. Deswegen dürfe man sich nun nicht wundern, «dass Marokko das Impfen besser hinkriegt als wir».
Organisatorische Versäumnisse und zuviel Bürokratie
Der öffentliche Dienst sei an allen Ecken und Enden mit zu vielen Aufgaben für zu wenig Personal, mit veralteter Ausstattung sowie mit zu vielen bürokratischen Vorgaben konfrontiert. «Heute sind wir das Land der Funklöcher und Sicherheitslücken»», sagte Silberbach. «Ein Termin beim Bürgeramt ist vielerorts Glückssache.» Und fast die Hälfte des Lehrpersonals habe keinen eigenen Dienstrechner oder belastbare Netzanbindung in der Schule.
Beschäftigte im öffentlichen Dienst frustriert
Silberach sagte in seiner Rede, auch bei jenen, die in diesem kaputtgesparten öffentlichen Dienst arbeiteten, sei die Frustration nachvollziehbarerweise groß: «Personalmangel, so weit das Auge reicht, und kein Ende in Sicht. Ständig mehr Aufgaben, uralte Technik und ein Wust an Bürokratie, der jede Innovation und Agilität im Keim erstickt.» Deutschland habe weniger Personal als vergleichbare Staaten. Es liege auf der Hand, dass sich das auch bei der Leistungsfähigkeit bemerkbar mache.
dbb fordert Bundestagsausschuss für den öffentlichen Dienst
Silberbach forderte: «Wir brauchen einen klaren Schnitt in Sachen Staat, um all diesen Fehlentwicklungen nachhaltig Einhalt zu gebieten.»
Der dbb-Chef schlug die Schaffung eines gesonderten Bundestagsausschuss für die Belange des öffentlichen Dienstes vor. Aktuell fehlten dort 330.000 Beschäftigte. Silberbach fand deutliche Worte:
Eins ist klar: Wenn wir so weitermachen, fliegt uns der Laden um die Ohren – sowohl volkswirtschaftlich als auch gesellschaftlich.
Der öffentliche Dienst müsse krisenfest modernisiert und personell wie technisch «in die Zeit gestellt» werden, so Silberbach. Sonst werde die Bundesrepublik Herausforderungen in Sachen Bildung, Integration, Klimawandel, Sicherheit, Konjunktur, Infrastruktur, soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht meistern.
Neue Arbeitskultur für mehr Agilität
Silberbach sagte, man sollte nicht nur reden, sondern: einfach machen! «Wir bremsen uns – Paradebeispiel Digitalisierung – noch immer mit dem Irrglauben aus, die Dinge müssten 100prozentig laufen, bevor sie an den Start gehen.» Er forderte ein agiles, kooperatives Herangehen an Aufgaben und Prozesse. Es müsse eine neue Arbeitskultur im öffentlichen Dienst Einzug halten, einhergehend mit einer anderen Fehlerkultur.
Das genaue Gegenteil dieser Zukunftsvision sei derzeit die digitale Transformation der Verwaltung. Wer sich das Zuständigkeiten-Schaubild bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ansehe, brauche Nerven wie Drahtseile und bekomme unzählige Antworten auf die Frage, warum es eigentlich nicht vorangeht mit den digitalen Bürgerdienstleistungen.
Beamtenbund macht konkrete Vorschläge
Für die Modernisierung des öffentlichen Dienstes nannte der dbb-Vorsitzende vier Bausteine.
1. Aufgabengerechte Personalausstattung
Aktuell fehlen, so Silberbach, im öffentlichen Dienst insgesamt mehr als 330.000 Beschäftigte für die Erledigung der Aufgaben. Fast 1,3 Millionen Beschäftigte sind über 55 Jahre und werden in den kommenden Jahren ausscheiden.
Der öffentliche Dienst aller Gebietskörperschaften müsse umgehend eine nachhaltige Personalgewinnungsstrategie verfolgen. Es müsse zwingend mehr in Menschen und Technik investiert werden.
2. Attraktive Arbeitsbedingungen
Der dbb-Vorsitzende wies darauf hin, dass die Arbeit im Dienst des Allgemeinwohls zweifellos sinnstiftend sei. Auch vielfältige Teilzeitmodelle, Führen in Teilzeit und Gleichstellungsaspekte sprächen für den Arbeitgeber Staat. Die Arbeitgebermarke öffentlicher Dienst müsse von allen Arbeitgebern und Dienstgebern entsprechend positiv besetzt und kommuniziert werden.
Silberbach forderte mehr Flexibilität und mehr Homeoffice, wo dies sinnvoll möglich ist. Flankiert werden müsse die Flexibilisierung der Arbeit von entsprechenden Aus-, Fort- und Weiterbildungen. Befristungen, bei denen der öffentliche Dienst weiterhin bundesweit Spitzenreiter unter den Arbeitgebenden sei, seien kein sinnvolles Flexibilisierungsinstrument, sondern Motivationskiller.
Zu attraktiven Arbeitsbedingungen gehören auch die Personal- und Sachmittelausstattung sowie die Bezahlung der Beschäftigten.
3. Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung
Der dbb steht laut Silberbach zu seinem Vorschlag einer Digitalisierungsagentur mit weitreichenden Kompetenzen und Durchgriffsrechten, um die Ebenen übergreifende Zusammenarbeit zu verbessern. Hierfür böte sich die FITKO in Frankfurt an, ausgestattet mit entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen. Der dbb sieht in der digitalen Transformation eine große Chance, «den öffentlichen Dienst endlich wieder dahin zu bringen, wo er hingehört: zu den Bürgerinnen und Bürgern. Wenn uns die Technik aufwendige Archivierungs-, Auswertungs- und Administrationstätigkeiten abnehmen kann, gewinnen wir wieder Zeit für die Menschen, denen wir dienen.»
4. Kultur des Respekts und der Wertschätzung
Silberbach bemängelte zunehmende Respektlosigkeit und tätliche Gewalt gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die Beschäftigten erwarteten von Politik und Gesellschaft mehr Schutz, mehr Respekt und mehr Rückhalt.
Es brauche noch mehr Engagement der Politik beim Umgang mit Gewalt gegen Beschäftigte und eine umfassende und systematische Erfassung von Gewalttaten in einem Zentralregister. «Wir brauchen strengere Maßgaben zur unmittelbaren strafrechtlichen Verfolgung. Und wir brauchen professionelle Gefahrenanalysen mit passgenauen Präventionskonzepten in Behörden und Verwaltungen.» Zusammenfassend sagte er:
Ein moderner öffentlicher Dienst, ein attraktiver Arbeitgeber Staat, ist stolz auf sein Team. Er motiviert und fördert seine Beschäftigten, gibt ihnen Rückendeckung und zeigt Wertschätzung. Er fordert Respekt von allen für seine Leute ein – weil sie allen dienen.
dbb gegen Quotenregelungen, aber für Vielfalt
Gleichzeitig wandte sich Silberbach gegen Quoten zur Steigerung der Vielfalt beim Personal des öffentlichen Dienstes. «Wenn eine Gesellschaft bunter wird, dann sollte sich das auch im Staatsdienst spiegeln», sagte er. «Allerdings ohne Quoten, sondern nach Eignung, Leistung und Befähigung.»
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